Posttraumatische Belastungsstörungen. Mareike Augsburger

Posttraumatische Belastungsstörungen - Mareike Augsburger


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0,3 % für die Volksrepublik China und 8,8 % in Nordirland (Koenen et al. 2017).

      Unterschiede in der länderspezifischen Auftretenshäufigkeit lassen sich unter anderem mit verschiedenen Traumaexpositionen erklären. In manchen Weltregionen besteht ein erhöhtes Risiko für Naturkatastrophen (z. B. Wirbelstürme, Erdbeben), aber auch Kriege, Konflikte und die Folgen instabiler politischer Systeme ebenso wie staatliche Willkür und/oder weitgehende Straffreiheit für Gewaltstaaten erhöhten das Risiko für eine Traumaexposition und damit eine PTBS. Dazu kommen kulturelle Einstellungen, die dazu führen, dass die Symptome individuell nicht wahrgenommen werden, sogar dann, wenn konkret nach ihnen gefragt wird (image Teil B).

      Risikopopulationen

      In Anbetracht der relativ geringen Durchschnittsprävalenzen für die PTBS in Deutschland muss berücksichtigt werden, dass manche Gruppen aufgrund der höheren Traumaexposition ein vielfach erhöhtes Risiko haben, an einer PTBS zu erkranken. Dies betrifft um Beispiel Geflüchtete mit Kriegs- und Foltererfahrungen. Für Deutschland wird eine PTBS-Punktprävalenz von 40 % kurz nach der Ankunft berichtet, jedoch handelt es sich dabei um eine sehr kleine Stichprobe (Gäbel et al. 2006).

      Auch Mitarbeitende und Ehrenamtliche aus Hilfs- und Blaulichtorganisationen (z. B. Rettungsdienst, Feuerwehr, Polizei) tragen ein erhöhtes Risiko für eine PTBS. In einer älteren Studie mit Berufsfeuerwehrangehörigen berichtete nahezu ein Fünftel von einer PTBS (Wagner et al. 1998). Nach dem ICE-Unfall von Eschede berichteten ein halbes Jahr später 6 % der untersuchten Einsatzkräfte von klinisch bedeutsamen Symptomen (Bengel et al. 2003).

      Merke

      In Risikogruppen mit gesteigerter Traumaexposition ist auch die Wahrscheinlichkeit für eine PTBS erhöht.

      3.2 Risiko- und Schutzfaktoren

      Da der Großteil der Menschen nach traumatischen Ereignissen keine langfristigen Folgen im Sinne einer PTBS davonträgt, stellt sich die Frage nach Risiko- und Schutzfaktoren. Folgende Aspekte spielen eine wichtige Rolle:

      Geschlecht

      Die Mehrheit der Studien zeigt, dass häufiger Frauen als Männer an einer PTBS erkranken (Verhältnis 2:1), obwohl sie ein geringeres Risiko aufweisen, traumatische Situationen zu erleben (Tolin und Foa 2006). Spezifisch für Deutschland konnten diese Unterschiede nur partiell bestätigt werden. Basierend auf ICD-11 erfüllten marginal mehr Frauen als Männer (1,7 % versus 1,1 %) die Kriterien, doch der Unterschied war statistisch nicht signifikant (Maercker et al. 2018).

      Ein häufiges Argument für die Unterschiede zwischen Männern und Frauen ist das geschlechtsspezifisch erhöhte Risiko für bestimmte hoch pathogene traumatische Ereignisse wie z. B. sexuelle Gewalterfahrungen bei Frauen. Doch eine großangelegte Meta-Analyse konnte zeigen, dass das PTBS-Risiko auch bei Kontrolle des Traumatyps für Frauen höher als für Männer ist. Dies gilt allerdings nicht für sexuelle Gewalterfahrungen im Kindes- oder Erwachsenalter. Hier haben Männer und Frauen ein ähnlich hohes Risiko für die Entstehung der PTBS (Tolin und Foa 2006).

      Alter

      Insgesamt ist ein höheres Alter nicht mit einem gesteigerten PTBS-Risiko assoziiert (Spitzer et al. 2008). Doch aufgrund der Kriegserfahrungen in den beiden Weltkriegen muss bei sehr alten Personen in Deutschland die Gefahr einer »verzögerten« PTBS über die Jahrzehnte beachtet werden (Augsburger und Maercker 2018b). Darüber hinaus zeigen Studien, dass traumatische Erlebnisse in der Kindheit das Risiko für eine PTBS im Erwachsenalter erhöhen (Brewin et al. 2000).

