Das Traummosaik. Paul Walz

Das Traummosaik - Paul Walz


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konzentrierte sich auf Melanie. »Was trinken Sie?«

      Die Augen des Typen waren rot unterlaufen, doch Finkler erkannte, dass hinter dem Mann, der Kleidung nach zu urteilen, einiges an Geld steckte. Wahrscheinlich ein Banker.

      Er legte seine Hand auf Melanies Knie.

      Finkler sprang vor, doch noch bevor er den Mann an der Schulter packen konnte, stieß Melanie Altmanns Hand beiseite.

      »Nimm deine dreckigen Pfoten weg, sonst kannst du was erleben.«

      Sie rutschte wütend vom Barhocker und lief in Richtung Toilette, während ihr Altmann mit glasigen Augen hinterherschaute.

      »Wie kommst du an solch eine Braut?«, wandte er sich an Finkler.

      »Geht dich das was an? Nein, also verpiss dich!«

      Altmann grinste überheblich und musterte Finkler. »So wie du aussiehst, musst du innere Werte haben.«

      »Das unterscheidet uns vermutlich.«

      Altmann wandte sich ab und winkte dem Barkeeper, der wusste, was verlangt wurde.

      Als der Betrunkene kurz darauf mit einem neuen Bier in der Hand davontorkelte, rammte er seine Schulter absichtlich in Finklers Rücken und schüttete einen Teil seines Getränks auf dessen Schuhe. Anstatt sich zu entschuldigen, murmelte er: »Komisch, irgendwie kommt mir deine Fresse bekannt vor.«

      Noch bevor Finkler etwas antworten konnte, war Altmann zwischen den Gästen verschwunden. Finkler war völlig überrumpelt, doch gerade als er ihm hinterherwollte, kam Melanie zurück. Ihr Gesichtsausdruck bedeutete nichts Gutes.

      »Bring mich bitte nach Hause.«

      Er versuchte, sie zum Bleiben zu überreden, aber sie nahm einfach ihre Tasche und Jacke und wandte sich zum Ausgang. »Ich geh schon mal raus.«

      Er zahlte und folgte ihr fluchend die Stufen hinauf. Noch vor zehn Minuten hatte es so ausgesehen, als würde der Abend in Melanies Bett enden, doch das konnte er sich abschminken, so gut kannte er sie.

      Inzwischen hatte es zu stürmen begonnen. Windböen wirbelten welke Blätter durch die Luft.

      Ärger blitzte in ihren Augen auf. »So ein schöner Abend. Dann kommt dieser Säufer und jetzt schickt mir meine Chefin eine Info, dass ich morgen früh um halb acht zu einem Meeting auftauchen muss.«

      Sie schwiegen frustriert, bis er sie vor ihrem Apartmenthaus absetzte. »Ich bin müde. Also ohne Umwege ins Bett. Okay?« Ihr Lächeln wärmte ihn. »Am Wochenende!«

      ***

      Zu Hause saß er, ohne Licht zu machen, noch lange im Sessel und dachte über den Abend nach.

      Der Barkeeper und dieser Altmann hatten ihn erkannt. Da sein Gedächtnisverlust nur die letzten Wochen vor dem Unfall betraf, mussten seine Besuche in dieser Zeit gelegen haben, sonst würde er sich erinnern. Offensichtlich war er alleine dort gewesen, denn ohne Frage hätten die beiden sofort auf Melanie reagiert. Solche Typen vergaßen schöne Frauen selten. Außerdem aus beruflichen Gründen, was wiederum bedeutete, dass es sich um den Rosetti-Fall gedreht haben musste, da er diesen zu der Zeit bearbeitet hatte.

      Wer war also dieser Altmann? Kannte er Finkler nur flüchtig aus der Bar oder war da mehr?

      Er schrieb Daniel eine kurze Nachricht und bat ihn, Altmann zu checken, ohne zu erwähnen, wie er auf den Namen gekommen war.

      Irgendwann, es war schon kurz nach vier Uhr am Morgen, war er vollkommen zerschlagen und schaffte es kaum mehr ins Bett.

      Die Wand ist deckenhoch verglast und gibt einen fantastischen Blick auf die nächtliche Skyline Frankfurts frei. Links das angeleuchtete Heizkraftwerk, daneben die vielen Bürotürme und, alles überragend, der Fernsehturm. Er ist in Melanies Wohnzimmer. Schwach nimmt er einen Geruch von Wein und Essen wahr und sieht in der fahlen Beleuchtung unter den Schränken Teller und Gläser auf dem Tresen zur offenen Küche stehen. Sie ist eine gute Köchin und legt großen Wert auf ausgesuchte Lebensmittel, mit denen sie ihn oft verwöhnt.

