Gampe's Erzgebirge mit Einschluss der böhmischen Bäder Teplitz, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad. Gampe Theodor
und wird meist ohne Tanzlehrer in höchst vollendeter Weise geübt.
Practische Winke für den Umgang.
Der Erzgebirger aus dem Volke erwartet bei seiner offenen, munteren Gemüthsart, dass der Fremde sich auch so zeige und dieser kann sich ohne alle Gefahr in vertraulicher Weise nähern, er bleibt trotzdem stets eine Respectsperson. Ueberaus freut sich der Erzgebirger, wenn sich der Fremde für seine Heimath und vor Allem für seine Arbeit und Erwerbsverhältnisse interessirt, er lässt ihn mit vieler Treuherzigkeit in seine innersten Angelegenheiten blicken. Mit kalter Vornehmthuerei imponirt dem Erzgebirger Niemand, der Hochmuth ist ihm etwas Lächerliches. Neidlos blickt er auf den besseren Rock, lernend blickt er zu der höheren Intelligenz auf, der Standesunterschied ist ihm anerkannte Thatsache, nur will er diesen am Liebsten selbst markiren.
Es darf nicht auffallen, wenn sich der Fremde schon nach einer einzigen Frage an den Wirth mit allen übrigen Gästen in ein Gespräch verwickelt sieht. Man drängt sich ein, man überbietet sich, um dem Fremden zu dienen. Die Neugier spielt dabei eine sehr untergeordnete Rolle. Für Scherzworte ist der Erzgebirger äusserst empfänglich und meist reagirt er sofort. Man kann in erzgebirgischen Schenken scherzhafte, schlagkräftige Wortgefechte sehr oft zu Gehör bekommen. Die Frauen und Mädchen singen gern. Leider sind sie schwer zu bewegen, ihre Volksgesänge vor dem Fremden anzustimmen, sie lachen der Aufforderung und achten ihre Kunst wirklich für zu gering.
Aus den oft sehr ungenirten Scherz-Reden zwischen beiden Geschlechtern wolle der Fremde ja nicht auf sittliche Missstände schliessen, er würde irren, wenigstens stellt sich der anzügliche Procentsatz nicht höher, als anderswo. Gefälligkeiten erweist der Erzgebirger sehr gern und er kennt dabei keinen egoistischen Hintergrund; Trinkgelder werden zwar nicht verschmäht, doch nimmt er sie selten ohne einige Verlegenheit. Knaben, die uns stundenweit begleiten, freuen sich über wenige Groschen von Herzen, Erwachsene übernehmen Führungen mit Vergnügen für 2 bis 3 Mark per Tag.
Desselben Stammes ist die Bevölkerung auf böhmischer Seite, sie lebt unter gleichen Verhältnissen, treibt vielfach dieselben Gewerbe, nur bekennt sie sich zu einer anderen Kirche. Doch herrscht an der Grenze der tiefste Religionsfriede unter den Gebirglern; gegen Fremde ist der Böhme neuerdings etwas misstrauischer. Der Grund hiervon mag sein, dass viele Reisende über den Kamm herüber kommen und ohne bösliche Absichten, nur aufgeregt durch Freiheit, Natur und Wanderlust in übermüthiger Stimmung den alten Spruch nicht beachten:
Landesbrauch ist Landesehr'. –
Fall nicht grob darüber her.
Noch sei hier erwähnt, dass in stillen Thälern, auf einsamen Höhen, in Gehöften und Mühlen oft seltsame Käuze zu finden sind, die mit gutem Erzähltalent haarsträubende Geschichten zum Besten geben. Die Einsamkeit, die Wildheit der Natur, die Unbill des stürmischen Winters, die Waldgeheimnisse der unabsehbaren Forsten haben die Phantasie dieser schlichten Leute angeregt und eigenthümliche Blüthen gezeitigt. Man kann sich durch treuherzige Annäherung einen unerschöpflichen Sagenborn erschliessen, freilich sind diese Sagen zuweilen wild und unheimlich, oft aber auch von frischer Anmuth, sie gleichen ganz der erzgebirgischen Natur – sie sind ja selbst ein Product der Natur.
Wie bereist man am Besten das Erzgebirge.
