Im Licht der Horen. Petra E. Jörns

Im Licht der Horen - Petra E. Jörns


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      Sie erinnerte sich an den Zorn in seinem Gesicht, als er sich gegen den Spind warf, den Hass in seinen Augen, der De Sutton galt, an den Hass, mit dem er sich gegen seine Verhaftung zur Wehr setzte.

      Er war gefährlich. Ihm im Wege zu stehen, konnte genauso tödlich sein wie diese Geschosse, die die Nyx treffen würden. Falls es diese Geschosse wirklich gab.

      »Langsam und mit Bedacht«, sagte Siobhan immer. Genauso würde sie es halten.

      5. Kapitel

      Müde und zerschlagen setzte sich Dee am nächsten Morgen an ihren Platz im Besprechungsraum.

      Sie hatten es tatsächlich geschafft. Dee konnte es immer noch nicht glauben. Aber Riley und Peres hatten ihr bewiesen, dass sie sich auf sie verlassen konnte. Dankbarkeit und ein bisschen Stolz erfüllten sie, überlagerten die Angst, die sie in der Nacht erfüllt hatte.

      »Guten Morgen!« Coulthards Stimme klang frisch wie immer. Sie wandte sich sofort an Dee. »Statusbericht, MacNiall?«

      Dee hob den Kopf. »Alle Teile überprüft, Ma’m. Einige Abweichungen, aber alle im Normbereich und beseitigt.«

      »Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann.«

      Coulthards Lächeln ließ Dee im siebten Himmel schweben. Bis sie McAllisters Blick wahrnahm. Starr sah er sie über den Tisch hinweg an. Die Drohung war so deutlich, dass Dee nur ein Rauschen in ihrem Kopf hörte. Bis McAllister ruckartig den Kopf in Coulthards Richtung drehte.

      »McAllister, Ihre Ergebnisse!«

      »Aye, Sir.« Als habe es den Moment nie gegeben, begann McAllister zu dozieren. »Ich habe Dysons Ähnlichkeitstheorem auf die beiden Kursbahnen angewandt. Gehe ich von zwei unterschiedlichen Kursbahnen aus, von der die eine nichts mit der anderen zu tun hat, ergibt das eine Endlosschleife. Dies weist daraufhin, dass ein Kurs den anderen beeinflusst hat. Mit einer Ähnlichkeitsanalyse dritten Grades kann ich bei Annahme ...«

      Aus Dees Unwohlsein wurde Faszination. Er verstand das tatsächlich. So ähnlich hatte nur der Professor für höhere Mathematik an der Akademie geklungen.

      Coulthard unterbrach ihn mit einem Räuspern. »Können Sie das so erklären, dass auch ein Laie Sie versteht?«

      McAllisters dunkelgraue Augen zeigten eine Spur von Irritation. Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken und wirkte mit einem Mal zehn Jahre jünger. Der Eindruck verflog sofort, als er sich straffte und wieder zu sprechen begann.

      »Fähre zwei hat sehr offensichtlich einen Verfolgungsalgorithmus benutzt, um die Fähre mit Lieutenant Hawk abzufangen. Ich tippe auf den Standardalgorithmus der Flotte. Hawk hat es bemerkt und versuchte auszuweichen. Leider zu spät.«

      Das konnte er berechnen? Unglaublich! Oder hielt er sie gerade zum Narren?

      Coulthard rieb sich die Stirn. »Sind Sie sicher?«

      »Aye.«

      De Suttons Stimme platzte dazwischen. »Ist das eine Theorie oder können Sie Ihre Behauptungen auch beweisen?«

      Ein Wink Coulthards genügte, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Genug! Ich denke, wir waren uns einig, Commander De Sutton.«

      Mit herablassender Miene erwiderte De Sutton Coulthards Blick. »Es gibt keinen Grund, ein Versetzungsgesuch einzureichen.«

      »Es freut mich, das zu hören.« Als wäre nichts geschehen, wandte sich Coulthard noch einmal McAllister zu. »Hätten Sie an Hawks Stelle die Kollision vermeiden können?«

      McAllisters Blick wurde nachdenklich. »Möglich«, sagte er endlich. »Mit einer Traversale in scharfem Winkel ... Die meisten Verfolgungsalgorithmen machen da schlapp. Wenn die Triebwerke es mitmachen ... Ja.« Das »Ja« klang sehr bestimmt.

      Angeber! Oh nein. Er meinte es genau so, wie er es sagte. Er war tatsächlich fest davon überzeugt, es zu schaffen.

