Im Licht der Horen. Petra E. Jörns

Im Licht der Horen - Petra E. Jörns


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bitte?«

      Bei diesen Worten drehten sich auch Nayiga und McAllister zu Coulthard um.

      »Der Leibwächter muss auf dem Boden schlafen?«, echote Coulthard. »Das ist nicht Ihr Ernst!«

      »Doch, Sir. Lieutenant Commander De Sutton hat dem Leibwächter einen Platz in einem leer geräumten Lagerraum zugewiesen. Äh, eine Art Abstellkammer, wäre der passendere Ausdruck. Thierry hat das kategorisch abgelehnt. Er besteht darauf, in einem Raum mit Mister Duras zu schlafen, um seiner Aufgabe angemessen nachkommen zu können. Und da Ihre Kabine nur mit einem einfachen Bett ausgestattet ist, bedeutet dies, dass Thierry auf dem Boden schlafen muss.«

      Wie Watanabe es schaffte, bei diesem Bericht ernst zu bleiben, war Dee ein Rätsel. Trotz des Ernstes der Lage musste sie sich auf die Lippen beißen, um ein Kichern zu unterdrücken.

      Coulthard stöhnte und stützte den Kopf in die Hand. Nach einer Weile hob sie ihn wieder. »Und wie schlägt der Herr Botschafter vor, dieses Problem zu lösen?«

      »Er wünscht, dass Thierry Ihre Kabine bezieht.«

      »Aha!« Stille herrschte, in der Coulthard sich mit einer Hand die Schläfen massierte.

      »Sir, es würde mir nichts ausmachen, mit Lieutenant Watanabe besagten Lagerraum zu beziehen«, mischte McAllister sich mit ruhiger Stimme ein.

      Überrascht sah Coulthard ihn an, bis plötzlich ein schiefes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien. »Immer noch besser als eine Zelle oder mit De Sutton das Quartier zu teilen, oder?«

      McAllisters Miene wirkte mit einem Mal trotzig. »Wie Sie meinen, Sir.«

      Coulthard seufzte. »Da mir im Moment nichts Besseres einfällt – machen wir es so. Otho, Lieutenant McAllister zieht zu Ihnen in den Lagerraum und ich gehe mit De Sutton in ein Quartier. Teilen Sie dem Leibwächter des Botschafters die Kabine des Zweiten Offiziers zu. War’s das?«

      »Ja, Sir. Wird gemacht, Sir.« Watanabe deutete einen Gruß an.

      Er wollte schon gehen, als Coulthard ihn mit einem Wink zurückhielt. »Wieso muss ich das eigentlich klären? Das war De Suttons Aufgabe.«

      »Ich weiß es nicht, Sir. Commander De Sutton hat mich zu Ihnen geschickt, um eine Entscheidung zu erbitten.«

      »So.« Danach machte Coulthard wieder diese Pause, in der Dee jedes Mal eine Gänsehaut bekam. »Schicken Sie De Sutton in den Besprechungsraum – nach dem Sprung. Und nachdem die Quartierfrage geklärt wurde.«

      Das versprach ungemütlich für De Sutton zu werden.

      »Aye, Sir.«

      »Ach, und Otho ...« Coulthard zögerte.

      Fragend sah Watanabe sie an. »Sir?«

      »Ich bin froh, dass Sie hier sind.«

      Watanabe räusperte sich. »Trotz meiner Entscheidung? Sie wissen, dass ich jederzeit wieder so handeln würde.«

      »Genau deswegen, Otho.«

      Eine Pause entstand.

      Worüber redeten die beiden da? Es klang, als habe Watanabe einst Coulthards Entscheidungen angezweifelt. Vielleicht sollte sie etwas für ihre Allgemeinbildung tun und bei Gelegenheit die Vorkommnisse bei der Schlacht um Hekate studieren. Es versprach, eine interessante Lektüre zu sein.

      »Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen. – Penelope.«

      Coulthard lächelte. »Ich danke Ihnen, Otho.«

      »Sir!« Ein kaum wahrnehmbares Lächeln geisterte über Watanabes Lippen, bevor er mit einem Nicken die Brücke verließ. Zischend schloss sich das Schott hinter ihm.

      Coulthard seufzte. »McAllister, ich danke Ihnen für Ihre Kooperationsbereitschaft. Und jetzt heben Sie meine Laune und zeigen Sie mir, dass Sie Ihre Auszeichnungen zu Recht tragen. Ich will einen sauberen Sprung sehen mit maximaler Reichweite. Was denken Sie, können Sie schaffen? Ich will diese Reise so schnell wie möglich hinter uns bringen.«

      »Zehn Stunden bis zum Wiedereintrittspunkt dürften kein Problem sein, Sir«, antwortete McAllister.