Grosse touristische Heerstrassen hat das Gebirge nicht; aber ein dichtes Strassennetz, sechs grosse Eisenbahnen und zwei Sekundärbahnen ermöglichen immer neue Varianten. Auch eine Menge Passrouten durchziehen das Gebirge, ja, man kann es in allen seinen Theilen bereisen, ohne auch nur eine Meile Weges gehen zu müssen. Doch das Buch soll dem Touristen dienen und darum ist auf diese Art zu reisen, weniger Rücksicht genommen, es schmiegt sich vielmehr der natürlichen Entwicklung der erzgebirgischen Touristik völlig an. Die meisten Touristen gehen (von der Nordgrenze her) in den Stromthälern den Eisenbahnen nach oder fahren mit denselben bis unter den Kamm, geniessen vom Kamm aus einen oder mehrere Aussichtspunkte und wandern dann dem böhmischen Tiefland zu, um in einem der grossen böhmischen Bäder Rasttag zu halten. Die Rückkehr geschieht zumeist wieder durch Fusswanderung auf einem anderen Gebirgspass und später per Bahn. Passionirtere Touristen verlassen den Kamm nicht sobald, sie geniessen die jungfräuliche Berg- und Waldnatur längere Zeit. Merkwürdiger Weise hat die natürliche Entwickelung der Touristik zwei der herrlichsten Touren, wie sie am Schluss des Buches in Anregung gebracht werden, bisher vollständig ignorirt. Die erstere führt von Osten her, von der Nollendorfer Höhe auf den 130 km langen Kamm hin bis in die Gegend, wo sich das Gebirge nach dem Voigtland hinabsenkt; sie ist nur zu Fuss zu machen, dafür ist es eine echte und gerechte Gebirgspartie mit einer Kette herrlicher Aussichtspunkte inmitten der grossartigsten Forsten. Zur Rechten hat man die Sächsische Abdachung, zur Linken erst das Teplitzer Mittelgebirge, dann die Saazer Ebene und zuletzt das Karlsbader Gebirge und das Egerland. Die zweite Tour führt auf böhmischer Seite am Abhang oder am Fuss des Gebirgs hin, sie beginnt bei Kulm und endigt bei Grasslitz. Eisenbahnen laufen mit ihr parallel, so dass man mit Fahrt und Fusswanderung nach Belieben wechseln kann. Die Aussicht, welche diese Partie ununterbrochen gewährt, gleicht einem Wandelpanorama von überaus fesselnder Schönheit. Dabei liegen die grossen böhmischen Bäder nur wenige km abseits, lassen sich also bequem in die Tour hereinziehen.
Der Sommerfrischler wird sich in einem der kleinen Badeorte unter dem Kamme niederlassen und wird von hier aus das Gebirg durchkreuzen. Empfehlenswerth sind Gottleuba, Berggiesshübel, Kreischa, Tharandt, Bad Einsiedel, Georgenthal mit Georgensdorf, Erdmannsdorf, Olbernhau, Reitzenhain, Warmbad Wolkenstein, Wiesenbad, Schwarzenberg, Wildenthal, Reiboldsgrün und vor Allem Bad Elster.
Soviel über die erzgebirgische Touristik im Allgemeinen; einen persönlichen zusagenden Reiseplan wird Jeder unter der reichen Auswahl leicht ausfindig machen können. Zur Empfehlung der Touren sei hier bemerkt, dass sie nicht willkürlich, sondern mit Sorgfalt und mancher Mühe zusammengestellt sind.
Wann bereist man am Besten das Erzgebirge.
Es soll hier der Leser nicht mit der Neuigkeit überrascht werden, dass die Sommermonate am geeignetsten zum Reisen sind, ich möchte hier nur eine Lanze für Winterpartien brechen. Zum Ersten sind sie sehr gesund und wohlthuend für Geist und Körper, vorausgesetzt, dass wirklicher Winter herrscht, sodann zeigen sie uns die Natur in unvergleichlichen Reizen. Die winterlichen Herrlichkeiten mit ihren Rauhfrösten, Eisduft, lustigen Schneetreiben, Schneewehen, Schlittenbahnen und krystallisirten Wäldern treten in Mitteldeutschland nirgends mit so echt nordischem Charakter auf, wie auf dem Erzgebirge. Wer Winterscenerien liebt, dem kann ich dieses Gebirge aus reicher Erfahrung dringend anempfehlen. Uebrigens erstrecken sich die Schlittenpartien in neuerer Zeit von Dresden, Freiberg, Chemnitz und Zwickau aus öfter bis auf den Kamm. Von besonderem Interesse sind auch die winterlichen Wildfütterungen auf dem Nassauer und Fleyer Revier. Bei Fley finden sich bis zu 300 Stück Hochwild bei der täglichen Fütterung zusammen. Wer übrigens Land und Leute studieren will, der muss das Land im Sommer und die Leute im Winter nehmen, nur im Winter drängen sich diese eng zusammen.
Um eine practische Tageseintheilung zu ermöglichen, sei auf nachstehende Tabelle verwiesen.
Sonnen- | Sonnen- | ||||||
Aufg. | Unterg. | Aufg. | Unterg. | ||||
Juni | 1. | 3. 53. | 8. | Juli |
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