Im Licht der Horen. Petra E. Jörns

Im Licht der Horen - Petra E. Jörns


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unterbrach Coulthard ihn. »Weiter, Nayiga. Haben Sie noch etwas herausgefunden? Wer ist der Kerl?«

      »Ich habe sein Porträt durch die Flottendatenbank laufen lassen. Er wird nicht im Flottenregister geführt. Ich habe sein Konterfei danach auch noch durch die Datenbank mutmaßlicher Angehöriger des Untergrunds gejagt. Das Ergebnis erhielt ich erst kurz vor Beginn unserer Besprechung.« Nayiga sah zu Coulthard. »Sein Name ist Conner Patrick. Er wird als Angehöriger der auf Persephone ansässigen Untergrundzelle geführt.«

      Dee starrte auf das verwaschene Porträt. Der Mann wirkte unscheinbar. Er war im mittleren Alter, mit einem Ansatz zur Glatze und deutlichem Doppelkinn. Nichts an ihm wies ihn als Attentäter aus.

      Coulthard schwieg. Nachdenklich rieb sie ihre Stirn, bis sie endlich zu einem Entschluss gekommen zu sein schien. »Watanabe, erhöhen Sie den Sicherheitsstandard aller Computer um eine Stufe und überprüfen Sie die Akten sämtlicher Crewmitglieder. De Sutton, Sie liefern den Quercheck.«

      »Ma’m«, begann De Sutton, aber Coulthard beachtete ihn nicht. Watanabe nickte nur.

      »Nayiga, gute Arbeit. Suchen Sie in den Datenbanken, die Ihnen zur Verfügung stehen, nach Kontakten von diesem Mister Patrick. Ich will alles wissen, was Sie über ihn herausfinden können.«

      Nayiga lächelte verbindlich. »Aye, Ma’m.«

      »Wurde der Körper des Mannes in den Trümmern gefunden?«, fragte Coulthard.

      »Ja«, antwortete Tipton mürrisch. »In Teilen.«

      »Dann untersuchen Sie die Leichenteile, die wir haben. Wenn der Kerl Parodontose hatte, dann will ich es wissen.«

      »Aye, Captain«, antwortete Tipton. »Heute oder gestern?«

      »Gestern, Doktor. Gestern.« Coulthard schmunzelte.

      Endlich wandte sie sich an Dee. »Und Sie, MacNiall, überprüfen dieses Schiff auf Herz und Nieren. Wenn es hier weitere Überraschungen gibt, dann will ich, dass Sie sie finden.«

      Dee stöhnte innerlich. »Ma’m, eine Frage. Bis wann erwarten Sie unsere Vollzugsmeldung?«

      Coulthard überlegte kurz. »Bis wann können Sie fertig sein?«

      »Mindestens ein Tag, Ma’m. Falls ich alleine arbeite.« Hoffentlich verstand Coulthard den Hinweis.

      »Lassen Sie CPO Riley und PO Peres mitarbeiten, aber tarnen Sie die Aktion als Routineüberprüfung. Wie, das überlasse ich Ihnen. Schaffen Sie das bis morgen früh?«

      »Aye, Ma’m. Mit einer Nachtschicht für alle – ja.« Das würde hart werden. Und wie sie das als Routineüberprüfung tarnen sollte, war ihr schleierhaft.

      »Das wird genügen. Die Ergebnisse der anderen erwarte ich um neunzehnhundert. Der Botschafter wird um zwanzighundert erwartet. Wir starten planmäßig morgen Vormittag um null achthundert. Das wäre alles.«

      De Sutton meldete sich noch einmal zu Wort. »Ma’m, mit Verlaub, darf ich Ihren Worten entnehmen, dass wir einen neuen Piloten haben? Sollte dem so sein, bitte ich Sie in aller Form um die Übermittlung seiner Akte.«

      »Ja, wir haben einen neuen Piloten. Sein Name ist Lieutenant Jameson McAllister. Und seine Akte wurde bereits überprüft. Von mir. Weitere Fragen?«

      Coulthard sah sich um. Nayiga stand der Mund offen. Unter Coulthards Blick senkte sie jedoch schnell den Kopf.

      De Sutton wirkte völlig entgeistert. »Ma’m, bei allem gebührendem Respekt. Aber das kann nicht Ihr Ernst sein!«

      »Er ist hoch qualifiziert und wird in wenigen Stunden eintreffen.«

      »Ich protestiere!«, sagte De Sutton.

      »Das ist alles!«

      De Sutton klappte den Mund zu. Aber Coulthard hatte gar nicht erst auf eine Erwiderung De Suttons gewartet. Sie verließ bereits den Raum.

