Im Licht der Horen. Petra E. Jörns

Im Licht der Horen - Petra E. Jörns


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nicht zu deuten. Nayiga starrte ihn unverhohlen an.

      Kein Wunder! Immerhin musste Nayiga ebenso wie ihr klar sein, dass dieser Mann verdächtigt wurde, die Forschungsergebnisse über die Gelmatrix gestohlen zu haben. Und trotzdem saß er hier, im Besprechungszimmer der Nyx. In dem Protoserienschiff mit einer Gelmatrix, das den Botschafter der Erde befördern sollte. Das erklärte auch Watanabes offensichtlichen Zorn. Er schien nicht glücklich über Coulthards Wahl zu sein. Verständlicherweise.

      »Die Sicherheitsstandards?«, fragte Coulthard.

      »Wurden alle weisungsgemäß erhöht«, antwortete Watanabe mit wütendem Blick.

      »Nayiga, was konnten Sie über Mister Patrick herausfinden?«

      Nayiga zuckte zusammen. »Ma’m! Conner Patrick war seit zwölf Jahren verheiratet mit Sandra Martin. Sie haben zwei gemeinsame Kinder, ein Mädchen von acht und einen Jungen von fünf Jahren. Patrick arbeitete als Beamter im öffentlichen Dienst beim Finanzamt. Mistress Martin ist Lehrerin. Beide sind bisher nicht straffällig geworden. Patricks Name tauchte in der Liste der Untergrundkämpfer auf, da er Besuch von diesem Mann hatte.«

      Das Bild eines kantigen Mittvierzigers erschien auf dem Wandschirm. »Das ist einer der beiden führenden Köpfe der Widerstandsbewegung. John VanAllen. Er wird überwacht, konnte sich jedoch vor ein paar Wochen seinen Bewachern entziehen. Seitdem ist Patricks Name auf der Liste.«

      Coulthard studierte das Konterfei des Mannes. »Der VanAllen?«

      »Ja, Ma’m. Der jüngere der beiden Brüder.«

      »Danke, Nayiga. – Doktor, haben Sie etwas für mich?« Coulthard lächelte.

      Tipton zog die Nase hoch. »Ich konnte die Leichenteile drei männlichen Personen zuordnen. Eine davon war laut DNA-Muster eindeutig Lieutenant Hawk. Die zweite Admiral Mason. Die dritte Person war weiß, mittleren Alters, leicht übergewichtig und untrainiert. Und er hatte Diabetes. Könnte unser Mister Patrick sein. Wenn Sie mir sein DNA-Muster geben, kann ich es überprüfen.«

      »Captain Coulthard, darf ich darauf hinweisen, dass die DNA-Muster von Zivilpersonen nicht für militärische Zwecke verwendet werden dürfen?« De Suttons Stimme klang unwirsch.

      »Sie dürfen, Commander De Sutton«, lächelte Coulthard. »Nayiga, übermitteln Sie dem Doktor das DNA-Muster. Ich erwarte Ihr Ergebnis, Doc.«

      »Ist mir ein Vergnügen.« Tipton hustete und feixte in De Suttons Richtung.

      De Sutton presste die Lippen aufeinander. »Das ist ...«

      »Wie ich bereits sagte, Commander De Sutton: Sollte Ihnen mein Führungsstil missfallen, nehme ich gerne Ihr Versetzungsgesuch an.«

      Mit hoch erhobenem Kopf musterte De Sutton Coulthard aus schmalen Augen.

      »Wie ist Ihr Stand, MacNiall?«, fuhr Coulthard ungerührt fort.

      »Wir kommen gut voran. Bisher konnten wir keine Unregelmäßigkeiten finden. Ich bin sicher, dass wir planmäßig starten können.«

      Einen Moment lang war Dee versucht hinzuzusetzen, dass sie die Autorisierungscodes der Personen aus den Überwachungseinheiten des Hangars ausgelesen hatte, die in den letzten vierundzwanzig Stunden dort gearbeitet hatten. Aber das Ergebnis war nichtssagend. Sie hatte Hawks, Rileys und ihren eigenen Code gefunden. Riley hatte Wartungsarbeiten an einem überlasteten Energierelais vorgenommen. Aber Dee schwieg, denn sonst wäre auch herausgekommen, dass sie bei McAllisters Ankunft anwesend war.

      »Das wäre dann alles. Weitere Ergebnisse direkt an meine Person. Ich erwarte Sie morgen um null siebenhundert zu einer letzten Einsatzbesprechung.«

      Coulthard nickte als Zeichen, dass sie entlassen waren.

      »Sir!«

      »Einwände, McAllister?«, fragte Coulthard.

