Im Licht der Horen. Petra E. Jörns

Im Licht der Horen - Petra E. Jörns


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      Jetzt wollte sie es wissen. Was war damals eigentlich passiert? Sie suchte nach dem Logbuch und überflog es rückwirkend ab dem Zeitpunkt, da McAllister das Schiff verlassen hatte.

      Sie musste nicht lange suchen. Da stand, dass McAllister aufgrund erdrückender Indizien des Hochverrats angeklagt worden war. Die Daten der Forschungsergebnisse über die Testgelmatrix waren aus dem Hauptcomputer kopiert worden und es war sein Autorisierungscode, der im Terminal gefunden wurde. Er behauptete, zum Zeitpunkt des Diebstahls mit Kayleigh Monahan verabredet gewesen zu sein, seiner Freundin, wie es schien. Die war jedoch nachweislich zum fraglichen Zeitpunkt mit Myriam Nayiga zusammen gewesen.

      Nachdenklich starrte Dee auf Nayigas Namen. Grund genug, Nayiga mal auf den Zahn zu fühlen!

      Ein Video fiel ihr ins Auge. Sie wählte es an, ohne sich viel davon zu versprechen. McAllister erschien. Zwei Männer der Special Forces hatten ihn an den Oberarmen gepackt. Mit von Hass und Wut verzerrtem Gesicht stemmte er sich gegen ihren Griff. Ein Tritt gegen das Bein des Mannes zu seiner Linken und mit einem Ruck riss McAllister sich los. In einer Drehung rammte er dem anderen seine Faust ins Gesicht. Der dritte Mann erschien wie aus dem Nichts und schickte McAllister mit einem Schlag in den Nacken zu Boden.

      Das Video erlosch. Erschüttert von der Wucht der Gefühle in McAllisters Miene starrte Dee auf den Bildschirm.

      Ein Geräusch hinter ihr ließ sie zusammenzucken. Erschrocken drehte sie sich um.

      Riley stand hinter ihr und lächelte sie an. »Neuigkeiten?« Sein Blick wanderte zum Monitor.

      Verflucht, wie lange stand er schon da?

      Mit einem Tastendruck warf Dee die Ergebnisse ihrer letzten Triebwerksanalyse auf den Bildschirm. »Alle Konvektionstriebwerke im Normbereich. Was machen die Energieleitungen?«

      »Alles im Normbereich. Was darf ich jetzt für Sie tun, Ma’m?«

      »Machen Sie sich an die Funkrelais für den Hyperfunk. Ich werde mich zwei oder drei Stunden schlafen legen und Sie dann ablösen.«

      »Gerne, Ma’m.« Riley trat einen Schritt näher und stützte sich mit einer Hand auf die Konsole neben ihr. »Kann ich Ihnen noch anderweitig behilflich sein?«

      Dee glaubte, seine andere Hand bereits auf ihrer Schulter zu fühlen. Sie fühlte sich auf dem Stuhl gefangen.

      »Darf ich hoffen, dass Sie meine Warnung nicht vergessen haben?«, schnappte sie. »Oder muss ich Sie daran erinnern?«

      Riley wich erschrocken zurück. »Ma’m. Verzeihung, Ma’m ...« Ohne ihre Antwort abzuwarten, deutete er einen Gruß an und strebte dem nächsten Schott zu.

      Hatte Riley wirklich nicht begriffen, dass sie das nicht leiden konnte? Sie hatte tatsächlich seine Hand auf ihrer Schulter zu spüren geglaubt. Was erlaubte er sich? Oder bildete sie sich das ein?

      War sie vielleicht ungerecht ihm gegenüber? Wenn er Paul nur nicht so ähnlich wäre ...

      Bilder tauchten vor ihr auf. Bilder, die sie vergessen wollte. Von dieser fremden Frau, die sich wollüstig auf dem gemeinsamen Ehebett rekelte. Pauls Hände auf ihrem nackten Leib. Von den Schlaftabletten, die sie mit zitternden Händen ins Klo geworfen hatte, bevor sie in Versuchung geriet.

      Wenn sie ihre Erinnerungen nur genauso fortspülen könnte!

      Das Schott schloss sich. Nachdenklich starrte sie auf den Monitor. Sicher war sicher! Mit wenigen Tastendrucken löschte sie ihre Anfragen aus dem Logbuch.

      In Gedanken versunken begab sie sich zu ihrem Quartier. Die Erinnerungen drängten immer wieder hervor. Mit aller Kraft versuchte sie, sich auf die Daten aus der Datenbank zu konzentrieren. McAllisters Blick, Hass und Wut in seinen Augen, daran blieben ihre Gedanken hängen. Das Bild jagte ihr immer noch einen Schauer über den Rücken und ganz langsam setzte es ihre Überlegungen in Gang.

