Posttraumatische Belastungsstörungen. Mareike Augsburger

Posttraumatische Belastungsstörungen - Mareike Augsburger


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höchstwahrscheinlich schwieriger zu erreichen, doch bieten erste Studien ebenfalls Hinweise auf nachhaltige Möglichkeiten.

      Wir wünschen allen Lesern und Leserinnen eine nutzenbringende Lektüre, um für das Wohl unserer Patienten und Patientinnen zu wirken.

      Zürich, im April 2020

      Mareike Augsburger und Andreas Maercker

      Danksagung

      Wir möchten uns an dieser Stelle bei Milena Kaufmann bedanken, die entscheidend zum Gelingen der therapeutischen Kapitel dieser Arbeit beigetragen hat. Vielen Dank auch an Charlotte Salmen für ihre konstruktiven Anmerkungen.

Teil A Hintergrund

      1 Klinisches Bild und Kriterien der PTBS

      Fallbeispiel

      Frau B. saß auf dem Beifahrersitz. Bei der Autobahneinfahrt passierte es. Ein anderer Fahrer wollte vom Beschleunigungsstreifen auf die von ihm links gelegene Spur einfahren. Dabei übersah er das Auto, in dem Frau B. und ihre Freundin saßen. Seine linke Wagenseite streifte die rechte Front des Autos von Frau B.s Freundin. Metall und Glas splitterten grässlich. Überall war Blut. An mehr kann sich Frau B. nicht mehr erinnern. In ihrem nächsten wachen Moment befindet sie sich mit großen Schmerzen in einem Krankenhaus. Dieses darf sie nach einer Woche wieder verlassen. Doch die psychischen Beschwerden halten bis heute, Monate später, an: Frau B. wacht mehrmals in der Woche schweißgebadet von Alpträumen auf. Auto fahren kann sie nicht mehr, auch Bus fahren fällt ihr schwer. Dafür ist die Angst vor einem weiteren Unfall zu groß. Nähern sich Autos, erschrickt Frau B. schnell. Das quietschende Geräusch von Bremsen versetzt sie in Panik. Ihren Job musste sie aufgeben. Frau B. hat das Gefühl, seit diesem Unfall sei ihr Leben sei ruiniert.

      Das Fallbeispiel beschreibt die psychischen Folgen eines Verkehrsunfalls. Frau B. beschreibt dabei augenscheinlich typische Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Doch zur leitliniengerechten Diagnosestellung und Feststellen der Therapieindikation muss das Zutreffen bestimmter Kriterien geprüft werden. Je nach verwendetem Diagnosesystem (International Classification of Diseases (ICD) oder Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disordes (DSM)) können sich die Kriterien unterscheiden. Im Folgenden werden deswegen die Symptome sowohl nach ICD-11 (World Health Organisation [WHO], 2018) und DSM-5 (American Psychiatric Association [APA], 2015) beschrieben.

      1.1 Das traumatische Ereignis

      Die PTBS (und die KPTBS, image Kap. 2) gehören zu den wenigen psychischen Störungen, bei denen ein traumatisches Ereignis zwingend zur Diagnosestellung vorangegangen sein muss. Je nach Klassifikationssystem unterscheiden sich die Definitionen geringfügig:

      • In der neuen ICD-11 wird das traumatische Ereignis oder eine Serie von Ereignissen als extrem bedrohlich oder furchtbar beschrieben (World Health Organisation 2018). Dadurch qualifizieren sich verschiedenste Situationen, die absichtlich nicht a-priori genauer festgelegt wurden.

      • Das DSM-5 beschreibt sehr viel konkreter ein traumatisches Ereignis als »Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt« (A-Kriterium; American Psychiatric Association 2015, S. 369). Es wird weiter unterschieden zwischen:

      1. Direkte Exposition

      2. als Zeuge oder Zeugin miterlebte Ereignisse

      3. Erfahren, dass das Ereignis einer nahestehenden Person zugestoßen ist

      4. Beruflicher Konfrontation mit Details von Ereignissen

      Beide Definitionen beinhalten damit eine große Spannweite potentiell traumatischer Erfahrungen. Es kann hilfreich sein, zwischen sogenannten man-made Traumata (z. B. Angriff, sexuelle Gewalt) und akzidentiellen Traumata (z. B. Verkehrsunfall, Naturkatastrophe) zu unterscheiden. Es wird ebenfalls zwischen Typ-I-Traumata und Typ-II-Traumata differenziert. Bei ersterem handelt es sich um ein unerwartetes singuläres Ereignis auftreten (z. B. Überfall), letzteres beschreibt mehrfach und wiederholt auftretende potentiell traumatische Erfahrungen (z. B. wiederholte sexuelle Gewalt) (vgl. Maercker und Augsburger 2019). Dies wird vor allem für die Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) relevant.

