Apokalyptische Variationen. Antanas Škėma

Apokalyptische Variationen - Antanas Škėma


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      Antanas Škėma

      APOKALYPTISCHE

      VARIATIONEN

      Aus dem Litauischen

      und mit einem Nachwort

      von Claudia Sinnig

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      INHALT

       ANGST

       FORT

       SCHWELBRÄNDE UND FUNKEN

       DIE STILLE DER NACHT

       DER EGOIST

       DER KALENDER

       DIE BIRKE UND DER MENSCH

       IN DEN BERGEN

       GEFANGEN

       DAS KLEID

       IM KRANKENHAUS

       DAS LÄCHELN

       HINTER DER MEMEL

       DIE HEILIGE INGA

       SONNENTAGE

       DER GLÄSERNE MENSCH

       DAS KARUSSELL

       IŠA-AK

       MURKSA

       DIE VERDAMPFTE APRIKOSE

       DER WEG ZUR STRASSE

       SALTO MORTALE

       ROMANTISCHES FINALE

       ÜBER DIE EISENBAHN

       DER WAGGON DES ZAREN

       ALTER POSTWEG 16

       APOKALYPTISCHE VARIATIONEN

       CELESTA

       HOLOFERNES

       SCHRITTE UND STUFEN

       HEIMWEH

       DER SPAZIERGANG

       ŽIIILVINAS

       FREITAG

       DIE FEUERWEHR KOMMT

       IM ANFANG WAREN ZWEI

       DIE BEGLEITER

       DER GESANG

       DAS MEER

       DIE MADONNA

       ANTANAS ŠKĖMA WIRD 40

       ANHANG

       EDITORISCHE NOTIZ

       ANMERKUNGEN

       NACHWORT DER ÜBERSETZERIN

      ANGST

      Zum ersten Mal bin ich ihm in einem Kaunaser Café begegnet, das ich an einem kalten, regnerischen Herbstabend aufsuchte. Die kleinen Tische waren alle besetzt. Da entdeckte ich in einer Ecke ein Tischchen, an dem ein einzelner Mann saß. Ich ging hin und fragte: »Darf ich?« Tiefe melancholische Augen sahen mich an … »Bitte.« Ich setzte mich. Bestellte eine Tasse Kaffee. Mein Blick schweifte durch den vollen Raum, blieb eine Weile bei den Musikern auf der Bühne und schließlich an meinem Tischnachbarn hängen. Ein Mann von dreißig bis fünfunddreißig Jahren. Ebenmäßiges Gesicht mit scharfen Zügen, klassisch gerade Nase, schöne hohe Stirn mit tiefen Falten, nach hinten gekämmtes schwarzes Haar, aber seine Augen … Ich habe das Glück, viele schöne, ja sogar wunderbare Augen von Frauen gesehen zu haben, doch solche Männeraugen begegneten mir zum ersten Mal. Sie sahen ganz dunkel aus in dem trüben elektrischen Licht, obwohl sie es in Wirklichkeit vermutlich nicht waren. Ihr Blick drang gleichsam durch die Menschen in dem Café, durch das nichtssagende Bild an der Wand und auch durch die Wand hindurch. Es hatte den Anschein, als würden seine Augen sehen, was hinter der Wand vorging. Sie verströmten eine ruhige und zugleich bittere Niedergeschlagenheit. Da ich mir die Augen des Unbekannten genauer ansehen wollte, bat ich ihn um Streichhölzer für meine Papirossa. Sein an die Wand des Cafés gehefteter Blick glitt ab, er schien zu verlöschen und blieb dann an mir hängen. Jetzt sahen mich andere farblose, aber noch genauso traurige Augen an. »Verzeihen Sie, ich habe nicht gehört, was Sie gesagt haben.« Ich wiederholte meine Bitte. Er holte ohne Eile aus seiner Tasche Streichhölzer hervor, entzündete eines und gab mir Feuer. Ich bedankte mich. »Bitte«, klang es traurig. Und dann richtete sich sein Blick wieder auf die Wand des Cafés. Plötzlich, als sei ihm etwas eingefallen, schärften sich seine Gesichtszüge, auf seiner Stirn erschienen neue Falten und seine


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