Im Licht der Horen. Petra E. Jörns

Im Licht der Horen - Petra E. Jörns


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Gelmatrix beherrscht.«

      »Trauen Sie ihm?«, fragte Dee.

      Wieder schwieg Nayiga.

      Diesmal hielt die Stille so lange an, dass sie Dee unangenehm wurde. »Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen zu nahe getreten bin. Wenn Sie befreundet sind ...«

      »Befreundet?« Nayiga schüttelte den Kopf. In ihrer Stimme schwang Bitterkeit. »Bestimmt nicht. McAllister hat keine Freunde.«

      »Dann trauen Sie ihm nicht?«

      »Trauen? Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich ...« Nayiga ballte die Fäuste und rang nach Atem. »Hören Sie! Ich weiß nicht, wer diese Daten damals gestohlen hat. Der Autorisierungscode ...« Sie zuckte mit den Schultern. »Entweder man ist gut genug, um den eigenen zu löschen, wenn man Daten stehlen will oder man besorgt sich den Code eines anderen. McAllister ist gut. Gut genug, um seinen Autorisierungscode löschen zu können, ohne dass jemand einen Hinweis darauf finden kann. Warum sollte er also seinen Code benutzen, noch dazu ohne ihn zu löschen? Halten Sie ihn für so dumm?«

      Die Frage war rhetorisch. Trotzdem antwortete Dee. »Nein. Es sei denn ...«

      »Es sei denn?«

      »Und wenn er damit rechnet, dass niemand ihn für so dumm hält?«

      »Ist das nicht einmal zu viel um die Ecke gedacht? Zudem passt dieser Datendiebstahl nicht zu ihm. Die Flotte ist das Einzige, was er liebt. Er würde sie niemals verraten. Eher würde er mit ihr untergehen oder für sie sterben.« Nayigas Worte klangen bitter.

      Liebte Nayiga ihn etwa?

      »Aber wenn er es nicht war, wer war es dann? Kayleigh Monahan?«

      »Kayleigh.« Nayiga schnaubte und starrte Dee aus zornigen Augen an. »Sie ist ein Miststück. Eine Hure ...«

      Aus Nayigas Worten sprach so viel Hass, dass Dee schauderte. Sie räusperte sich. »Heißt das, dass Sie glauben, dass Monahan die Daten gestohlen hat?«

      »Ich sagte es bereits: Ich habe keine Ahnung, wer diese verdammten Daten gestohlen hat. Ich weiß nur eins: Dass dieses Miststück ihn verführt hat. Für sie hätte er alles getan. Alles. Sogar seine Seele verkauft.«

      Und ob Nayiga in ihn verliebt war!

      »Aber Sie sagten doch eben noch, dass er nur die Flotte liebt.«

      »Das war, bevor er Kayleigh kennenlernte.«

      Nayigas Worte gingen Dee nicht aus dem Kopf. Hatte Monahan McAllister derart den Kopf verdreht, dass er die Daten für sie gestohlen hatte? Und präsentierte ihn danach als Sündenbock, um selbst nicht in Verbindung damit gebracht zu werden? Dann lief eine Verräterin frei auf einem Schiff der Flotte herum. Und ein weiterer Verräter befand sich an Bord der Nyx. McAllister ...

      Nein, sie konnte einfach nicht glauben, dass Coulthard sich so in ihm täuschte! Coulthard ließ sich nicht hinters Licht führen. Außerdem wirkte sie, als wüsste sie mehr.

      Ein anderer Gedanke driftete an die Oberfläche. Was, wenn sie ihn als Köder auf die Nyx geholt hätte?

      Dee wurde kalt. Sie zog die Decke enger um die Schultern und drehte sich auf die andere Seite, um eine bessere Einschlafposition zu finden. Doch McAllisters hasserfülltes Gesicht tauchte immer wieder im Dunkel des Quartiers auf, als würde er sie verfolgen.

      Mist! Dann konnte sie genauso gut aufstehen!

      Erneut wechselte Dee die Seite und starrte in die Schwärze der Kabine. Ein blauer Schimmer sickerte durch die Dunkelheit. Verdichtete sich. Hätte sie nicht gewusst, wie tödlich die blaue Strahlung war, hätte das Licht fast magisch gewirkt.

      Sie befand sich in einem engen Raum. Ein Versorgungsschacht? Träumte sie etwa wieder?

      Da entdeckte sie den Körper. Obwohl es ihr widerstrebte, rutschte sie näher. Der Mann versuchte, sich auf dem Ellbogen aufzurichten. Keuchend wandte er den Kopf in ihre Richtung. Es war McAllister.

