Im Licht der Horen. Petra E. Jörns

Im Licht der Horen - Petra E. Jörns


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der Fähre füllten. Dennoch waren es eindeutig zu viele, um sie alle gründlich genug überprüfen zu können. Einige davon waren zudem organischer Natur und die bereiteten Dee die größten Probleme.

      Der arme Hawk! Was, wenn sie an seinem Tod schuld war? Was wenn ... Sie durfte nicht darüber nachdenken. Wenn es einen Saboteur gab, dann mussten sie ihn finden. Das war das Einzige, was momentan zählte.

      »Fünfzehn achtunddreißig.« Die Stimme des Piloten klang gelangweilt. Er gähnte. »Zeit, Schluss zu machen. Mein Dienst endet um sechzehnhundert. Ich muss noch ...«

      »Lieutenant Carlyle, es ist mir gleichgültig, wann Ihr Dienst endet. Sie wurden mir bis sechzehnhundert zugeteilt und deshalb werden Sie mir bis sechzehnhundert zur Verfügung stehen«, sagte Dee. »Haben wir uns verstanden?«

      »Aye, Ma’m.«

      Ohne ein weiteres Wort widmete sich der Pilot wieder seiner Konsole. Er war dunkelhaarig, drahtig und gut aussehend. Zu gut aussehend. Und er hatte das gleiche verdammte Grinsen wie alle Piloten.

      »Dort«, sagte Watanabe und deutete erneut auf das Wrackteil. »Sieht nach einem Teil der Verkleidung aus.«

      Dee erhob sich und kam zum Monitor. Das Wrackteil wies Explosionsspuren auf.

      »Holen Sie es an Bord«, entschied sie, obwohl sie nicht wirklich glaubte, dass es einen entscheidenden Hinweis liefern würde.

      Was sie wissen wollte, wusste sie schon. Es gab keinen Hinweis auf den Einsatz von Explosivstoffen. Wenn es Sabotage gewesen war, musste jemand die Flugleitkontrolle manipuliert haben. Und die hatte sie noch am Morgen ausführlich unter die Lupe genommen.

      Es passte nicht zusammen. Sie übersah etwas. Irgendwo war das entscheidende Puzzlestück vergraben. Sie konnte es nur nicht erkennen.

      Gesetzt den Fall es war wirklich ein Terrorakt – dann hatte die Untergrundbewegung versucht, den Botschafter zu töten und aus Versehen den Falschen erwischt? Und Coulthard wollte die Mission trotzdem annehmen? Woher wollte sie so schnell einen Ersatzpiloten bekommen, der sich mit Gelmatrizen auskannte? Es würde höchstens eine Handvoll Piloten in der Flotte geben, die für den Job geeignet waren.

      Dee hielt inne. Was, wenn Hawk das Ziel war? Was, wenn die Untergrundbewegung auf diese Weise einen ihrer Männer an Bord bringen wollte? Das war absurd. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer von deren Männern ausgewählt wurde, war viel zu gering.

      Wirklich?

      Oder hatte das Attentat etwas mit Admiral Masons Auftrag zu tun? Coulthards Bemerkung fiel Dee wieder ein. Dafür, dass Hagen und Mason liiert gewesen waren, hatte Hagen außerordentlich professionell reagiert. Sie hätte es nicht geschafft, so ruhig zu bleiben, wenn Paul getötet werden würde. Nicht einmal jetzt.

      Was machte sie hier eigentlich? Sie war Ingenieurin. Sie sollte im Maschinenraum sein, anstatt Wrackteile einzusammeln.

      Sie dachte an das Labor auf Persephone und einen Augenblick lang empfand Dee Heimweh. Dort war alles so einfach gewesen. Dort musste sie sich nur um Maschinen kümmern und nicht um irgendwelche Attentäter.

      »Wir sind dran«, verkündete Carlyle.

      Dee trat neben ihn an die Pilotenkonsole und beobachtete das Flugmanöver. Kein Vergleich mit Hawk und schon gar nicht mit Paul.

      Trotzdem grinste Carlyle triumphierend, als er es geschafft hatte, die Fähre so neben dem Wrackteil zu positionieren, dass Watanabe es mithilfe eines Raumanzugs bergen konnte.

      »Wir haben es«, verkündete Watanabes Stimme nach ein paar Minuten per Funk.

      Dees Blick fiel auf die Uhr. Es war fünfzehn achtundfünfzig.

      Carlyle seufzte laut und vernehmlich.

      »Bringen Sie uns zur Nyx, Carlyle.« Dee betätigte den Funk. »Watanabe! Wir kehren um.«

      Dee kam gerade noch rechtzeitig in den Besprechungsraum. Hagen war dieses Mal nicht anwesend.