      Zehn Stunden? Dee glaubte, sich verhört zu haben. Bisher hatte sie keinen Piloten kennengelernt, der mehr als acht Stunden gewagt hätte. Und danach war ihr jedes Mal kotzübel gewesen.

      Coulthard pfiff leise durch die Zähne. »Sooo gut also. Nun denn, McAllister, ich nehme Sie beim Wort. Zehn Stunden. Nayiga, warnen Sie die Crew. Sprung in zwei Minuten.«

      »Aye, Ma’m«, antwortete Nayiga zackig und wandte sich ihrer Konsole zu. Im nächsten Augenblick hörte Dee ihren samtigen Alt über das Schiffskomm. »Kommandozentrale an alle! Sprungbereit machen. Sprung in einhundertzwanzig Sekunden.«

      Ein Schauer lief über Dees Rücken. Zwei Minuten! Sie hasste das! Sie erinnerte sich an Bilder von Mannschaften von Schiffen, deren Hypersprung missglückt war. Zerhacktes Fleisch war alles, was von ihnen übrig blieb. Davon abgesehen, dass ihr bei jedem Ein- und Austritt aus dem Hyperraum speiübel wurde.

      »MacNiall, Energie frei!« Coulthards Stimme klang fast heiter.

      Mit bebenden Fingern gehorchte Dee. Die Anzeige auf ihrem Monitor zeigte den steigenden Energiefluss. »Jetzt«, sagte sie endlich mit heiserer Stimme. Ihr Blick wanderte wie gebannt zu McAllister.

      Dieser hatte bereits die virtuelle 3D-Matrix vor seiner Konsole aufgebaut und die Finger hineingetaucht. Einen Augenblick lang glaubte Dee, er würde sich anders besinnen. Dann griff er langsam tiefer hinein. Ganz sanft zog er eine der Spitzen heraus, zippte sie um die Finger seiner linken Hand, holte weitere hervor, bis er einen Strang aus Fäden in der Linken hielt. Entschlossen nahm er sie in die Rechte und ballte diese zur Faust, während er die Matrix mit der Handfläche der Linken vorsichtig berührte. Er schloss die Augen.

      Im Hintergrund zählte Nayiga die letzten Sekunden des Countdowns in das Schiffskomm. »... Fünf ... Vier ... Drei ... Zwei ... Eins ... Sprung.«

      Dee hielt den Atem an und wartete auf das Unvermeidliche. Wie gebannt hing ihr Blick an McAllister.

      Als Nayiga »Sprung« sagte, glaubte sie zu sehen, wie McAllister tief und langsam Atem holte. Gleichzeitig schob er mit der Linken die Matrix behutsam von sich weg, während er die Fäden fest in der geballten Rechten hielt. Kein Zittern war zu sehen, nicht ein winziges Zeichen von Unsicherheit. Keinerlei hektische Bewegungen, wie Dee sie von anderen Piloten kannte. Er brauchte keine schnellen Finger – wie Paul. McAllister glich einem Dirigenten, nein, einem Bezwinger, der sanft, aber bestimmt das Schiff in die richtige Bahn lenkte.

      Ein sanfter Ruck erfasste Dees Magen. Das Universum verschob sich um den Bruchteil einer Millisekunde. Einen Augenblick hatte Dee den Eindruck, sich auf dem Scheitelpunkt einer Achterbahnabfahrt zu befinden. Sie wartete auf das Heben ihres Magens im Augenblick des Sturzes. Doch das Gefühl blieb aus. Mit Staunen starrte sie auf den Hauptmonitor und sah, wie die Sterne verwischten und dem Grau des Hyperraums Platz machten.

      Ein selbstvergessenes Lächeln umspielte McAllisters Lippen. Langsam öffnete er die Augen und nahm die Hände aus der Matrix. Sein Blick fiel auf die Konsole. »Zehn Stunden bis zum Wiedereintrittspunkt, Sir.« Das Lächeln war fort, als hätte es nie existiert. Nur seine Finger strichen fast zärtlich über die Konsole.

      An seiner Stelle lächelte Coulthard. »Ich danke Ihnen, McAllister. Gute Arbeit! MacNiall, übernehmen Sie die Einteilung der Brückenwache. Nayiga, informieren Sie die Crew.«

      »Aye, Ma’m!« Nayiga klang freudig.

      »Aye, Ma’m«, antwortete Dee mechanisch. Zehn Stunden Zeit. Das war unglaublich. Ihr Blick wanderte wieder zu McAllister, der seine Konsole völlig unbeeindruckt in Warteposition brachte.

      Sie war auf den Wiedereintritt gespannt.

      Warum mussten Energieleitungen immer dann herumzicken, wenn ansonsten alles bestens lief?

      Mürrisch stapfte Dee durch den Korridor, der zum Maschinenraum führte. Nicht genug, dass sie jetzt zweieinhalb


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