Gampe's Erzgebirge mit Einschluss der böhmischen Bäder Teplitz, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad. Gampe Theodor
Einiges über Reisemärsche.
Der Tourist marschirt zwar unter günstigeren Verhältnissen, wie der Soldat, doch als Massstab dürfte ein kleiner Auszug aus einem Aufsatz des Ober-Stabsarztes Dr. Leo über Militärmärsche dem Touristen nicht unwillkommen sein. Das deutsche Exercirreglement schreibt 8–10 m Schrittgrösse und eine Schrittzahl von 112 per Minute vor. Dabei wird 1 km in 12 Minuten und die Meile in 1½ Stunde zurückgelegt. Ein bequemer Reiseschritt veranlasst eine Schrittzahl von 90 per Minute. Die gewöhnliche Marschlänge beträgt für den Tag 23 bis 30 km. Der vierte Tag ist stets ein Rasttag. 1 Stunde nach Abmarsch wird ein kürzerer Halt empfohlen, sodann jede zweite Stunde. Der Haupthalt wird nach Zurücklegung der grösseren Hälfte des Marschzieles gemacht und ist auf ½ bis ¾ Stunde auszudehnen. Im Krieg steigern sich diese Marschleistungen um ein Bedeutendes, doch könnte mit näheren Angaben der Touristik wenig gedient sein.
Bei grosser Hitze empfiehlt die Erfahrung weisse Tücher um Haupt und Nacken, auch soll ein Stück angefeuchtetes Papier in die Kopfbedeckung gelegt, Hitzschlag und Sonnenstich hintanhalten, Trinken von kalten Wasser wird empfohlen, nur darf keine Ruhe nach dem Trinken eintreten. Essig und Wasser mit Zuckerzusatz wird als besonders erfrischend gerühmt. Bei nicht zu heisser Temperatur ist mässiger Branntweingenuss nicht nur gestattet, sondern empfohlen. Bei grosser Hitze ist Branntwein zu meiden. Die Füsse sind am Abend in kühlem Wasser zu waschen und mit Talg und Sprit einzureihen. Bei 20° R. im Schatten soll der Soldat mit Marschieren um die Mittagszeit verschont werden. Sind die Märsche unumgänglich, soll er reichlich Wasser zu sich nehmen. Der Gebrauch der Soldaten, grüne Blätter und Zweige in die Kopfbedeckung zu legen oder auf derselben zu befestigen, wird als nützlich anerkannt.
Hieran sei noch folgendes geknüpft: Aerzte und Apotheker sind allerorts im Erzgebirge nicht weit. Die Taschenapotheke kann sich auf etwas engl. Pflaster für wunde Füsse und ein wenig Talg beschränken. Sind Fusswaschungen am Abend mit Schwierigkeiten verknüpft, so befreie man wenigstens den Fuss zeitig vom Schuhwerk. Zu warnen ist vor dem programmmässigen Abhetzen einer Tour, wie es namentlich unter den jüngeren Touristen gebräuchlich; es beeinträchtigt den Reisegenuss, hinterlässt nur dürftige Eindrücke und ist nicht ohne Gefahren. Im Ganzen sollte der Marschetat 8 Stunden oder 30 km nicht überschreiten. Am ersten Tag genügen oft schon 5 Stunden die Kräfte zu erschöpfen. In der Kleidung richtet sich Jeder am Besten nach seiner Gewohnheit. Der Schuh sei vor Allem bequem, hohe Absätze taugen nicht zum Wandern, sie drängen den Fuss nach vorn und verursachen Schmerzen in den Zehen. Wer an Rindlederschuhe nicht gewöhnt ist, wird im Anfang bittere Erfahrungen damit machen. Drei- und vierfache Sohlen sind ebenfalls nicht zu empfehlen, sie treten sich nur schwer nach dem Fuss und schmiegen sich zu wenig seinen Bewegungen an. Vorzüglich wandert sichs auf einer einzigen Kernledersohle. Für Winterpartien empfehlen sich Stiefel mit Korkeinlage, sie halten den Fuss warm und gewähren vor Nässe Schutz.
Gastronomisches.
Die Hotels der grösseren Gebirgsstädte unterscheiden sich nicht von denen des Niederlandes. Die ehemals sehr kleinen Betten verschwinden mehr und mehr. In Böhmen sind diese meist luxuriöser, wie auf sächsischer Seite, selbst in oft unansehnlichen Gasthäusern. Sehr zu wünschen ist, dass die Wirthe im Sommer statt für Federbetten für überzogene Wattdecken Sorge tragen.
In kleineren Städten und Dörfern hüte man sich im Allgemeinen vor Rindfleischgerichten; die besseren erzgebirgischen Mastrinder kommen hier selten zum Schlachten, anders ist es im Voigtland und in Böhmen. In kleineren Gasthöfen, wo hie und da die alte erzgebirgische herzlich schlechte Küche noch nicht aufgegeben ist, wird das Fleisch leider oft nur angebraten (damit die Portionen nicht zu klein erscheinen) und mit einer geschmacklosen, hellgelben Sauce aufgetragen, wenn man nicht extra auf scharfgebratenes Fleisch dringt. Erzgebirgische Butter ist meist vorzüglich, der erzgebirgische Käse dagegen häufig ungeniessbar. In neuerer Zeit haben die Rittergüter bessere Käsereien angelegt. Nur der Aberthamer Ziegenkäse genoss früher Ruf und ging selbst nach Dresden in die Hofküche. Eigenartige Speisen, wie Böhmen und Bayern, kennt das Erzgebirge nicht.
Die einheimischen Biere sind zumeist trefflich und bekommen gut. Auf böhmischer Seite trifft man zuweilen selbst in unansehnlichen Schenken einen köstlichen Trank, auch in den kleinen Weinschenken verzapft man sehr oft treffliche böhmische, österreichische und ungarische Weine für billiges Geld. Man wird immer wohl thun, nach jener Sorte zu greifen, welche von den Einheimischen am Meisten begehrt ist. Der ehemals gefürchtete Kaffee ist auf sächsischer Seite besser geworden, in Böhmen herrscht die Unsitte, denselben durch Feigenwurzel »seimig«, d. h. schlechter zu machen; auch reicht man oft schlecht raffinirten Runkelrübenzucker dazu, oder verdickt ihn gleich zu einer Art von braunen Zuckerschleim.
Pass und Zoll.
Passkarte oder Reisepass wird weder an der Grenze noch in den Gasthäusern gefordert. Indess sind sie keineswegs überflüssig. Wer Gelder von der Post zu beheben hat oder die Behörden in Anspruch nehmen muss, wird ohne sie lästige Scheerereien haben.
Die Zollvisitation wird seit den jüngsten Zollerhöhungen weit strenger gehandhabt. Frei sind Kleidungsstücke, Wäsche, 10 Stück Cigarren, 2 Loth Rauchtabak. Cigarren kosten das Pfund 3 fl., Tabak 1 fl. Steuer. Streng verpönt sind Lotterieloose und Spielkarten.
Reisekosten.
Die Reisekosten stellen sich für den Fusswanderer auf 4 bis 6 M. täglich; Das Zimmer berechnet man in kleineren Orten zumeist mit 1 M., auf Dörfern wohl auch nur mit 50 Pf., in comfortable eingerichteten Gasthöfen steigt der Preis bis 2 M., in den böhmischen Bädern bis zu 3