      4. Kapitel

      Jameson McAllister. Dee ließ das Prüfgerät sinken. Irgendwann hatte sie den Namen bereits gehört. Es war kein angenehmer Zusammenhang gewesen. Wenn sie sich doch nur erinnern könnte! Sie rieb sich die Nase, aber das brachte sie auch nicht weiter.

      Riley und Peres hatten die Routineüberprüfung murrend geschluckt. Dee hatte die beiden zu den Konvektionstriebwerken geschickt. Die waren wenig anfällig für Störungen und taugten nicht für Attentate. Eigentlich sollte sie währenddessen die Sprungtriebwerke überprüfen, aber ...

      Endlich war Dee bis zu den Schaltkreisen für den Hangar vorgedrungen. Sie kauerte hinter der herabgenommenen Verschalung der Überwachungskabine. Wenn sich irgendjemand außer Hawk und ihr an der Fähre zu schaffen gemacht hatte, dann würde sie hier die Antwort finden. Es sei denn, der Betreffende war gut genug gewesen, seine Spuren zu beseitigen.

      Dee löste gerade eine Verbindung, als ihr ein Blinken an der Konsole auffiel: Die Anzeige für den Status der Hangartore. Dem Stand der Atemluft nach, die die Kontrolle daneben anzeigte, mussten sie sich gerade geschlossen haben.

      Eine Fähre? Natürlich. Der angekündigte neue Pilot.

      Ihre Finger lösten eine weitere Verbindung und verbanden die freien Enden mit ihrem Prüfgerät. Im schummrigen Licht waren die Tasten kaum zu erkennen, die sie betätigen musste. Mit gerunzelter Stirn zog sie sich von der Wand zurück, um das Licht des Hangars nutzen zu können.

      Sie erkannte drei Autorisierungscodes. Einer davon war der ihre. Während sie die Codes auf ihrem Prüfgerät speicherte, zischte das Schott der Fähre. Die Gegensprechanlage war aktiviert. Dee hörte leichte Schritte aus dem Lautsprecher. Vorsichtig beugte sie sich zur Seite, um von ihrem erhöhten Standort einen Blick auf den Ankömmling zu werfen.

      Der Mann, der aus der Fähre kam, trug Turnschuhe, graue ausgebeulte Jogginghosen und ein zerschlissenes ärmelloses Shirt, das den Blick auf athletische Schultern und Arme freigab. Die blonden Haare waren zerzaust und hingen bis auf seine Schultern. Er hatte einen grauen Seesack geschultert, den er nun mit einer geschmeidigen Bewegung zu Boden gleiten ließ.

      »Lieutenant Jameson McAllister meldet sich zum Dienst. – Sir.«

      Die Stimme war ein rauer Bariton. Dee konnte Zorn und Bitterkeit in ihr hören. Das »Sir« klang durch die kleine Sprechpause nahezu wie eine Beleidigung.

      »Lassen Sie das, Jameson.« Coulthard kam langsam auf ihn zu und blieb vor ihm stehen.

      McAllisters Haltung lockerte sich. Breitbeinig und mit hoch erhobenem Kopf begegnete er Coulthards Blick.

      Die beiden kannten sich.

      »Sie wissen, unter welchen Bedingungen Sie hier sind?«

      »Aye.«

      »Ihnen ist hoffentlich klar, was mich das gekostet hat. Ich musste alle Hebel in Bewegung setzen.«

      »Ich weiß es zu schätzen.« Doch seine Haltung wirkte eher provokativ.

      »Nutzen Sie Ihre Chance.«

      »Mit Verlaub: Welche Chance?« Die Worte klangen hart und anklagend. »Sie haben selbst gesagt, dass ich keine Rehabilitation erwarten darf.«

      »Ist fliegen zu können nicht genug?«

      Für einen kurzen Augenblick senkte er den Kopf um eine Winzigkeit, bevor er ihn mit einem Ruck wieder hob. »Doch«, antwortete er. »Das ist es. Mehr als genug.«

      Eine Pause entstand, die Dee umso schmerzhafter empfand, je länger sie andauerte. Es kam ihr vor, als wolle keiner der beiden das nächste Wort sprechen, als befürchteten beide, zu verlieren. Umso erstaunter war Dee, dass McAllister das Schweigen brach.

      »Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet. Dafür. Und dafür, dass Sie mich da herausgeholt haben. Für alles.« Er bot ihr seine Hand.

      Coulthard ignorierte die Geste. »Danken Sie mir nicht zu früh.«

      Mit einem sichtbaren Ruck straffte er sich und nahm


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