Im Licht der Horen. Petra E. Jörns

Im Licht der Horen - Petra E. Jörns


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Schweiß. Ein Schwall kalter Luft fegte durch Dees Haare und die Luke der Fähre öffnete sich.

      Nichts. Wieso war wieder nichts passiert?

      Eine blonde Frau kletterte aus der Fähre. Ihre kurzen Haare schimmerten zu silbrig, um eine natürliche Haarfarbe zu sein. Das Gesicht war zu glatt, als dass es zu ihrem Alter von über sechzig Standardjahren gepasst hätte. Altrosafarbener Chiffon umflatterte ihre schlanke Gestalt, während sie mit einem strahlenden Lächeln auf Coulthard zueilte.

      Wie konnte diese Frau in der Hierarchie über dem Captain stehen? Aber die Flotte hatte einst ihrer Ernennung zugestimmt und damit ihren Rang als Ehrenadmiral der Flotte bestätigt. Also hatte es wohl seine Richtigkeit.

      »Captain Coulthard! Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Fay Hagen.« Ohne Coulthards Reaktion abzuwarten, griff Hagen nach deren Hand und schüttelte sie.

      Coulthard verzog keine Miene. »Die Ehre ist ganz meinerseits, Botschafterin.«

      Immer noch lächelnd ließ die Botschafterin ihren Blick über die anwesenden Offiziere schweifen. »Hervorragend. Ganz hervorragend.« Angesichts des Einsatzteams runzelte sie die Stirn und wedelte mit der Hand. »Bitte, kein Einsatzteam. Überwachen Sie den Hangar nur mit technischen Mitteln. Ich möchte nicht riskieren, dass der Botschafter unsere Fürsorge missversteht.« Ihre Stimme klang entschuldigend.

      Weshalb fühlte sich das auf einmal wie eine Generalprobe an?

      In diesem Moment verließ Hawk die Fähre und salutierte vorschriftsmäßig vor Coulthard.

      »Wo ist der Botschafter?«, fragte Coulthard kühl.

      »Ma’m, Miss Hagen ...« Hawk ließ die Grußhand sinken und stand stramm.

      »Mistress Hagen«, unterbrach Hagen ihn sanft.

      »... Mistress Hagen bestand darauf, die Ankunft des Botschafters auf sechzehnhundert zu verschieben, um mit Ihnen zuvor die diplomatischen Belange durchzugehen.« Hawk schwitzte.

      »So.« Coulthard lächelte. Dee wollte nicht in Hagens Haut stecken.

      »Entschuldigen Sie bitte die Planänderung. Aufgrund neuer Informationen sah ich mich leider dazu gezwungen. Am besten wäre es, wir würden das weitere Vorgehen unter vier Augen besprechen.« Hagen bedachte Coulthard mit einem warmen Blick und wandte sich den wartenden Offizieren zu. »Und wollen Sie mir nun nicht Ihre prächtigen Offiziere vorstellen, Captain?«

      »Mit Vergnügen.« Coulthards hellblaue Augen waren kalt. Dee glaubte zu hören, wie sie mit den Zähnen knirschte.

      »Ma’m?« Nayiga drehte sich halb zu Dee um. Auf Nayigas Konsole blinkte ein Icon.

      Im ersten Moment wollte Dee sie an Coulthard verweisen. Dann erinnerte sie sich, dass Coulthard sich nun schon seit Stunden mit De Sutton, Watanabe und der Botschafterin im Besprechungszimmer befand, um die diplomatischen Belange durchzugehen – wie Hawk es genannt hatte. Im Moment hatte Dee also die Befehlsgewalt in der Kommandozentrale, auch wenn sie nicht auf Coulthards Platz saß. »Was gibt’s?«

      Hoffentlich war es nichts Wichtiges. Das fehlte ihr jetzt noch! Andererseits ... Was war so schlimm daran, das Kommando inne zu haben? Auf der Achilles war sie daran gewöhnt gewesen. Und sie war immer noch die gleiche Frau.

      »Hier ist ein Admiral Mason. Er bittet darum, an Bord der Nyx gebracht zu werden.«

      Dee runzelte die Stirn. »Bringen Sie ihn auf meinen Monitor.«

      »Aye, Ma’m.«

      Im nächsten Augenblick erschien das Bild eines distinguierten Mannes in Admiralsuniform auf Dees Bildschirm. Für sein Alter war er eine blendende Erscheinung.

      »Hier spricht der Zweite Offizier, Lieutenant Commander MacNiall. Captain Coulthard und der Erste Offizier sind zur Zeit nicht abkömmlich. Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Sir?«

      Hoffentlich hatte ihre Antwort professionell genug geklungen.

