Sigurd Großband 2: Laban der Schreckliche. Charly Strauss

Sigurd Großband 2: Laban der Schreckliche - Charly Strauss


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sind.«

      Nur allmählich gewöhnten sich die Augen der Freunde an das Dämmerlicht, nachdem sie gerade erst aus dem sonnendurchfluteten Burghof hereingekommen waren.

      »Hier ist ja ein riesiges Bassin, aber …«, stockte Bodo im ersten Moment der Atem. Die einzige Lichtquelle bildete ein schwaches Schimmern, das durch die Wasseroberfläche vom Grund des Bassins nach oben drang. Da schäumte plötzlich die bisher ruhige Wasseroberfläche des großen Beckens auf, und vier Flossen durchpflügten das dämmerige Nass. »Seht … was darin umherschwimmt«, überschlug sich Bodos Stimme.

      In diesem Moment tauchte der riesige Schädel eines Haifisches aus dem Wasser. Sein Maul war geöffnet, und seine furchtbaren Zähne deuteten seine Fressgier an.

      »Verdammt«, entfuhr es Sigurd. »Wir sind in eine Falle geraten! Der Bursche, der uns hierhergeführt hat, war gar nicht vom Hauptmann geschickt worden.«

      »Bestimmt nicht«, warf Bodo aufgeregt ein. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Fürst Friedrich uns so einen üblen Streich spielen würde. Ich verstehe nur nicht, was das soll. Früher oder später wird man uns doch hier finden.«

      Sigurd überlegte kurz. »Vielleicht will unser unbekannter Feind nur Zeit gewinnen … ja, so wird es sein! Er weiß ja nicht, dass Benno tot ist und ihn nicht mehr verraten kann.«

      Da unterbrach ihn Cassim kurz mit einem erschreckten Ausruf.

      »Was ist, Cassim?«, wandte sich Sigurd an den jungen Freund.

      Cassim wies nach vorne. » Seht doch, das Wasser im Becken steigt.«

      »Allmächtiger«, reagierten Bodo und Sigurd gleichzeitig. Nachdem sich ihre Augen immer besser an das diffuse Dämmerlicht gewöhnt hatten, schauten sie sich um.

      »Seht«, zeigte Bodo auf die Wand neben der Treppe, nachdem sie die vier Stufen hinabgestiegen waren und nun auf der Umrandung des Wasserbeckens standen. »Die Mauer ist bis zur Unterkante der Tür dunkler gefärbt. Sie ist feucht! Das bedeutet …«

      »… dass das Wasser bei Flut bis dort hinaufsteigt«, vollendete Sigurd den Satz seines Freundes.

      »Himmel«, stieß Cassim angstvoll aus. »Und wir dachten erst, unser Feind wollte nur Zeit gewinnen!«

      Sigurd ballte seine rechte Hand zur Faust. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Fürst Friedrich unseren Tod beschlossen hat.«

      »Natürlich nicht«, bestätigte ihm Bodo. »Der Kerl, der uns hierherbrachte, wurde von jemand anderem geschickt.«

      Sigurd nickte. »Es ist unschwer zu erraten, dass dieser Jemand derselbe ist, der den Mordschützen Benno beauftragt hat!«

      »Aber wer …?«, rätselte Bodo.

      Doch Sigurd unterbrach ihn. »Darüber können wir uns den Kopf zerbrechen, wenn wir lebend aus diesem Raum herauskommen.« Ohne auf eine Antwort von Bodo zu warten, stürmte Sigurd plötzlich die Treppenstufen hinauf und warf sich mit seiner rechten Schulter in voller Wucht gegen die Pforte. Schmerzvoll zuckte er zurück. »Die Tür ist zu stark«, bemerkte er angestrengt. »Ich breche mir eher die Schulter, als dass sie auch nur erschüttert wird.«

      »Lass es uns gemeinsam versuchen«, munterte Bodo ihn auf.

      Sigurd sah ihn an. »In Ordnung«, nickte er. Langsam stieg er die Treppe wieder hinunter, um im gleichen Moment, gemeinsam mit Bodo, wieder hinaufzuhasten. Beide prallten mit ihren linken Schultern gegen das feste Holz. Doch auch diesmal ohne Erfolg. Sigurd wirkte niedergeschlagen.

      »Was nun?«, fragte ihn auch Bodo ratlos.

      »In diesem Raum gibt es nichts, an dem wir hinaufklettern und uns festhalten könnten, bis die Ebbe das Wasser wieder sinken lässt«, trat Cassim zu ihnen und hämmerte mit seinen Fäusten gegen die unnachgiebige Tür. »Aufmachen, aufmachen«, rief er verzweifelt. »Hört mich denn niemand? Aufmachen!« Immer wieder trommelte er gegen das starke Eichenholz der Pforte.

