Gampe's Erzgebirge mit Einschluss der böhmischen Bäder Teplitz, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad. Gampe Theodor
Selbst ein anspruchsvoller Reisender wird Mühe haben, täglich 20 M. an den Mann zu bringen, wenn er sich nicht gerade in den Bädern befindet oder exclusiven Dingen nachgeht.
Geldvaluta.
An der sächsischen Grenze, die ja zugleich Reichsgrenze ist, raint auch die deutsche Reichswährung mit der österreichischen Währung, doch sind beide Währungen im Volke populär, namentlich ist der böhmische Gastwirth an beide gewöhnt und er berechnet auf Verlangen bald in dieser bald in jener. Der Cours findet sich in allen Grenzblättern, wie in jeder grösseren Zeitung. Sind z. B. in Sachsen österreichische Banknoten mit 177 notirt, so bedeutet das einen Werth per fl. von 1 Mk. 77 Pf. In Oestreich findet sich dagegen das Reichsgeld in den Coursnotizen. Ist derselbe z. B. mit 55 verzeichnet, dann hat der Wirth die Mark mit 55 kr. zu berechnen. Reisende, die nur Böhmen flüchtig an der Grenze berühren, erhalten auf Verlangen im Wechsel auf Reichsgeld auch Reichsgeld zurück.
Touren ab Dresden.
1. Dresden-Pirna (17 km, Bahn). Berggiesshübel (15 km, Sekundärbahn). Nollendorf (15 km). Kulm (6 km). Teplitz (11 km, auch Bahn).
Nach Pirna benutzt man am Besten Eisenbahn oder Dampfschiff. Die Fahrt zeigt rechts die letzten Ausläufer des Erzgebirges, links den villenbedeckten Höhenzug, an dessen Fuss Loschwitz-Wachwitz-Pillnitz liegen. Die Dampfschifffahrt ist landschaftlich weit dankbarer.
Pirna. Gasthöfe: Schwarzer Adler. Forsthaus. Schwan am Markt. Sächs. Hof. Goldner Stern am Bahnhof. Beliebte Rest.: Stadtrest. und Dampfschiffwartehalle an der Elbe. Grundig und Rathskeller am Markt. Schlossrest. am Sonnenstein mit umfassender Aussicht auf das Elbthal gegen Dresden. Café Schilling an der Promenade.
Pirna liegt 114 m hoch an der Elbe. Unfern der Stadt rainen Erz- und Sandsteingebirge. 12 000 Einw.
Geschichtliches. Die sehr alte Stadt gehörte im frühesten Mittelalter zur böhmischen Krone. 1249 fiel sie als ein Heirathsgut der böhm. Königstochter Agnes an Heinrich den Erlauchten, Markgrafen von Meissen. Aus dem ehemaligen Dominikanerkloster zu Pirna ging der berüchtigte Ablasskrämer Tetzel hervor, auch lebte hier der für die Sächs. Geschichte so wichtige Paul Lindner, bekannt als der »Pirnaische Mönch.« Im 30jährigen Krieg stürmte Banner die Stadt und überliess sie der Beutegier seiner wilden Soldateska. Friedrich II. befahl im 7jährigen Krieg die Schleifung der Stadtwälle. 1811 errichtete man im prächtig gelegenen, mit altdeutschen Erkern versehenen Schloss eine Heilanstalt für Geisteskranke, die hygienisch einen guten Ruf geniesst und gegenwärtig etwa 500 Insassen zählt. Napoleon I. liess 1813 die Unglücklichen herausjagen und befestigte den Sonnenstein.
Die goth. Hauptkirche, 1546 vollendet, schmücken Deckengemälde und Glasmalereien. Zwölf Pfeiler tragen die Decke mit ihren Gewölbrippen von beachtenswerther Mannigfaltigkeit. Schönes Masswerk in den Fenstern. Die neugothische kath. Kirche enthält ein gutes Altarbild. In den Promenaden steht das Ottodenkmal mit Medaillonportrait, dem Sänger Julius Otto gewidmet.
Spaziergänge. 1. Ueber die Elbbrücke. (Unter dem ersten Brückenpfeiler merkwürdiges Echo.) Man geht in der Regel durch das am rechten Ufer liegende Copitz und auf das Bergrestaurant »Zur schönen Aussicht,« das seinen Namen in vollem Maasse rechtfertigt (1 km). 2. Nach der schon genannten Schlossschenke dicht über der Stadt. 3. Nach dem Kohlberg, 202 m hoch, Entfernung 2 km, Gartenrest. mit herrlichen Blicken auf den Borsberg, den langen Höhenzug gegen Dresden und auf die dörferbedeckte Elbniederung. Um den Kohlberg kämpften 1813 Russen, Preussen und Oestreicher gegen Vandamme, und diese Kämpfe bildeten das Vorspiel zur Schlacht bei Kulm.
