Die Wassernixe. mehrbuch

Die Wassernixe - mehrbuch


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man die dunkeln Masten eines Schiffes, matt hervorgehoben durch den grünen Hintergrund der Höhen auf der Insel Staaten. Jetzt zog eine kleine Wolke über diesen Gegenstand, und alsbald ertönte, schwerfällig daherrollend, das erwiedernde Signal. Aus der Ferne ließ sich nicht erkennen, welche Flagge der Kreuzer aufzog.

      Genau in dem Augenblick, wo der Lärm der ersten Kanone erschallte, öffnete sich die Thüre eines der ansehnlichsten Gebäude in der Stadt, und ein Mann, höchst wahrscheinlich der Hausherr, trat in den »Stoop«,Da New-York holländischen Ursprungs ist, so findet man noch heut zu Tage dort viele Gebräuche, die an dieses Land erinnern. Die meisten Häuser haben solche hohe Niederländische »Stoops«. – Die Straßen sind vielfach mit Bäumen besetzt und beinahe jedes nicht aus Stein aufgeführte Gebäude ist bemalt wie man noch jetzt die unbequemen Hauseingänge dort zu benennen pflegt. Er schien gerüstet, als wenn er im Begriff stände, eine Reise anzutreten, die einen Tag dauern könnte. Ihm folgte bis zur Thürschwelle ein Schwarzer von mittlerem Alter, und ein zweiter, noch ein Knabe, trug ein kleines Bündel unterm Arm, das wahrscheinlich die zur Bequemlichkeit des Herrn unentbehrlichsten Sachen enthielt.

      »Sparsames Wirtschaften, Herr Euclid, sparsames Wirthschaften ist dir der wahre Stein der Weisen;« sagte der Hausherr in volltönigem breitem HolländischDie hier gemeinte Sprache heißt zwar in unserem Buche, wie überhaupt in Amerika, Holländisch, der Verfasser mußte sich aber bei einer spätern Prüfung an Ort und Stelle überzeugen, daß es eigentlich der Flämische Dialekt war zu seinem obersten Sklaven, wahrscheinlich als Schluß bereits schon ertheilter Abschieds-Instruktionen. »Sparsames Wirthschaften hat noch Niemand zum Bettler, aber schon Manchen reich gemacht. Durch Sparsamkeit ist mein Haus zu seinem Kredit gelangt, und, ich darf es immer selbst sagen, breitere Schultern und festeres Fußgestell hat kein Kaufmann in den Kolonien aufzuweisen. Du, Schelm, bist blos der Abglanz von deines Herrn Wohlgedeih'n; um so nöthiger also, daß du auf seinen Vortheil bedacht seyest. Wenn der Körper abzehrt, was wird dann aus dem Schatten! Wenn ich schwächlich werde, wirst du krank; wenn ich hungere, so kannst du verhungern; sterbe ich, so kannst du – hum – Hör', Euclid, unter deine Aufsicht stelle ich, so lange ich abwesend bin, Güter und Geräthe, Haus und Stallung; auch hast du dafür zu sorgen, daß mein Charakter bei den Nachbarn keinen Schaden erleide. Ich gehe nach ›Lust in Ruhe‹, um einen Mundvoll frische Luft zu schöpfen. Pest und Fieber! ich glaube, die Leute werden nicht eher aufhören, in diese Stadt zu ziehen, bis sie so verpestet ist, wie Rotterdam in den Hundstagen. Du, Junge, bist jetzt in den Jahren, wo man anfängt vernünftig zu werden; ich erwarte also, selbst wenn ich dich nicht unter Augen habe, geziemende Wachsamkeit und Diskretion in der Hausumgebung. Denn, hör' mal, Bengel, der Charakter deiner Sippschaft will mir nicht ganz gefallen; er ist gar nicht so respektabel, wie er sich für den vertrauten Bedienten eines Mannes von gewissem Range in der Welt geziemt. Deine beiden Vettern da, der Brom und der Kobus, sind nicht viel besser, als ein Paar gemeiner Schufte; und der engländische Neger, der Diomed, der ist vollends ein kleiner Teufel. Die andern Schlösser stehen schon unter deiner Bewachung: hier hast du auch den Stallschlüssel;« dabei zog er das genannte Instrument mit sichtbarem Zwang aus der Tasche. »Nicht ein Huf soll zum Stall heraus, außer wenn's zur Schwemme geht – und daß jedes Thier sein Futter zur rechten Zeit bekomme, bis auf die Minute! Ihr Quartiermeister des Satans! so ein Neger in Manhattan glaubt, ein flamländischer Wallach sey ein schmächtiges Windspiel, nie außer Athem; da geht's denn Nachts im wilden Galopp die Heerstraße entlang, wie eine Uankih-Here durch die Lüfte auf einem Besenstiel – aber gib Acht, Meister Euclid! ich habe Augen im Kopf, wie du aus bitterer Erfahrung weißt! Oder hast du schon vergessen, Schlingel, wie ich dich im Haag die Bestien den Leydener Damm entlang reiten sah, als wenn der Teufel sie spornte, ohne Erbarmen, wie ohne Erlaubniß?«

      »Immer mir will vorkommen, daß ein boshafter Ohrenbläser damals dem Masser es gesagt hat;« erwiederte der Neger mürrisch, obgleich nicht ohne Zagen.