      Datendiebstahl. Mutant der Klasse zwei. Die Mutter im Einsatz verstorben. Er war anscheinend nach der Anklage aus dem Verkehr gezogen worden. Nein, im Gefängnis. Und nun holte Coulthard ihn an Bord der Nyx, damit ausgerechnet er mit dem Botschafter der Erdregierung an Bord ...

      Coulthard war entweder verrückt oder ...

      Sie fühlte sich ihm verpflichtet. Sie vertraute ihm. Aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht auch nur aus den falschen Gründen.

      Ein Scheppern ließ Dee zusammenschrecken. Sie war im Korridor der Offiziersquartiere angekommen. Ein Schott stand offen, aus der Kabine dahinter kam das Geräusch. Vorsichtig trat Dee näher und entdeckte McAllister, der sich voll Zorn mit der Schulter gegen die Tür eines Spinds warf.

      Sein Blick traf sie. Im gleichen Augenblick klickte es leise und die Spindtür sprang wieder einen Spalt auf. Sie wies bereits eine deutliche Delle auf. Mit einem Fluch ließ McAllister sie los. Prompt rutschten diverse Kleidungsstücke und andere Gegenstände aus dem Spind und verteilten sich auf dem Boden.

      Während Dee fasziniert auf das Durcheinander starrte, kam McAllister auf sie zu und schloss mit einem Schlag auf das Bedienpanel das Schott vor ihrer Nase. In seinen dunkelgrauen Augen loderten so viel Zorn und Wut, dass Dee unwillkürlich zurückwich.

      Coulthard schien zu glauben, dass er unschuldig war. Was, wenn sie sich irrte?

      In Dees Quartier brannte noch Licht. Nayiga lag auf dem oberen Stockbett und schreckte zusammen, als Dee eintrat.

      »Störe ich?«, fragte Dee. Sie wunderte sich, wie sanft ihre Stimme klang.

      »Nein. Wieso fragen Sie?« Nayiga wischte sich über das Gesicht, bevor sie über den Rand des Bettes lugte. Ihre Augen wirkten verquollen, als habe sie geweint.

      Dee wusste nicht, was sie antworten sollte. Langsam zog sie ihre Jacke aus, um sie über einen der beiden Stühle zu hängen. »Es wirkte, als wären Sie verärgert, dass man Sie mit der Sache auf der Bellerophon in Verbindung brachte.«

      Nayiga setzte sich auf. »Wären Sie das an meiner Stelle nicht? Nur weil Sie zufällig an Bord des Schiffes waren, auf dem ein Verräter tätig war, werden Sie ihr Leben lang damit in Verbindung gebracht. Ist das fair?«

      »Nein. Sie haben recht. Das ist es nicht«, antwortete Dee leise.

      Eine Pause entstand.

      »Und McAllister?«, fragte Dee. »Glauben Sie, dass ...«

      »Er sollte nicht hier sein«, antwortete Nayiga heftig. »Er ...«

      »Wie meinen Sie das? Glauben Sie, dass von ihm Gefahr droht?«

      Nayiga rieb sich die Stirn. »Nein. Ja. Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich ... Ich habe immer geglaubt, dass er unschuldig ist. Vielleicht ... Vielleicht wollte ich es auch einfach nur glauben. Aber ... Aber es passt nicht zu ihm. Verstehen Sie?«

      »Nein, tut mir leid. Das verstehe ich nicht. Nach allem, was ich in Erfahrung bringen konnte, wirkt er auf mich wie ein enormes Sicherheitsrisiko. Ich verstehe nicht im Geringsten, weshalb Coulthard ihn an Bord geholt hat.«

      »Sie haben nachgesehen?«

      »Was?«

      »Die Sache auf der Bellerophon ...«

      »Selbstverständlich. Als Zweiter Offizier muss ich wissen, wie ich die anderen Offiziere hinsichtlich ihrer Integrität einzustufen habe.«

      Nayigas dunkle Augen fixierten Dee. »Und, Commander? Wie stufen Sie mich ein?«

      Dee zögerte. Die Richtung, die das Gespräch einschlug, gefiel ihr nicht. »Aus meiner Sicht haben Sie bisher hervorragende Arbeit geleistet. Ich finde keine Hinweise, dass Sie in irgendeiner Weise nicht vertrauenswürdig sein sollten. Und wenn Coulthard das nicht genauso sehen würde, wären Sie wohl nicht hier.«

      »Danke.« Ein winziges Lächeln stahl sich auf Nayigas Gesicht.

      »Keine Ursache. Ich will Ihnen damit nicht schmeicheln. Umso mehr wundert es mich, dass Coulthard McAllister an Bord geholt hat.«

      Nayiga


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