      »Gib es auf«, hielt Sigurd ihn zurück. »Wenn man dich hören könnte, hätte sich unser unbekannter Feind bestimmt etwas anderes ausgedacht, um uns zu beseitigen.« Er wandte sich wieder dem Becken zu. »Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen … und diese Tatsachen sind Haifische, vier sehr große Haifische!«

      Bodo und Cassim gesellten sich zu ihm. Die Haifische hatten sehr wohl die Bewegungen der Freunde außerhalb ihres Elements wahrgenommen. Unruhig durchpflügten die vier Rückenflossen die Wasseroberfläche des Bassins.

      Cassim hielt eine Faust vor den Mund. »Wir haben keine Chance«, presste er mit einem angstvollen Blick heraus. »Wir sind verloren!« Sie traten noch einen Schritt näher an den Beckenrand. »Wenn das Wasser so weitersteigt, erreicht es in einer halben Stunde die Treppe«, kombinierte Cassim weiter.

      Sigurd staunte über seinen jungen Gefährten, der trotz seiner sichtbaren Angst die Lage so treffend beurteilen konnte. Er wollte gerade etwas erwidern, als urplötzlich der gewaltige Leib eines Hais aus dem Wasser schoss und genau auf sie zukam. »Vorsicht!« Mit aller Kraft stieß Sigurd den erstarrten Cassim zur Seite. Der Junker riss Bodo im Fallen mit sich, und beide landeten unsanft rückwärts auf dem Steinfußboden. Noch ehe der Hai den Beckenrand berührte, hatte Sigurd blitzschnell seinen Dolch aus der Klingenscheide gezogen und stürmte von der Seite auf den Meeresräuber zu. »Deine Voreiligkeit soll dir zum Verhängnis werden«, rief er ihm zu. Mit einem beherzten Sprung landete er auf dem Rücken es mächtigen Tieres. Mit der linken Hand hielt er sich an der Rückenflosse fest und trieb mehrmals das Messer in den Körper des Fisches hinein. Keuchend richtete er sich auf.

      »Er … er ist tot«, stellte Sigurd befriedigt fest. Er packte die Fressmaschine in Fischgestalt und zog sie parallel zum Rand des Bassins. »So«, meinte er trocken. »Nun zurück ins Wasser mit ihm! Hilf mir, Bodo, aber sieh dich vor. Er schlägt noch mit dem Schwanz!« Beide drückten, unter Aufbietung ihrer ganzen Kräfte, den blutenden Kadaver ins Wasser zurück. Seine drei Artgenossen schwammen wild heran. Die Freunde hatten sich sofort auf der Treppe außer Reichweite gebracht.

      »Der Blutgeruch macht die anderen Haie toll«, rief Bodo aus. »Sie zerfleischen sich gegenseitig!«

      »Das hatte ich gehofft«, nickte Sigurd zur Bestätigung.

      Der mörderische Kampf der außer Rand und Band geratenen Tiere dauerte nicht lange. Am Ende hatte nur einer der Haie schwer verletzt überlebt.

      Sigurd zögerte keinen Moment. Mit dem Dolch noch immer in der Hand, stieß er sich vom Rand des Beckens mit einem Kopfsprung ab. »Ich gebe ihm den Gnadenstoß«, rief er seinen Freunden zu und war Augenblicke später untergetaucht. Zwischen den leblos im Wasser treibenden Haifischen erblickte Sigurd den aus vielen Bisswunden blutenden Hai im dunklen Wasser. Vorsichtig schwamm er näher heran. Als Sigurd den großen Fisch an der Flanke erreichte, wälzte sich der Hai instinktiv langsam herum. Vorsichtig legte Sigurd seinen Arm um das waidwunde Tier. Trotz seiner großen Schwäche durch den Kampf mit seinen Artgenossen zuckte reflexartig der massige Schädel des Haifisches nach oben. Das Maul war weit aufgerissen. Sigurd hatte die gefährlichen Zähne vor seinem Gesicht. Doch noch ehe die Bestie weiter reagieren konnte, stieß Sigurd zu. Immer wieder jagte er seinen Dolch in den Kopf des Raubfisches.

      Endlich …, ein letztes Zucken, und der leblose Körper trieb von Sigurd weg. Das Wasser im Umkreis war rot gefärbt. Gierig saugte Sigurd Luft in seine angespannten Lungen, nachdem er die Oberfläche dieses nun nicht mehr tückischen Gewässers wieder erreicht hatte. »Es ist geschafft, Freunde«, schnappte er noch etwas außer Atem. »Ich …«

      »Es ist nicht zu fassen«, rief Cassim mit großer Erleichterung dazwischen.

      Sigurd winkte den Freunden zu. »Ich suche nach der Öffnung, durch die das Wasser hereinströmt. Vielleicht können wir dort diesen unfreundlichen Raum verlassen!«

      Sigurd atmete ein paar Mal kräftig ein und aus. Mit einem tiefen Atemzug füllte er seine Lunge mit dem lebensnotwendigen Sauerstoff und tauchte nach dem Grund des Bassins hinab. Je tiefer er kam, desto mehr erhellte sich seine Umgebung, und er fühlte eine stärker werdende Strömung. Endlich entdeckte er den


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