      »Die Ohrenbläser waren seine eigene Augen. Hätten Herren keine Augen, die Neger würden die Welt auf den Kopf stellen! Jede schwarze Ferse auf der Insel steht in dem großen Buche eingezeichnet, in dem ich, wie du weißt, so oft blättre, besonders an Sonntagen; und wenn sich einer von den genannten Hetz-Kerlen untersteht, meinen Boden zu betreten, so soll er sich auf einen Besuch bei dem Stadt-ProfosDer Beamte, der die Peitschenstrafe an dem Neger zu vollziehen hatte, so lange New-York noch Sklavenstaat war gefaßt halten. Was denken sich die wilden Katzen! Glauben sie, die Wallachen sind in Holland gekauft worden mit Kosten für's Zureiten, Einschiffen, Assecuriren, Fracht und Risiko von Krankheiten, damit ihnen hier das Fleisch von den Rippen abschmelze wie ein Küchentalglicht?«

      »In'r ganzen Insel nix wird gethan, wo nicht ein farbiger Mensch es soll haben gethan! Er das Unheil thut, und alle Arbeit er auch thut! Möchte wohl wissen, was für Farbe Masser glaubt, daß der Kapitän Kiod hat gehat?«

      »Der war, schwarz oder weiß, ein Erzschelm; dafür weißt du auch, was für ein Ende er genommen. Ja, ja, der Wasserdieb hat seine schlechten Streiche höchst wahrscheinlich damit begonnen, daß er bei Nacht die Pferde der Nachbarn ritt. Sein Schicksal sollte jedem Neger in der Kolonie eine Warnung seyn. Diese Höllenbrut! Den Engländern fehlt es doch zu Hause nicht an Schelmen, daß sie uns den Piraten nicht lassen konnten, damit wir ihn in den Inseln als eine Vogelscheuche für unsere Schwarzen aufknüpften.«

      »Na, ich glaube, der Anblick einem Weißen auch nit gerade könnte schaden;« erwiederte Euclid, der die ganze Keckheit eines verzogenen holländischen Negers auf seltsame Weise mit wahrer Anhänglichkeit für den Herrn, in dessen Diensten er geboren war, vereinigte. »Ich jedermann doch höre sagen, es waren nur zwei farbige Mensch in'm Schiff, und die noch dazu in Guinea geboren waren.«

      »Willst du wohl bescheidener sprechen, du Nacht-Trotter! hab' Acht auf meine Wallachen. – Da – da hast du zwei holländische Gilders, drei Stüber und einen spanischen Piaster; der eine Gilder ist für deine betagte Mutter, und mit dem Rest kannst du dir in den Lustbarkeiten zu PausOstern – für die Neger in New-York eine Zeit großer Lustbarkeiten was zu gute thun. Hör' ich, daß einer deiner spitzbübischen Vettern oder der englische Diomed eine meiner Bestien geritten hat, so mag sich ganz Afrika in Acht nehmen. Hungersnoth und Skelette! ich quäle mich nun schon sieben Jahre hier, die Klepper zu mästen, und noch sehen sie einem Paar Wiesel ähnlicher, als soliden Wallachen.«

       Den Schluß dieser Rede bekam der Namensvetter des großen Mathematikers nur halb zu hören, die andere Hälfte brummte der Bürger im Selbstgespräche beim Fortgehen vor sich hin. Während dieser Abschiedspredigt war die Miene dessen, dem sie gehalten wurde, etwas zweideutig. Es kämpfte offenbar in seinem Innern die angeborne Liebe zum Ungehorsam mit der geheimen Furcht vor der Spionirkunst seines Herrn. So lange dieser noch im Gesichte blieb, haftete der zweifelnde Blick des Schwarzen an seiner Gestalt; kaum aber war sie um eine Ecke herum, so wechselte er mit einem Neger an einer nahen Hausthür Blicke, dann nickten sie bedeutsam mit den Köpfen, brachen in ein helles Gelächter aus und verschwanden. Die Nacht kam heran, und der vertraute Diener nahm sich der Angelegenheiten seines verreisten Herrn mit der Treue und Sorgfalt eines Menschen an, welcher weiß, daß seine Existenz gänzlich von dem Eigenthümer seiner Person abhängt. Schlag zehn Uhr jedoch bestieg er und des Nachbars Neger die trägen, überfütterten Pferde, und nun ging's im Galopp so schnell als die Füße sich nur bewegen konnten, mehrere Meilen landeinwärts, nach einem der gewöhnlichen Sammelplätze der Neger, wo eben eine Lustbarkeit vor sich ging.

      Hätte der Stadtrath Myndert Van Beverout geahnet, wie bald nach seiner Abreise ihm so mitgespielt werden würde, so würde er wahrscheinlich nicht mit so gelassener Miene vorwärts geschritten seyn. Die selbstgefällige Ruhe, verbreitet über Züge, die überhaupt nicht leicht in eine gewaltsame Lage zu versetzen und noch schwerer in solcher zu erhalten waren, zeugte von dem Vertrauen Myndert's in die Wirksamkeit seiner Drohungen. Dieser wohlhabende Bürger war nicht viel über die fünfzig, und ein englischer Witzbold, der aus seinem Mutterlande den brittischen Humor mit eingeführt hatte, sagte einst, als die Herren im Magistrat miteinander wetteiferten, wer am witzigsten sey, Rathsherr Van Beverout sey ein Mann von lauter Alliterationen. »Denn,« sagte er, als man ihn über diesen Bruch parlamentarischer Schicklichkeit zur Rede stellte und eine Erklärung verlangte, der Alderman ist, was anbelangt den Körper, kurz, knollig und körnig, was angeht die Physiognomie, pausbackig, purpurn und putzig, und in Hinsicht auf Stimmung


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