      »Danke, McAllister«, lächelte Coulthard. »Ziehen wir alle verfügbaren Daten in Betracht«, fuhr sie an alle gewandt fort, »können wir nur zu einem einzigen Schluss gelangen: Die Kollision war ein gezielter Anschlag auf eine Sternenflottenfähre, möglicherweise sogar auf einen Admiral der Flotte. Wir müssen zudem davon ausgehen, dass sich weitere Attentäter an Bord befinden, die die Funkverbindung unserer Fähre manipuliert haben, damit Hawk keine Verbindung mit uns aufnehmen konnte. Watanabe, Sie wissen, was das bedeutet.«

      Watanabe nickte.

      »Gut.« Coulthard erhob sich. »Dann werde ich jetzt Botschafterin Hagen hereinbitten, damit sie uns ihre Ratschläge hinsichtlich der diplomatischen Belange unserer Mission geben kann.«

      An diesem Tag trug Hagen petrolblauen Chiffon. Ihr Blick wanderte über die versammelten Offiziere und blieb fragend an McAllister hängen.

      »Ich glaube, wir wurden einander noch nicht vorgestellt, Lieutenant ...«

      »Verzeihung«, mischte Coulthard sich ein. »Darf ich Ihnen Lieutenant Jameson McAllister vorstellen? Er wird Lieutenant Hawk für die Dauer unserer Mission ersetzen.«

      McAllister war bei Coulthards Worten aufgestanden und ahmte wieder den Protagonisten des Flottenwerbefilms nach. Breitbeinig, hoch aufgerichtet und mit auf dem Rücken verschränkten Händen, fixierte er die Wand hinter der Botschafterin.

      Hagen musterte ihn. »Mutant, nicht wahr?« Weder Coulthard noch McAllister antworteten ihr. »Angenehm«, sagte sie nach einer kleinen Pause und bot ihm die Hand.

      McAllister deutete ein Nicken an und setzte sich wieder. »Madam!«

      Hagens Miene erstarrte. Mit einem Räuspern überging sie den peinlichen Moment und schritt in die Mitte des U-förmigen Besprechungstisches.

      »Ich denke, ich brauche Ihnen nicht zu erklären, wie wichtig der Besuch des Botschafters auf Persephone für unsere Zukunft ist.«

      Dee hatte den Eindruck, Hagen meinte mit diesen Worten nur McAllister.

      »Wie dem auch sei«, fuhr Hagen fort. »Die Vereinten Kolonien sind in einer verzweifelten Lage. Wir brauchen diesen Waffenstillstand, um endlich wieder in Kontakt mit den von uns abgeschnittenen Planeten in der neutralen Zone treten zu können. Rücksicht auf Einzelschicksale können wir uns dabei nicht leisten.«

      Wieder schienen Hagens Worte allein McAllister zu gelten. Der schien das nicht zu bemerken oder zu ignorieren. Starr fixierte er die Wand hinter Hagen.

      »Ich wünsche daher ...« Hagens Stimme gewann an Schärfe. »... dass jeder auf diesem Schiff sein Bestes gibt. Zwischenfälle jeglicher Art – und seien sie noch so trivial – müssen unterbunden werden. Ich wünsche, dass der Botschafter und sein Leibwächter mit gebührendem Respekt und ausgesuchter Höflichkeit behandelt werden. Auch wenn das Verhalten des Botschafters Ihnen das vielleicht schwer machen sollte. Ich bin persönlich für das Gelingen dieser Mission verantwortlich und ich kann kein Fehlverhalten dulden.«

      Dee schluckte. Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu Coulthard, die der Botschafterin mit regloser Miene zuhörte.

      »Über die Sicherheitsvorkehrungen haben wir bereits gesprochen«, fuhr Hagen fort.

      Sowohl Coulthard als auch Watanabe nickten bei diesen Worten.

      »Ich wünsche, dass alles so abläuft, wie wir es besprochen haben.« Hagen fixierte Coulthard. »Nun ist es an Ihnen, tätig zu werden, Captain.«

      Dee stand in der Reihe der im Hangar wartenden Offiziere. Von der Beobachtungskabine aus hatte sie gesehen, wie die Fähre mit dem Botschafter an Bord behutsam aufsetzte. Da sich McAllister nicht im Hangar befand, nahm Dee an, dass er die Fähre gesteuert hatte.

      Das Schott öffnete sich. Hagen trat zur Luke. Kurz darauf wurde ein großer, breitschultriger Mann in schwarzem Overall sichtbar.

      Dee überlief es bei seinem Anblick eiskalt. Es war das erste Mal, dass sie einem Mitglied der Schwarzen Garde begegnete. Killer, war das Erste, was ihr einfiel. Monster das Zweite.

      Als


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