Gampe's Erzgebirge mit Einschluss der böhmischen Bäder Teplitz, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad. Gampe Theodor

Gampe's Erzgebirge mit Einschluss der böhmischen Bäder Teplitz, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad - Gampe Theodor


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den Mangel an öffentlichen Sommergärten in den oberen Städten völlig erklären. Die schönste Jahreszeit ist der Herbst mit seiner erstaunlich klaren Luft und seinem allzeit frischen Grün. Einen todten Herbst, wie ihn das Tiefland besäufzt, kennt das Erzgebirge nicht. Die Einwinterung geschieht meist rasch und vollständig. Ausgedehntes Sumpfland findet sich mit Ausnahme des Kranichsees bei Karlsfeld nirgend und auch dieser bleibt bei dem frischen Gebirgsklima ohne schädlichen Einfluss. Der waldbedeckte Kamm ist in seiner ganzen Länge für Gebirgsluftkuren ausserordentlich geeignet. In Aufnahme als Luftkurorte sind besonders Reiboldsgrün, Reitzenhain und die Bäder Wolkenstein, Wiesenbad und Einsiedel. Der östliche Kamm ist von Leidenden bis jetzt wenig beachtet worden, obwohl hier wirksamere Kurorte aufzufinden wären, wie im tieferen Sandsteingebiet der Sächsischen Schweiz, die neuerdings von Sommerfrischlern und Erholungsbedürftigten überlaufen wird. Sehr milde Gebirgslüfte wehen über den südlichen Thalgehängen bei Graupen, Eichwald, Ossegg, Oberleitensdorf und Eisenberg. Eichwald ist im besten Zuge, ein fashionables Luxusbad zu werden und der Ort, am Südhang und inmitten der grossen dichten Wälder der Fürsten Clary und Lobkowitz gelegen, verdient diese Bevorzugung vollauf.

       Inhaltsverzeichnis

      Es muss gelehrten Forschern überlassen bleiben, ob nicht schon Kelten im Erzgebirge angesiedelt waren; ich will hier nur darauf aufmerksam machen, dass so mancher Name in unserem Gebiet auffällig treffend sich den keltischen Theorien des Dr. Riecke und anderer Keltenforscher anfügt. Es sind hier zu nennen: Thum, Dorf Elend, die Elenswiesen bei Thum, die sicher nicht erst wie die Sage will, nach dem 30jährigen Krieg im Volksmund einen Namen erhielten, ferner Afalter, Mehltheuer, Klaffenbach und vor Allem die vielen Glasberge, Haarthen, die der irischen Bezeichnung analog stets lange Bergrücken darstellen; es finden sich solche bei Einsiedel, bei Hohenofen in Böhmen und der lange Serpentinrücken bei Zöblitz heisst gleichfalls die Haarth. Auch die vielen Leithen (einseitige Berghänge) stimmen zu jenen Forschungen.

      Dass die Sorben im Besitz des ganzen Gebirges waren, ist zweifellos. Sie mögen auf dem Kamm nur sehr dünn oder auf Strecken gar nicht angesiedelt gewesen sein, sie haben aber sicher die Pässe schon benutzt. Ueber Eibenstock haben alle Bergbäche auf dem Kamm slavische Namen, auch bei Wiesenthal fliesst, wie bei Raschau, eine Biela (Weisswasser, jetzt Pöhla), ein »Kretscham« steht zwischen Neudorf und Unterwiesenthal, auf der Kammhöhe liegt Pressnitz, Saydowa (Saida) liegt an einer uralten Heerstrasse zwischen Prag und Leipzig, Purschenstein dürfte eine Tautologie und mit dem Böhmischen Borzen (spr. Borschen) verwandt sein, und so liessen sich noch eine Menge solcher natürlicher Urkunden und Beweisstücke aufzählen, welche die bekannte Annahme hinfällig machen, die Sorben seien erst, durch die Deutschen bedrängt, bis höchstens in die Gegend von Zöblitz und Eibenstock verschlagen worden.

      Mit der Gründung der Mark Meissen (928) begann die gewaltsame Germanisirung der Slaven auch im Erzgebirge und mit ihr jedenfalls eine grössere germanische Einwanderung, um aber den unwirthlichen Miriquidiwald dicht zu bevölkern, brauchte es noch eines gewaltigen Anstosses und das war das Fündigwerden des Erzreichthums im grossen Massstabe. Zwar hatten die Sorben schon Bergbau getrieben, wie aus vielen technisch-bergmännischen Ausdrücken, die dem Slavischen entstammen, hervorgeht, aber die Deutschen bemächtigten sich der für die damalige Zeit ungeheuren Bodenschätze mit ganz anderer Energie. Die Sage erzählt, ein Halle'scher Salzfuhrmann habe eine Erzstufe in den Gleisen in der Gegend, wo jetzt Freiberg steht, gefunden, habe sie in Goslar untersuchen lassen und darauf hin habe sich denn eine ganze Völkerwanderung nach dem Erzgebirge vollzogen. Wie noch heut bei ähnlichen Auffindungen im Westen mag die Sage von Erzschätzen mit allen den Uebertreibungen, wie sie noch immer im Schwange sind, in die Welt hinausgegangen sein. Intelligente Abenteurer (wohl auch Proletariat) strömten aus weiten Ländern herbei; den grössten Antheil an der Einwanderung scheinen die Niedersachsen, die Franken und die Böhmen zu haben. Actiengesellschaften traten ins Leben, grossartige Wasserbauten wurden ausgeführt, so bei Freiberg und bei Schneeberg, Städte schossen auf wie die Pilze, imposante Bergkirchen wuchsen über die Dachfirsten empor, zahllose Kauen und Berghütten belebten die sonst so stillen Gehänge, in den Wäldern fiel Stamm um Stamm dem Bergbau zum Opfer, die Erzhütten qualmten und die Bergglöcklein schallten allerorts, kurz, es mag ein Leben gewesen sein, wie es heut zu Tage nur noch die Minenregionen Amerikas überbieten. Diese überaus rührigen Miners sind die Urväter der heutigen Bevölkerung und sie haben ihren Fleiss, ihre Verträglichheit, ihren vergnügten Sinn ungeschmälert hinterlassen, während der Drang nach reichem Erwerb in eine oft rührende Genügsamkeit umgeschlagen scheint.

