Die Wassernixe. mehrbuch

Die Wassernixe - mehrbuch


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wiewohl in physischer Beziehung die Schilderung so richtig und genau war, als sie zu unserer Erzählung nöthig ist, und wir brauchen für jetzt nichts weiter zu erinnern, als daß wir einen Junggesellen und sehr begüterten schlauen Händler vor uns sehen.

      Die frühe Stunde, in welcher dieser handelsfleißige, blühende Kaufmann seine Wohnung verließ, hinderte nicht, daß er durch die engen Straßen seines Geburtsortes mit abgemessenen, gravitätischen Schritten einherging. Mehr als einmal blieb er stehen, erkundigte sich bei dem bevorzugten Bedienten der einen und andern Familie nach dem Wohlbefinden seines Herrn, und endigte jedesmal das Gespräch mit einem harmlosen Scherz auf den angeredeten Sklaven. Es scheint daher, daß der ehrenwerthe Städter zwar etwas übertriebene Ansichten von Hausdisciplin hegte, aber keineswegs ein Vergnügen an solchen Drohungen fand, wie wir ihn haben ausstoßen hören. Er hatte eben einen solchen auf der Straße sich herumtreibenden Neger entlassen, als ihm beim Wenden um eine Ecke ein Weißer, der erste an diesem Morgen, unvermuthet entgegen trat. Etwas erschrocken machte der Bürger unwillkürlich eine ausweichende Bewegung; als er aber sah, daß es nicht gelingen wollte, fügte er sich in die Notwendigkeit mit so guter Miene, als wenn er die Zusammenkunft gesucht hätte.

      »Das Tagesgestirn – die Morgensalve – und der Herr Stadtrath Van Beverout!« rief ihm der Unerwartete entgegen. »Das ist in dieser frühen Stunde, bei jeder neuen Umkugelung dieses Erdballs, die Folgereihe der Dinge.«

      Bevor der Aldermann diesen vertraulichen und etwas scherzhaften Gruß gehörig zu erwiedern hatte, fand er gerade noch Zeit genug, seine Fassung wieder zu gewinnen. Er zog den Hut, verbeugte sich steif und gab eine Antwort, die dem Aufdringling wenig Ursache ließ, sich seines Scherzes zu freuen.

      »Die Kolonie mag mit Recht bedauern, daß sie die Dienste eines Gouverneurs entbehren soll, der sein Bett so früh verläßt. – Daß wir Geschäftsmenschen bei Zeiten rührig sind, ist ganz in der Ordnung, gewiß aber würden manche Städter kaum ihren Augen trauen, wenn sie so glücklich wären, jetzt an meiner Stelle zu stehen.«

      »Sir, es gibt in dieser Kolonie Viele, die große Ursache haben, ihren Sinnen zu mißtrauen, obgleich Niemand irren wird, wenn er in einem zweckmäßig beschäftigten Manne den Rathsherrn Van Beverout vor sich zu sehen glaubt. Wer mit dem Erzeugniß des Bibers handelt, muß ja wohl auch die Ausdauer und vorsichtige Klugheit dieses Thiers besitzen. Fürwahr, wäre ich ein Wappenkönig, so würde ich Herrn Myndert einen Schild beilegen mit jenem beißenden Thier, einem Pelzmantel, zwei Mohawk-Jägern als Schildhalter, und der Devise: »Industrie«.«

      »Oder was denken Sie, Mylord,« erwiederte der Andere, dem die aufziehende Bemerkung nicht ganz gefallen wollte, »von einem blanken Schild für ein reines Gewissen, zum Helm eine flache Hand, mit der Devise: »Mäßigkeit und Gerechtigkeit«?«

      »Hm, die offene Hand gefällt mir, obgleich das Bild etwas anspruchsvoll ist. Ich sehe, Sie wollen damit sagen, daß die Van Beverout nicht jetzt noch nöthig haben, sich in einem Wappenamte nach Ehrenzeichen umzusehen. Auch fällt mir eben ein, daß ich schon einmal Ihr Wappen gesehen haben muß; eine Windmühle im Gange; ein Damm geschlängelt; Feld, grün, mit Schwarzvieh gesprenkelt – Nicht? nun denn, so trügt mich mein Gedächtniß; die Morgenluft ist voller Nahrung für die Einbildungskraft.«

      »Die freilich eine Münze ist, mit welcher kein Gläubiger sich will abspeisen lassen, Mylord,« sagte der kaustische Myndert.

      »Da sprechen Sie eine Bitterkeit, aber zugleich eine Wahrheit aus. Dies ist indessen kein kluger Schritt, Rathsherr, einen Mann von Stande gleich Hamlet's Geist bei Nacht aus dem engen Hause herauszulassen, und ihn beim ersten Hahnenschrei wieder einzusperren. Das Ohr der Königin, meiner Cousine, ist vergiftet worden, ärger als das Ohr des »gemordeten Dänemark«, sonst würde der Anhang dieses Herrn Hunter wenig Ursache zum Triumphiren haben.«

      »Sollte es nicht möglich seyn, denjenigen, welche die Thüre verschlossen haben, solche Toasts beizubringen, daß Ew. Herrlichkeit dadurch in Stand gesetzt würden, dem königlichen Ohr das Gegengift einzuflößen?«

      Diese Frage berührte eine Saite, welche des Anderen Weise gänzlich veränderte. Seine Manier, bis jetzt die eines scherztreibenden Vornehmen, ward würdevoller, ernster. Seinen Zügen, seiner Kleidung und seiner sonstigen Haltung war freilich der Charakter eines Lüderlichen aufgestempelt, doch an der Seite des langsam einherschreitenden, untersetzten Aldermans war es leicht bemerkbar, daß der schlanken und nicht uneinnehmenden Gestalt des Ex-Gouverneurs jene einschmeichelnde, gewinnende Leichtigkeit nicht fehlte, die sich durch langen Umgang mit guter Gesellschaft selbst von dem Ruchlosesten erwerben läßt.