      »MacNiall.« Coulthard sah ihr entgegen. »Bericht!«

      Dee eilte zu ihrem Platz und setzte sich umständlich. »Aye, Ma’m. Ich konnte keinen Hinweis auf den Einsatz von Sprengstoffen finden. Um Manipulationen an den Relais zu überprüfen, war das Material, das wir bergen konnten, nicht ausreichend. Aus meiner Sicht gibt es nur zwei Möglichkeiten, wie es zu dem Zusammenstoß kommen konnte. Entweder hat der eigenständige Check von Mister Hawk einen Defekt in der Flugleitkontrolle verursacht oder es war schlicht ein Unfall. Beides erscheint mir aber unwahrscheinlich.«

      »Weshalb?«, fragte Coulthard.

      »Lieutenant Hawk war ein außerordentlich guter Pilot. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass er aus Versehen mit einem anderen Flugobjekt kollidieren könnte. Allerdings fällt es mir ebenso schwer zu glauben, dass er aus Unkenntnis bei seinem Check die Flugleitkontrolle beschädigt hat.«

      Verherrlichte sie ihn damit? Nein, er war fähig. Eigentlich konnte es nur Sabotage gewesen sein.

      »Danke.« Coulthard schien einen Moment zu überlegen.

      De Sutton räusperte sich. »Wünschen Sie einen Bericht über meinen Kontakt mit der Presse?«

      Coulthard runzelte die Stirn. »Wurden Ihnen gegenüber irgendwelche Verdachtsmomente geäußert?«

      »In der Tat«, erwiderte De Sutton. »Aber ich bin sicher, dass ich überzeugend genug war, um selbige zu zerstreuen. Was mir erwähnenswert scheint, ist jedoch, dass nahezu alle Pressevertreter einen Sabotageakt als gesichert ansahen. Bis ich die Annahme widerlegte. Mir schien es fast so, als hätten einige von ihnen einen ... nennen wir es ›Hinweis‹ ... erhalten. Das stimmt mich nachdenklich.«

      Coulthards Miene verfinsterte sich. »Gehen Sie der Sache nach«, sagte sie schließlich nach einer Pause. »Unauffällig.«

      »Das versteht sich von selbst, Ma’m.« De Sutton hob eine Augenbraue. »Noch eine prekäre Angelegenheit, Ma’m. Die Trauerfeierlichkeiten anlässlich Mister Hawks Ableben ... Wünschen Sie, dass sie an Bord durchgeführt werden?«

      Coulthard schwieg. Wie eine Statue saß sie an ihrem Platz. Sekunden schienen zu verstreichen. »Nein«, sagte sie endlich. »Lassen Sie die Trauerfeierlichkeiten für Lieutenant Hawk auf Persephone durchführen. – Nayiga, was hat die Sichtung der Aufzeichnungen ergeben?«

      »Ma’m, mit Verlaub«, mischte De Sutton sich ein. »Aber das wird bedeuten, dass die Crewmitglieder der Nyx nicht an den Trauerfeierlichkeiten teilnehmen können.«

      »Dessen bin ich mir bewusst, Commander De Sutton. – Nayiga, Ihre Ergebnisse!«

      Im Raum herrschte betretenes Schweigen. De Sutton schluckte, widersprach jedoch nicht mehr.

      War Hawk ihr wirklich so gleichgültig? Waren sie ihr alle so gleichgültig?

      »Nayiga!«

      Nayiga zuckte zusammen. »Verzeihung, Ma’m. Eine andere Fähre hat den Raumhafen, kurz nachdem Lieutenant Hawk gestartet ist, verlassen. Es handelte sich um eine militärische Fähre. Sie ging auf direkten Kollisionskurs mit der unseren.« Nayiga unterbrach sich und warf De Sutton einen unsicheren Blick zu. »Ich habe mir erlaubt, die Kennung der Fähre herauszusuchen und ihre Flugdaten zu überprüfen. Sie stand bereit und war nicht für einen Flug eingetragen.«

      Coulthard beugte sich vor.

      »Die optischen Sensoren zeigen einen Mann, der die Fähre kurz zuvor betritt. Hier.« Auf dem Monitor an der Wand erschien das unscharfe Bild eines Mannes in Uniform aus der Vogelperspektive, der sich einer Fähre näherte. Er verweilte kurz am Schott. Kurz darauf öffnete es sich und der Mann verschwand im Innern der Fähre. Wenig später startete sie.

      »Ich habe mir außerdem erlaubt, den Weg des Mannes zurückzuverfolgen.« Das Schott der Fähre ging wieder auf. Anscheinend lief die Aufzeichnung rückwärts. Wie zu sehen war, kam der Mann aus einem der Gebäude, die den Raumhafen umgaben.

      »Ma’m, ich muss darauf hinweisen, dass dieses Vorgehen Paragraf achtundvierzig


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