      »Admiral James Mason.« Der Admiral straffte sich ein wenig. »Letzte Order für Captain Coulthard und Mistress Hagen.« Ein Lächeln umspielte bei dem Namen der Botschafterin seine Lippen. »Schicken Sie mir Ihre Fähre zum Raumhafen der Admiralität.«

      Ein Admiral, der eine Order persönlich überbringen wollte?

      »Wie Sie wünschen, Sir. Ich werde dem Piloten sofort Anweisung geben, Sie abzuholen. Nyx Ende.«

      »Verstanden. Ende.« Das Bild des Admirals erlosch.

      Nachdenklich starrte Dee auf den Monitor.

      Was konnte so wichtig sein? Natürlich! Die Untergrundbewegung der Mutanten musste sich gemeldet haben. Deshalb hatte Hagen den Plan geändert. Alles passte mit einem Mal zusammen.

      »Ma’m?« Nayiga räusperte sich. »Stimmt etwas nicht?«

      »Ich bin nicht sicher.« Dee hob den Kopf und suchte Hawk, der breitschultrig hinter der Pilotenkonsole saß.

      Er drehte sich um, als habe er Dees Blick gespürt. »Ma’m!«

      »Sie haben gehört, was der Admiral will. Holen Sie ihn ab!«

      Leichtes Unwohlsein breitete sich bei den Worten in Dee aus. Nein! Er durfte nicht fliegen! Er musste ...

      Zwei Flüge hatte die Fähre bereits hinter sich gebracht und nichts war passiert. Sie hatte nur Albträume. Nichts weiter.

      »Ma’m, ist Ihnen nicht gut?« Dee sah in Nayigas besorgtes Gesicht. »Soll ich den Doktor holen?«

      Brüsk schob Dee sie beiseite. »Unsinn!«

      »Terrorwarnungen?«, fragte Hawk.

      Dee schüttelte den Kopf. »Nein, nur ein paar letzte Befehle der Admiralität. Nun gehen Sie schon!«

      Hawk salutierte. »Aye, Ma’m!«

      Als er die Kommandozentrale verließ, verstärkte sich ihr Unwohlsein. Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn. Es drängte Dee, ihn zurückzurufen. Stattdessen nickte sie Nayiga zu und setzte sich wieder vor ihre Konsole.

      Sie war keine Seherin! Es war alles in Ordnung.

      Ein Schott zischte.

      Dees Blick huschte zu Coulthard, die mit energischen Schritten die Kommandozentrale betrat. Endlich. Ein Teil der Last fiel von ihr ab.

      »Bericht!« Coulthard musterte den Hauptbildschirm, wo der leuchtende Punkt, der die Fähre markierte, sich dem Zentrum näherte – und damit dem Standpunkt der Nyx. Ihre Stimme war so eisig, dass Dee unwillkürlich fröstelte.

      »Admiral James Mason hat darum gebeten, an Bord gebracht zu werden. Um ein paar letzte Befehle für Sie zu überbringen«, sagte Dee schnell.

      »So.«

      Die Pause nach dem Wort erzeugte bei Dee eine Gänsehaut.

      Mit süffisantem Unterton fuhr Coulthard fort: »Mistress Hagen persönlich zu verabschieden, lässt sich der alte Charmeur wohl nicht entgehen.«

      Mason und Hagen? Dee glaubte, sich verhört zu haben. Ein Admiral ließ sich von ihnen abholen, um seinen Gefühlen nachzugeben?

      »Es tut mir leid, Ma’m. Falls ...«

      Coulthard unterbrach Dees Entschuldigung mit einem Wink ihrer Hand. »Wenn die Admiralität befiehlt, dann gehorchen wir. Nicht wahr, Commander?« Wieder war der süffisante Unterton in Coulthards Stimme nicht zu überhören.

      »Aye, Ma’m.« Dees Blick glitt zu ihrem Konsolenmonitor, auf dem immer noch der Kurs der Fähre abgebildet wurde. Was sie sah, glich einem Déjà-vu. Schweiß brach plötzlich auf ihrer Stirn aus. Ihr Magen zog sich zusammen.

      Nein.

      Der Kurs der Fähre wich von der projizierten Kurve ab.

      Dee keuchte. Ihr wurde heiß und kalt zugleich. Das Herz klopfte so laut in ihren Ohren, dass es alle anderen Geräusche übertönte. Sie spürte den zweiten Punkt, bevor sie


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