      »Ihre Frage, mein würdiger Sir, zeugt von großer Herzensgüte und bestätigt den allgemeinen Ruf, in welchem Sie bei Allen wegen Ihrer Großmuth stehen. Wahr ists, man hat die Königin zu überreden gewußt, den Befehl zu meiner Zurückberufung zu unterzeichnen, auch ist es nicht minder gewiß, daß sich Herr Hunter im Besitz meiner Charge sieht; doch diese Dinge lassen sich ändern, werde ich nur in eine Lage versetzt, die mir den Zutritt zu meiner Cousine möglich macht. Ich stelle gewisse Unklugheiten nicht in Abrede, Sir; sie läugnen zu wollen würde sich schlecht schicken, wenn ein Mann von der strengen Tugend des Rathsherrn Van Beverout dabei steht. Ich habe meine Fehler; vielleicht wäre es besser gewesen, wenn, wie Sie so eben anzudeuten beliebten, Mäßigkeit mein Wahlspruch gewesen wäre; allein Sie werden auch nicht läugnen, Sir, daß eine offene Hand in meinem Wappen nicht am unrechten Ort stehen würde. Habe ich meine Schwachheiten, so müssen doch selbst meine Feinde eingestehen, daß ich nie einen Freund im Stich gelassen habe.«

      »Da ich nie Gelegenheit hatte, Ihre Freundschaft in Contribution zu setzen, so werde ich mich hüten, der Erste zu seyn, der eine solche Klage gegen Sie vorbrächte.«

      »Ihre Unparteilichkeit ist zum Sprüchwort geworden! »So ehrlich wie Alderman Van Beverout«; »so großmüthig wie Alderman Van Beverout«, sind jedem Mund geläufige Ausdrücke. Einige sagen auch: »so reich«; (hier blinzelte das kleine blaue Auge des Bürgers). Doch Ehrlichkeit, Reichthum und Großmuth haben, ohne Einfluß, wenig Werth. Die Menschen sollten in der Gesellschaft die Stellung einnehmen, welche die Natur ihnen angewiesen hat. Diese Kolonie ist mehr eine holländische denn eine englische; demungeachtet finden sich, wie Sie wissen, auf der Liste des Verwaltungsraths nur wenige Namen, die man hier vor einem halben Jahrhundert gekannt hätte! Da haben wir die Familie Alexander und Heathcote, die Familien Morris und Kennedy, die Familien de Lancey und Livingston, welche Rathszimmer wie Parlamentshallen füllen, aber wenige Van Rensselaers, Van Courtlandts, Van Schuylers, Van Stuyvesants, Van Beckmans und Van Beverouts sind da zu finden, wo man sie von Rechtswegen finden sollte. Alle Nationen und Glaubensgenossen stehen höher in der königlichen Gunst denn die Kinder der Patriarchen dieser Kolonie. Die Böhmischen Felips, die Hugenotten de Lancey, Bayard, Jay, die Königsfeinde Morris und Ludlow – kurz Alle genießen größere Achtung in den Augen der Regierung, als die älteste Familie, die der Patroon!«

      »So verhält es sich in der That schon lange; ich kann mich nicht entsinnen, wann es anders wär' gewesen.«

      »Es läßt sich nicht läugnen. Es würde indeß mit einer klugen Politik schlecht übereinstimmen, bei Beurtheilung der Menschen den Schein der Raschheit anzunehmen. Wenn dasselbe Vorurtheil meiner eigenen Verwaltung vorgeworfen werden kann, so beweist dies nur um so klarer, wie sehr falsch die Sachen zu Hause dargestellt werden. Mir fehlte blos Zeit um meinen Geist aufzuklären, man hat sie mir aber nicht gegeben. Nur noch ein Jahr, mein würdiger Sir, und der Verwaltungsrath würde mit lauter Van's besetzt gewesen seyn.«

      »In dem Fall, Mylord, hätte sich allerdings die unglückliche Lage, in der Sie sich jetzt befinden, vermeiden lassen.«

      »Und ist es denn zu spät, dem Uebel Einhalt zu thun? Man sollte doch endlich einmal die Königin enttäuschen, ihre Gunst wieder zu gewinnen suchen. Und nichts als Gelegenheit braucht es, daß solche Gerechtigkeit ausgeübt werde. Mir blutet das Herz. Sir, wenn ich denke, daß diese Schande Jemand trifft, der dem königlichen Geblüt so nahe steht!Lord Cornbury, der lasterhafte Gouverneur von New-York, war der Enkel des großen Grafen Clarendon und ein leiblicher Vetter der Königin Anna 's ist ein Makel in dem Wappenschild der Krone, und jedem treuen Unterthan muß daran gelegen seyn, ihn zu tilgen; überdies gehört gar nicht viel dazu, bloß


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