Die Wassernixe. mehrbuch

Die Wassernixe - mehrbuch


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werthvollste in der Provinz gelten konnte. Es waren der Patroons in dieser Familie drei, wenn nicht mehre: der von Rensselaerwyk oder von Albany, wie man ihn gewöhnlich nannte; der von Greenbush und der von Claverack. Wahrscheinlich aber verdankten die beiden Letzteren ihre Existenz Niederlassungen des erstgenannten Besitzers, der das Haupt seiner Familie war. Der Patroon von Albany hatte, so lange New-York Colonie war, einmal eine Festung an den Ufern des Hudson, eine eigene Flagge und das Recht, einen Sheriff zu ernennen. Jedes Fahrzeug, das sein Besitzthum durchsegelte, war gehalten, die Flagge vor seinen Gerechtsamen zu senken, wie früher andere Nationen den Engländern gegenüber im Canal thun mußten.

      Unter der englischen Herrschaft waren der Grundherren vergleichungsweise sehr viele. Die Patroons waren im Besitz der meisten ihrer Vorrechte geblieben und Männer von Einfluß aus dem neuen Mutterlande wurden mit großen Länderschenkungen bedacht. Die Herrschaft Courtlandt, einer einflußreichen holländischen Familie dieses Namens zugehörend, war dieser von der englischen Krone bestätigt worden; auf gleiche Weise fiel Livingstone den Livingstone's zu, Morrisania den Morris, Pellham den Pell's, Philipse den Philipse oder Felipse, Scarsdale den Heathcothe's, Coldenham den Colden, Johnstown den Johnson's und so andere mehr. Viele dieser Herrschaften hatten das Recht, Abgeordnete in das Colonialparlament zu senden und konnten somit als eben so viele rotten boroughsIn der englischen Parlamentssprache: verfallene, kleine Orte oder Gemeinden, deren frühere Wahlrechte dessenungeachtet mißbräuchlich von einzelnen Grundbesitzern fortgeübt wurden, bis die Reform von 1832 dazwischen trat. gelten. Man irrt, wenn man glaubt, diese Besitzungen hätten sich in Amerika nicht, wie in andern Ländern, fortgepflanzt. Bis zur Revolution waren sie alle unveräußerliches Eigenthum der jedesmaligen Erben, und nachher waren der Zertheilungen und Verkäufe ohne Zweifel nicht mehr und keine anderen, als wie sie in England durch Vermächtnisse, Verpfändungen und andere Veräußerungen auch vor sich gehen. Sogar wo vielfache Theilungen des Eigenthums statt gefunden haben, ist es Thatsache, daß sein Werth dessen ungeachtet stets im Steigen geblieben ist. In einem großen Theile der Vereinigten Staaten kann der Länderbesitz nur von sehr kurzer Dauer rückwärts seyn, aus dem einfachen Grunde, weil das Land noch jüngst eine Wildniß war, aber in den älteren Bezirken des Staats New-York insbesondere sind die Abkömmlinge der alten Grundherren noch in mehr oder weniger beschränktem Besitze des Eigenthums ihrer Vorfahren. Zur Bestätigung des eben Gesagten mögen aus vielen Andern, deren Besitzungen unbedeutender sind, folgende Namen genannt werden: – van Rensselaer von Rensselaerwyck, oder »der Patroon«, wie man ihn zur Auszeichnung allein nannte, dessen Besitzungen eine Grafschaft im Herzen des Staats in sich begriffen: die Livingstone's, obere und untere Herrschaft; die Philipse, »eben jene«, wie man in Schottland sagen würde: die van Courtlands von Courtlandt; Jones von Fort-Neck; Nicoll von Islip; Nicoll von Shetta-Eiland, Morris von Morrisania u.u. Diese Thatsachen sind nicht unwichtig, da sie gar Vieles entkräften, was man über den angeblichen Unbestand solchen Eigenthums in Amerika gesagt hat, und wir führen sie namentlich auch der Vorurtheile wegen an, die Manche immer noch gegen eine Volksregierung hegen. Man sollte sich eher wundern, daß soviel Grundbesitz generationenweise denselben Familien verblieben ist, in einem Lande, wo es keine Lehensbande gibt, und wo sich die doch wahrlich nicht geringe Bevölkerung innerhalb Menschengedenken versiebenfacht hat.

      Man hat diesem Buche zu große Unwahrscheinlichkeit der Begebenheiten vorgeworfen. Zweifelsohne gründet sich diese Meinung nur auf Unkenntniß der See-Gebräuche: denn wir sind der Ansicht, daß es kein Seemann lesen wird, ohne die einfachsten und verständlichsten Schlüssel zu all den Geheimnissen zu finden, die vielleicht einen Bewohner des Festlandes verwirren könnten. Nicht ein einziger zauberhaft dünkender Vorfall sollte unerklärt bleiben; auch glauben wir nicht, daß irgend etwas im Buche dem mit dem Ocean vertrauten Leser wirklich räthselhaft erscheinen wird, wenn er nur dazu die gewöhnliche Aufmerksamkeit mitbringen will.