Nach Berggiesshübel führt Sekundärbahn an der Gottleuba entlang. Zu Fuss geht man nicht die Strasse, sondern am Schiesshaus vorüber die sogenannte Viehleithe, ein schattiger Promenadenweg bis Rottwerndorf (5 km). Gefälliges Schlösschen vom Kurfürst Vater August erbaut. Grosser Gasthof. Bahnhof. Das Dorf ist der Centralpunkt der sog. Cottaer Sandsteinbrüche, welche den härtesten und feinkörnigsten Sandstein im Elbsandsteingebiet liefern und der zu den meisten Skulpturen in Dresden verwendet wurde. Von Rottwerndorf geht man entweder mit der Bahn parallel im Thale fort am Langhennersdorfer Wasserfall vorüber nach Berggiesshübel (9 km) oder über den Cottaer Spitzberg (6½ km). Der erstere Weg bietet anmuthige Thalbilder und die imposante Felsgrotte des Wasserfalls, der nach Gewittern einen fesselnden, bei trockner Zeit jedoch einen mehr kläglichen Eindruck hervorbringt. Nach dem Cottaer Spitzberg folgen wir einen Wegweiser in der Nähe des Rottwerndorfer Bahnhofs, der nach Cotta hinaufweist. Wir lassen das Dorf rechts und gehen bei drei uralten Kreuzen vorüber direct auf den Basaltgipfel des Berges, 387 m. Die Aussicht ist für die geringe Mühe lohnend; sie umfasst viele Tafelberge der Sächs. Schweiz und die Basaltkuppen des Erzgebirges: Sattelberg, Geising, Luchberg, Wilisch. Unter dem Gipfel Basaltbruch. Von hier erreicht man auf Feldwegen leicht die sichtbare Pirna-Berggiesshübler Strasse.
Berggiesshübel. Zum Sächs. Haus. Zum gold. Stern. Freundliches Bergstädtchen im anmuthigen Thalzug der Gottleuba. 1600 Einw. 294 m. Das Johann-Georgenbad ist eines der ältesten Bäder Sachsens. Beliebte Sommerfrische. Schon Gellert und Rabener suchten hier Erholung. Um die touristische Aufschliessung der Gegend machte sich Gewerbschuldirector Clauss aus Dresden besonders verdient. Hinter dem Bad Anlagen. In der Umgebung viele sehr lohnende Spaziergänge. Hervorzuheben sind der Poetengang gegen Gottleuba hin mit Bänken und einer Inschrift von Th. Hell, welche sich auf den Aufenthalt Rabeners und Gellerts bezieht. Sodann sind zu nennen der sog. Napoleonstein, welchen der Eroberer während der Kämpfe in jener Gegend zu wiederholten Malen erstieg und Gersdorf mit künstlicher Ruine. Die Wege sind durch Wegweiser markirt, auch viele der Echos.
In der Nähe der Stadt baut man ein vorzügliches Eisenerz ab, das sich besonders zur Herstellung von Gussstahl eignet und weithin verfrachtet wird. Leider ist das grosse Eisenwerk am Berghang zum Erliegen gekommen.
Anmerkung. Dankbar ist auch die Tour am Bach (3 km) auf nach Gottleuba. 338 m. 1200 Einw. Schön im Thal gelegenes sauberes Städtchen. Grosse Waldungen in der Nähe. Sommerfrische. Goth. Kirche mit beachtenswertem Portal. Die sogenannte Ueberraschung gewährt prächtige Thalblicke. Am Schiesshaus-Wegweiser nach dem Augustusberg mit Umschauthurm (2 km). Schöne Aussicht auf das Gebirge und die Elbniederung. Entweder geht man vom Städtchen aus hinauf auf die Hauptstrasse nach Peterswalde oder im Thalzug fort, bis ein Wegweiser hinauf nach Oelsen zeigt (Erbgericht) und von hier auf den Sattelberg (10 km). Der 721 m hohe Basaltberg gewährt gegen Böhmen nur beschränkte Aussicht, dafür liegt ein grosser Theil der Sächs. Schweiz, des östl. Erzgebirgs und der Elbniederung mit Dresden und den Prinzenschlössern frei vor dem Beschauer. Nollendorf (über Schönwald) ist von hier 6 km entfernt.
Bei Berggiesshübel verlässt die Strasse das Gottleubathal, gewinnt aussichtsreiche Höhen und überschreitet bei Hellendorf die Grenze. Im Hellendorfer Gasthof nächtigte Vandamme vom 28. zum 29. August 1813 – in der Nacht vor den Kulmer Schlachttagen. Das erste böhmische Dorf ist Peterswalde, 2500 Einw. Zum Felsenkeller. Das Dorf ist fast 5 km lang. Um die Peterswalder Höhen kämpften Russen und Franzosen sehr hartnäckig. Die Russen stürmten von Jungferndorf her, wurden aber, zu ihrem Glück, darf man hier sagen, von den Franzosen zurückgeschlagen. In verhängnissvollem Siegesjubel verfolgte Vandamme die Russen bis über den Kamm des Gebirgs hinab. Der preuss. General von Kleist hatte in der Nacht zum 30. August mit seinen Truppen rechts des Nollendorfer Passes in Fürstenwalde gelagert und zog, als er den Kanonendonner in der Tiefe des Teplitzer Thalkessels vernahm, in Eilmarsch über die Höhen gegen Nollendorf und schnitt damit den Franzosen den Rückzug ab, die sich bei Kulm erfolglos mit den Russen und den hinzugekommenen Oesterreichern herumschlugen. Kleist griff