      Momentan trocknet der Rest ihrer grandiosen Lasagne in einer Ofenform vor sich hin. Am Hals der fast leeren Weinflasche prangt der Gallo Nero, Wahrzeichen ihres geliebten Chiantis.

      Der Kühlschrank beginnt zu brummen, doch da ist noch etwas anderes. Langsam wendet er sich um, lauscht und späht in den Flur, der zum Bad und zum Schlafzimmer führt. Ein schwacher Lichtschein und die leisen Geräusche kommen von hier.

      Vorsichtig schleicht er hinüber, barfuß und im Schlafanzug, wie er plötzlich feststellt. Das dunkle Kirschbaumparkett fühlt sich glatt und kühl an und schmeichelt den Fußsohlen.

      Die Tür zum Bad ist verschlossen, doch die zum Schlafzimmer steht weit genug auf, um hineinsehen zu können. Das breite dunkelrote Lederbett, die Flokatis davor, der verspiegelte Schrank, der die gesamte rechte Wand einnimmt, und die kleine Kommode stehen an ihrem Platz und er weiß, dass gleich neben der Tür der Stich irgendeines modernen Künstlers hängt. Auch seine Freundin ist da. Sie liegt in ihrem Bett. Auf ihr ein Fremder. Die Beine über seinem Rücken gekreuzt, genießt sie mit geschlossenen Augen den Sex. Ihr leises Stöhnen, das ihn hierhergelockt hat, geht in die lauter werdenden spitzen Schreie über, die er so gut kennt. Sie steigert sich, krallt sich in die Schultern des Fremden und kommt schließlich zum Höhepunkt, um dann heftig atmend die Augen aufzuschlagen und ihn direkt anzusehen, während der Mann sich in ihr weiterbewegt. Sie scheint nicht überrascht zu sein, ihn zu sehen.

      »Tut mir leid, Sebastian, ich hätte es dir lieber in Ruhe erzählt. Deine Zeit im Koma. Er war eben einfach da.«

      Sie wendet sich wieder dem Mann zu und es ist so, als ob er für sie nicht mehr existierte. Jetzt erkennt er ihn auch. Es ist der Kollege Melanies, der schon so lange hinter ihr her war: Bodo Baldner.

      Er taumelt verwirrt in Richtung Schrank, der – kurz bevor er dagegenschlägt – zur Seite gleitet und ihn in die Bar eines Clubs führt.

      Schwerer Zigarettenmief schlägt ihm auf die Lungen. Der Raum ist überfüllt mit Menschen, die sich angeregt unterhalten und trinken. Der Barmann nickt ihm freundlich zu und stellt ihm ohne zu fragen einen Drink hin. Lautes Gelächter schwillt an. Er wirbelt herum und sieht Altmann. Ihm gegenüber sitzt ein heftig schwitzender Mann, dessen Gesicht mit Hämatomen und verschorften Rissen übersät ist. Ein Grinsen teilt sein aufgedunsenes Gesicht.

      »Die Braut ist eindeutig zu scharf für dich.«

      Wut keimt auf. Er holt aus, um dem Lachenden in die Visage zu schlagen, als aber seine Faust niederfährt, trifft er Prock, der plötzlich dort sitzt, wo eben noch der Unbekannte saß. Procks Nase verformt sich und Blut spritzt hervor. Finkler springt auf und sucht den Ausgang. In Panik flieht er die Treppe nach oben, als ihn jemand festhält. Er will sich wehren, der Griff aber ist sanft und bestimmt zugleich, lässt Wut und Enttäuschung, die in ihm brennen, abklingen. Wärme durchflutet ihn. Sarah Herbst streicht ihm mit den Fingern über seine Wange. Ihre Augen sind offen und zeigen Verständnis. Er greift seinerseits ihre Hand und lächelt, doch als er sie wieder anschaut, ist Sarah Herbst verschwunden und eine Fremde sieht ihn an. Sie spricht zu ihm, er aber kann die Worte nicht verstehen. Blut läuft ihr aus den Augen.

      10

      Freitag, 18. November

      »Um eins vorwegzunehmen: Ich halte die Freistellung angesichts deines Zustandes für folgerichtig und bin froh darüber.«

      Finkler öffnete den Mund, doch Sarah hob abwehrend eine Hand.

      »Ich bin nicht für deinen Job oder die Karriere verantwortlich, sondern ausschließlich für deinen Kopf und hierfür ist es gut.«

      Sie sah auf ihre Unterlagen. Das Thema war durch.

      Ihr Gesichtsausdruck verriet Besorgnis. Er war erst gegen Mittag aufgewacht, verwirrt und nun froh, mit ihr reden zu können.

      Ihre Augen waren dezent geschminkt, was die Müdigkeit, die in ihnen lag, jedoch nicht verdecken konnte. Ihre Narbe war wie immer nicht abgedeckt. Sie leuchtete in einem kräftigen


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