      Sein Gesicht war schweißnass und schmerzverzerrt.

      »Sie?« Ungläubig riss er die Augen auf. Als habe das Wort all seine Kräfte gekostet, sank er im nächsten Augenblick stöhnend in sich zusammen.

      Aber ... Das war ein Traum! Wie konnte er sie bemerken? Lag es daran, dass er ein Mutant war? Beeinflusste er sie etwa?

      Trotz allem war es nur ein Traum. Er konnte ihr nichts tun. Und sie musste wissen, was er hier tat. Damit sie verstehen konnte ...

      Vorsichtig robbte Dee näher und beugte sich über ihn.

      Er blinzelte. Sein Blick irrte über sie hinweg. Er flüsterte etwas. So leise, dass Dee es nicht verstehen konnte.

      Erschrocken wich sie zurück. Ihr Herz hämmerte.

      Zitternd streckte er die Hand nach ihr aus, um sie festzuhalten und entblößte dabei seine rechte Seite, die von Blut getränkt war. Ein Stöhnen quoll aus seinem Mund. Zitternd ließ er die blutige Hand sinken, den Blick starr auf Dee gerichtet.

      Der Anblick krampfte Dees Eingeweide zusammen. Spontan wollte sie nach seiner Hand fassen. Doch bevor sie ihn berühren konnte, wurden sein Blick glasig. Erstarrt hielt sie mitten in der Bewegung inne und schloss die Augen, um der lähmenden Verwirrung Herr zu werden.

      Als sie die Lider wieder öffnete, stand sie in der Kommandozentrale. Dees Blick zuckte zum Hauptmonitor. Sie wusste, was sie dort sehen würde. Ein Fächer aus Geschossen raste auf die Nyx zu. Nichts konnte sie davon abhalten, das Schiff zu zerstören.

      Wie festgesaugt hing ihr Blick an dem Bild. Von fern drangen die Schreie der anderen Crewmitglieder an ihre Ohren. Sie fühlte noch, wie sich die Nyx unter den Treffern aufbäumte. Dann füllte ein blendender Feuersturm die Brücke und löschte ihr Denken aus.

      Mit einem erstickten Keuchen schreckte sie hoch. Durch die Dunkelheit drang Nayigas gleichmäßiges Atmen an ihre Ohren.

      Ein Traum. Nur ein Traum.

      »Sie?«, hörte sie McAllisters Stimme in ihrem Kopf. Stöhnend schlug sie die Hände vor ihr Gesicht.

      Er wird sterben. Sie wusste es so klar und deutlich, als hätte sie es auf ihrem Konsolenmonitor gesehen. Und wenn er starb, starben sie alle.

      Nein! Das war Unfug! Sie war keine Seherin.

      Und Hawks Tod? Den hatte sie auch gesehen. Und Vaters Tod auch. Aber man konnte die Zukunft nicht ändern. Hatte sie es versucht? Hatte sie es denn je versucht?

      Oh nein, sie wollte nicht sterben! Noch nicht. Sie wollte leben, Karriere machen, unabhängig und erfolgreich sein. Einen Mann finden, der sie liebte, ein Kind bekommen. Glücklich werden.

      Dann musste sie ihn retten. So einfach war das.

      Aber wenn sie ihren Traum falsch interpretierte? Wenn sie nur überleben konnten, wenn er starb? Oder sein Tod rein gar nichts mit der Zerstörung der Nyx zu tun hatte?

      Nein. Sie wusste genau, was ihr Traum bedeutete. Dass die Nyx zerstört werden würde, weil er starb. Warum auch immer. Und das ließ nur einen Schluss zu – dass sie ihn retten musste.

      Aber wie?

      Coulthard informieren. Gute Idee! Die würde ihr bestimmt glauben.

      Und wenn sie sich alles nur einbildete? Wenn er es war, der sie das sehen ließ? Er war ein Mutant der Klasse zwei. Die konnten solche Dinge.

      Aber was hätte er davon? Er wurde des Hochverrats angeklagt. Wenn er sich einfach nur rächen wollte? An der Flotte, der Erdregierung oder wem auch immer?

      Und sie saß dazwischen und war sein Empfänger, sein Schaf, das er zur Schlachtbank führte, um seine Rache zu vollziehen.

      So viel Zorn und Hass. Wenn jemand Grund hatte, sich zu rächen, dann er. Sie durfte ihm nicht trauen.

      Coulthard vertraute ihm. Und wenn sie ihn nur benutzte? In einem Spiel, von dem sie nichts wusste. Und auch Coulthard konnte sich irren!

      Sie


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