      Die Tiefländer, die auf reicheren Ackergründen sitzen, sind stets abgeschlossener, unzugänglicher und stolzer während eine kargere und rauhere Gebirgsnatur die Menschen enger zusammendrängt und darauf ist die ausgeprägte Geselligkeit der Gebirgler wohl zurückzuführen. Freilich, so gemüthlich und gesellig, wie das Erzgebirgische ist selten ein Bergvolk und dabei ist es von einer tiefen Liebe zu seiner Scholle durchwärmt. Man muss die Herzenstöne selbst hören, die ein Erzgebirger in die Worte legt »Mei Arzgebirg, mei Haemeth.«

      Mit dem Zurückgehen der Erzwerthe und der Erschöpfung vieler Gruben kehrte auch die Nahrungssorge im Erzgebirge ein. Die Landwirthschaft war nicht sehr ausgiebig und so griff die Bergbevölkerung zur Industrie, welche heut in unserem Gebirge die grossartigsten Formen angenommen. Eine statistische Zusammenstellung vom Reg.-Rath Dr. Victor Böhnert wirft die glänzendsten Schlaglichter auf den Sächsischen Gewerbfleiss, an dem das Erzgebirge am stärksten participirt.

      Sachsens Bevölkerung beträgt dem Reich gegenüber 6,46%. Zu den 925 457 Personen, welche 1875 in Deutschland in der Textilbranche beschäftigt waren, stellte Sachsen 203 780 Personen, also 22,02%. In einzelnen der Textilindustrien beschäftigt Sachsen allein mehr Personen als das übrige Deutsche Reich. In der Strumpf- und Strickwaarenindustrie waren im Reich 60 620 Personen thätig, davon gehörten 35 166, also 58% dem Königreich Sachsen an. In der Spitzen- und Weisszeugfabrikation arbeiteten im Reich 12 904 Personen, in Sachsen davon 7696, mithin 59,6%, in den Webereien von gemischten Waaren sind im Reich thätig 11 055 Personen, in Sachsen davon 10 709, mithin 96,9%. In den Appreturanstalten für Strumpfwaaren im Reich: 3701 Person, davon in Sachsen 3632, also 98,1%.

      Auch in anderen Gewerbzweigen liefert Sachsen einen auffällig grossen Procentsatz, so z. B. im Metallbergbau, wenn wir Eisen und Stahl ausschliessen, 15%, in der Fabrikation von Musikinstrumenten 31,7%, in der Papier- und Pappenfabrikation 18,5%, in der Wachstuch- und Lederfabrikation 49,2%. In Preussen leben auf den Quadratkilometer nur 10,4 Erwerbstätige, in Sachsen dagegen 42. Nur Reuss ä. L. reicht mit 37,2 in Deutschland an diese Ziffer heran.

      Nach einigen Schriftstellern soll die erzgebirgische Gemüthlichkeit die Thatkraft lähmen – nun, die vorstehenden Zahlen geben die beste Antwort darauf. Im Gegentheil, ein permanent fröhlicher, nie übermüthiger Gemüthszustand hat die Unverdrossenheit im Gefolge und diese ist eine Grundbedingung des Gewerbfleisses. Stünde das Gebirge allein dem Reich gegenüber, dann würden die Procentsätze noch überraschender ausgefallen sein und jene Schriftsteller würden die Mütze noch tiefer ziehen müssen, vor der »durch das Gemüth lahmgelegten Thatkraft« und der »Energielosigkeit«, die auf den verlassenen Bergzechen so colossale Blüthen emportrieb. Landschaftlich hat das Erzgebirge bedeutende Rivalen, für industrielle Excursionen aber steht es ausser Concurrenz. Wer sich nicht nur über Berg und Thal, wer sich auch über fleissige Menschen in ihren mannigfaltigen Werkstätten freuen kann, dem sei die »Industrielle Excursion« in ihrer Zusammenstellung angelegentlichst empfohlen. Siehe dieses Register.

      Der Menschenschlag ist keineswegs degenerirt wie im Ausland oft behauptet wird, wir finden unter den Hammerschmieden, Bauern und Holzknechten sogar herculische Gestalten, nur in den Weber-, Posamenten- und Strumpfwirkerdistricten haben die Stubenluft und die zeitweilig geringe Nahrung in verdienstlosen Zeiten ihre Wirkungen unverkennbar hinterlassen. Auffällig sind die durchgängig intelligenten Gesichtszüge; selbst unter dem landwirthschaftlichen Gesinde begegnen wir nur selten einem stumpfen, nichtssagenden Gesicht. Die Frauen sind meist geschmeidige Gestalten, zierlich, gazellenartig und selbst bei der Arbeit nicht ungefällig gekleidet. Befremdlich für einen germanischen Stamm sind die vielen braungrauen,


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