      Die örtlichen Schilderungen dürfen wir für so naturgetreu als möglich halten, und auch eine sorgfältig wiederholte Prüfung seiner Arbeit hat den Verfasser nichts entdecken lassen, was der Wahrscheinlichkeit oder der Wahrheit Gewalt anthäte, wenn man anders die selbstverstandenen Vorrechte des Dichters nicht absichtlich außer Augen lassen will.

      London, Oktober 1833.

      Erstes Kapitel

Soll diese Red' uns zur Entschuld'gung dienen? Wie? oder treten wir nur grad' hinein?
Romeo und Julia.

      Innerhalb des vierzigsten und des einundvierzigsten Grades nördlicher Breite erhält der Ocean den Zoll der vier großen Flüsse Hudson, Hackensack, Passaic und Rariton und einer Menge von geringerer Bedeutung. Aus dem Zusammenfluß aller dieser Gewässer entsteht die herrliche Bucht, welche in der bezeichneten Erdgegend die amerikanische Küstenlinie durchbricht. Den Stürmen der offenen See verschließt die glückliche Lage der Inseln Nassau und Staaten den Zutritt in das Innere, während die tiefen, breiten Meeresarme dem Welthandel wie dem Binnenverkehr die wünschenswerthesten Erleichterungen bieten. Dieser trefflichen Vertheilung von Land und Wasser, verbunden mit einem gemäßigten Klima, verdankt die Stadt New-York, in der Mitte der Bucht und vor einem nach allen Richtungen hin von Kanälen und Flüssen durchschnittenen unermeßlichen Innern gelegen, ihr außerordentliches Aufblühen. Fehlt es auch keineswegs den Gestaden dieser Bai an Schönheiten der Natur, an reizenden Aussichten, so wird sie doch in dieser Beziehung von vielen übertroffen; dagegen dürfte die Erde schwerlich noch einen Punkt aufzuweisen haben, dem die Natur die Mittel zum Wachsthum und Gedeihen eines ausgebreiteten Handels in solcher Fülle geschenkt hätte. In ihren Gunstbezeugungen unermüdlich, hat sie der Insel Manhattan einen Punkt angewiesen, der für die Lage einer Stadt der erwünschteste ist. Bewohnten selbst Millionen diesen Fleck, so könnte ein Schiff doch vor jeder Thüre seine Ladung einnehmen. Des Bodens Oberfläche hat nicht mehr Unebenheiten, als die Gesundheit und die Reinlichkeit erfordern, und sein Schooß trägt in Fülle das zum Bauen unentbehrlichste Material.

      Jedermann weiß, was dieses so außergewöhnliche Zusammenwirken günstiger Umstände zu Stande gebracht hat. Ein kräftiges, gesundes und stetiges Wachsen, selbst in der Geschichte dieses eigenthümlichen, glücklichen Landes ohne Beispiel, hat die unbedeutende Provinzialstadt des verstoßenen Jahrhunderts bereits auf gleiche Höhe mit den Städten zweiten Ranges auf der andern Halbkugel erhoben. Schon wetteifert das Neu-Amsterdam dieses Festlandes mit seiner Mutterstadt auf dem östlichen, und, sofern der Mensch irgend eine Voraussagung wagen darf, wird es binnen wenigen, kurzen Jahren den Vergleich mit Europa's stolzesten Hauptstädten nicht scheuen dürfen.

      Fast scheint es, als hätte die Natur nicht blos dem Thierleben seinen Stufengang vorgeschrieben, sondern auch jedem sittlichen und politischen Emporstreben Gränzen gesetzt. Immer weiter wird der leere Raum zwischen den verfallenen Mauern und den Gebäuden in der einstigen Stadt der Medici, gleich der verschrumpfenden Menschengestalt sich verlierend »in den mageren bepantoffelnden Pantalons;« die Spuren der Königin des adriatischen Meeres, die auf ihren schlammigen Eilanden schläft, ja selbst die Spuren Roms, sind gesunkene Tempel, begrabene Säulen: unterdessen verbreitet sich die jugendliche Kraft Amerika's über die Wildnisse des Westen, und füllt sie mit den glücklichsten Früchten des menschlichen Gewerbfleißes an.

      Gewöhnt an die Wälder von Mastbäumen, an die meilenlangen Kais, an zahllose Villen, Hunderte von Kirchen und Palästen, an die rauchenden geschäftigen Fahrzeuge, von denen die Bai wimmelt, an das tägliche Wachsen und lebendige Regen überall in seiner Vaterstadt, wird der Manhattanese die Umrisse des Bildes kaum wieder erkennen. Ja, das nächste Geschlecht lächelt vielleicht, daß die Stadt sogar in ihrer gegenwärtigen Lage ein Gegenstand unserer Bewunderung seyn konnte; – und doch steigen wir in kein hohes Alterthum hinauf, der Leser soll sich mit uns nur um ein Jahrhundert in die junge Geschichte seines Vaterlandes zurückversetzen.

      Als am Morgen des dritten Juni 171 – die Sonne aufging, hörte man, auf den Gewässern des Hudson einhergewälzt, den Knall einer Kanone. Eine Rauchwolke kam aus der Schießscharte einer kleinen Festung hervor, welche auf der Landspitze lag, da wo der Fluß und die Bai ihr Wasser vereinigen. Der Knall war noch nicht verhallt, da stieg eine Flagge empor, und als


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