      »Wenn Sie mir die Aufzeichnung der Flugdaten überlassen, könnte ich die Flugbahn hinsichtlich Anomalien überprüfen.«

      »Wie meinen Sie das?« Coulthard runzelte die Stirn. »Welche Anomalien?«

      »Eine Extrapolation der Flugbahn könnte Rückschlüsse darauf geben, welches Ziel die Flugobjekte ansteuerten. Sir.«

      Coulthard zögerte sichtlich, bevor sie schließlich nickte. »Gut, tun Sie das, McAllister, und übermitteln Sie mir Ihre Ergebnisse.« Mit Blick auf die anderen Offiziere fügte sie hinzu: »Sie können gehen.«

      De Sutton war der Erste, der durch das Schott preschte. Aus jeder seiner Bewegungen sprach verhaltener Zorn. Dee folgte ihm hinaus auf den Gang.

      Nayiga überholte sie und prallte fast mit ihr zusammen, während sie über ihre Schulter blickte. »Verzeihung.« Bevor Dee antworten konnte, eilte sie davon. Ihre Schritte hallten im Korridor wider, vermischten sich mit denen der anderen Offiziere und verhallten.

      Dee blieb stehen. Coulthard sollte ihr Ergebnis erfahren. Auch wenn sie zugeben musste, das Gespräch mit McAllister belauscht zu haben. Mit einem Seufzen kehrte sie wieder um.

      Das Schott stand noch offen. Dee sah McAllister, der ihr den Rücken zukehrte und breitbeinig und mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor Coulthard stand.

      Seine Stimme war rau. »Ich sehe die Notwendigkeit ein.«

      »Dann freut es mich, Sie an Bord begrüßen zu dürfen, Lieutenant McAllister. Es freut mich wirklich.«

      Coulthard bot ihm die Hand. Dee konnte ihr Gesicht nicht sehen. Mit leichter Verzögerung ergriff McAllister sie.

      »Ich danke Ihnen«, antwortete er leise.

      Behutsam zog sich Dee zurück. Sie kam sich mit einem Mal wie ein Voyeur vor. Ihre Meldung konnte sie ebenso gut schriftlich machen.

      Dee starrte auf den Monitor. Sie war allein im Maschinenraum. Riley überprüfte die Energieleitungen und Peres hatte sich in den Hypermodulen vergraben.

      Es wurde Zeit, dass sie mehr über den feinen Mister McAllister herausfand. Vermutlich war sie der letzte Offizier, der diese Anfrage stellte. Watanabe hatte es getan. Er wusste mehr. Und sie wollte verdammt sein, wenn sie sich nicht wenigstens McAllisters Personalakte ansah. Außerdem war sie der Zweite Offizier an Bord. Es war ihre Pflicht, den Captain auf Gefahren hinzuweisen.

      Energisch begann Dee, seinen Namen einzutippen. »Eintrag im Flottenregister«, las sie als Antwort. »Dienstrang Lieutenant, Mutant der Klasse zwei.« Na also!

      Befriedigt klickte sie auf den Querverweis zu seiner Personalakte. »Zugriff verweigert«, blinkte auf dem Monitor. Dee blinzelte und versuchte es noch einmal. »Zugriff verweigert.« Die Freigabe war der Admiralität vorbehalten.

      Dann eben anders! Dee tippte nur den Namen »McAllister« ein. »Jameson«, wurde aufgelistet – und darüber »Ian, Dienstrang Captain, Schwerer Kreuzer CFF Ulysses«. Nervös biss sie auf ihre Unterlippe und klickte auf den Verweis zu Captain Ian McAllisters Personalakte.

      Ein Bild erschien. Ein distinguierter blonder Mann mit energischem Blick. Die Ähnlichkeit mit Jameson McAllister war nicht zu übersehen. Dee überflog die Daten. Er schien ein ziemlich fähiger Offizier zu sein. Persönliche Daten. Aha! Verheiratet mit Hera Donovan, Mutant der Klasse zwei, Regierungsmitarbeiterin. Was war das jetzt schon wieder? Und da, ein Sohn. Jameson McAllister, Alter siebenundzwanzig, Pilot bei der Flotte.

      Blinzelnd klickte Dee auf den Namen »Hera Donovan«. »Botschafterin der Vereinten Kolonien«, las sie. »Getötet im Einsatz.« Die Sache war fünf Jahre her. Dee fand noch diverse Verwandte von Jamesons Mutter, aber keine weiteren Angaben zu ihrem Tod.

      Nachdenklich starrte sie auf den Monitor mit Mistress Donovans Porträt. Eine wunderschöne, dunkelhaarige Frau mit dunkelgrauen Augen lächelte sie warmherzig an. Er hatte ihre Augen. Himmel, in was verrannte sie sich da? Einmal mehr kam sie sich vor wie ein Voyeur.

      Dennoch tippte sie den Namen »Bellerophon« ein. Eine Flut von Daten überschwemmte den Bildschirm. Sie suchte die Crewliste heraus und fand recht schnell Nayigas Namen. Sie


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