      Merke

      Bei vielen umgangssprachlich als »Traumata« bezeichneten Ereignissen (z. B. Trennung des Partners/der Partnerin; Ablehnung durch die Vorgesetzte) handelt es sich nach diesen Definitionen nicht um traumatische Ereignisse. Gleichwohl kann es sich für die betroffene Person um eine sehr belastende Erfahrung handeln, die gegebenenfalls eine psychotherapeutische Intervention erfordert. Doch für das Vorliegen eines traumatischen Ereignisses muss eine drohende oder tatsächliche Verletzung der psychischen und/oder physischen Integrität bestanden haben.

      1.2 Symptomtrias: Wiedererleben, Vermeidung, Übererregung

Images

      Abb. 1.1: Die drei Symptomgruppen der PTBS

      Im Fallbeispiel sind diese drei Symptomgruppen klar zu erkennen: Frau B.s anhaltende Alpträume weisen auf eine Wiedererlebens-Symptomatik hin. Ihre Unfähigkeit, Tätigkeiten zu verrichten, die in unmittelbarer Nähe mit dem traumatischen Ereignis standen (Auto oder Bus fahren), sind Beispiele für Vermeidungsverhalten. Symptome der Übererregung manifestieren sich in übersteigerter Schreckhaftigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten.

      Wiedererleben

      Die betroffene Person erlebt das traumatische Ereignis oder Aspekte davon auf unkontrollierbare Weise wieder. Dies kann in wachem Zustand sein oder im Schlaf stattfinden (z. B. Alpträume). Dabei erfolgt das Wiedererleben nicht nur visuell in Form lebhafter Bilder und Träume, sondern auch verschiedene sensorischen Systeme sind am Wiedererleben beteiligt: Gerüche, Geräusche, körperliche Empfindungen (z. B. Berührungen auf der Haut), physiologische Reaktionen (z. B. Schwitzen), all dies drängt sich dem oder der Betroffenen unkontrollierbar erneut auf, so wie es damals passiert ist. Ursprünglich nicht mit dem traumatischen Ereignis in Zusammenhang stehende Stimuli (sogenannte »Trigger« wie z. B. das Schlagen einer Autotür, klingeln an der Haustür) können dabei ein Wiedererleben auslösen.

      • Nach ICD- 11 wird das Vorliegen lebhafter intrusiver Erinnerungen, Flachbacks oder Alpträumen gefordert, gefolgt von starken Emotionen (z. B. Angst, Hilflosigkeit) und physischen Empfindungen. Ebenfalls ist es möglich, dass Betroffene von den gleich-intensiven Gefühlen wie bei Ablauf des traumatischen Ereignisses überströmt werden. Dies bedeutet, leichte Erinnerungen an das Erlebte reichen nicht aus, es muss sich um intensive intrusive Wahrnehmungen »im Hier und Jetzt« handeln.

      • Im DSM- 5 (B-Kriterium) muss das traumatische Ereignis persistent wiedererlebt werden. Dazu zählen (1) ungewollte aufwühlende Erinnerungen, (2) Alpträume, (3) Flashbacks sowie (4) emotionales Leid oder (5) physische Reaktivität, wenn Betroffene Erinnerungen an das traumatische Ereignis ausgesetzt werden. Es muss mindestens eins der Kriterien 1–4 erfüllt sein.

      Vermeidung

      Das unkontrollierte Aufdrängen der traumatischen Erfahrung ist für Betroffene sehr unangenehm. Aus diesem Grund versuchen sie, alle Möglichkeiten zu vermeiden, die Erinnerungen an die traumatische Situation auslösen


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