      Soziodemographische und familiäre Faktoren

      Ein niedriger Bildungsstand ebenso wie ein geringerer sozioökonomischer Status stellen einen Risikofaktor für die Entstehung einer PTBS dar (Brewin et al. 2000; Perkonigg et al. 2000).

      In der Meta-Analyse von Ozer et al. (2003) wurde ein Zusammenhang zu in der Familie berichteter Psychopathologie offensichtlich: Leidet ein Familienmitglied an einer psychischen Störung, so erhöht dies das Risiko für eine PTBS. Der Zusammenhang liegt insgesamt im kleinen bis mittleren Bereich und schwankt sehr stark, je nach Art des traumatischen Ereignisses (niedriger für eine PTBS nach Kriegs- oder Kampferfahrungen) und der Erhebungsmethode. Ebenfalls in dieser Meta-Analyse relevant waren vorangehende psychologische Probleme bei der betroffenen Person selbst: Prätraumatische emotionale Probleme, Angst- oder affektive Störungen, vorangegangene psychologische Behandlung, aber auch antisoziale Persönlichkeitsstrukturen bei Militärangehörigen stellen ein erhöhtes Risiko für die Entstehung einer PTBS dar. Allerdings wurden diese Informationen in einem Querschnittsdesign erhoben, so dass eine eindeutige Identifikation von Kausalfaktoren nicht möglich ist (Ozer et al. 2003).

      Traumatyp

      Nicht jede traumatische Erfahrung ist gleich schädigend (pathogen) für die psychische Gesundheit. Tabelle 3.2 zeigt die Abhängigkeit der PTBS-Diagnose vom subjektiv schlimmsten erlebten Ereignistyps in der repräsentativen ICD-11-Studie aus Deutschland (image Tab. 3.2). Es wird deutlich, dass sexuelle Gewalterfahrungen in Kindheit und Erwachsenalter sowie Gefangenschaft mit dem höchsten Risiko einer PTBS und auch KPTBS einhergehen (Maercker et al. 2018). Auch wenn die Erkenntnisse teilweise auf sehr geringen Personenanzahlen in den jeweiligen Kategorien beruhen, so decken sich diese Angaben mit internationalen Befunden.

Images

      Traumatyp (subjektiv schlimmstes Ereignis)PTBS Angaben in %KPTBS Angaben in %

      Allgemein kann ein Dosis-Wirkungszusammenhang zwischen der kumulierten Anzahl der traumatischen Ereignisse und dem gesteigerten Risiko einer PTBS beobachtet werden. Auch »objektivierbare« Parameter wie die Zeitdauer des Ereignisses, das Ausmaß an Schaden (z. B. Anzahl Verletze oder Tote), aber auch die wahrgenommene Lebensbedrohung steht in Zusammenhang mit der Entwicklung der PTBS (Kaysen et al. 2010; Ozer et al. 2003).

      Peritraumatische Reaktionen

      Die Meta-Analyse von Ozer et al. (2003) zeigt, dass peritraumatische Faktoren die größte Rolle hinsichtlich der Entstehung einer PTBS spielen. Betroffene, die während des Ereignisses stark negativ emotional reagieren (z. B. große Furcht, Schuld, Scham und Gefühle der Hilflosigkeit), haben ein erhöhtes Risiko, an einer PTBS zu erkranken. Ebenfalls ist eine während des Ereignisses stattfindende Dissoziation ein wichtiger Prädiktor (Ozer et al. 2003). Diese Befunde decken sich mit Studien mit politisch Inhaftierten und Überlebenden sexueller Gewalt zur persönlichen Bewertung des traumatischen Ereignisses: In den Untersuchungen war der subjektiv wahrgenommene Handlungsspielraum während des Ereignisses prädiktiv für die Symptomatik der PTBS bzw. Symptomreduktion nach psychotherapeutischer Behandlung, da diese Personen ihr Erlebtes besser integrieren und verarbeiten können (Ehlers et al. 2000; Maercker et al. 2000). Diese peritraumatischen Reaktionen spielen in kognitiven Modellen und Therapien der PTBS eine große Rolle.

      Posttraumatische Einflüsse

      Durch zwei Meta-Analysen bestätigt ist die große Rolle von fehlender sozialer Unterstützung bei der Entwicklung einer PTBS nach dem Erleben eines traumatischen Ereignisses (Brewin et al. 2000; Ozer et al. 2003). Soziale Unterstützung kann nicht nur in der Familie erfolgen, sondern erstreckt sich auf das gesamte weitere soziale Umfeld (Maercker et al. 2017; Maercker und Müller 2004). Basierend auf diesen Befunden wurde das sozio-interpersonale


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