Die Wassernixe. mehrbuch

Die Wassernixe - mehrbuch


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es nicht, der Zeit zuvorzulaufen, noch hinter ihr zurückzubleiben.«

      Mit diesen und ähnlichen Worten machte der gute Städter, welcher das Thun und Lassen Anderer gern überall nach dem seinigen eingerichtet hätte, seinem Unmuth Luft, und eilte dabei mit seinem Reisegefährten vorwärts, um das langsam bewegte Boot, das sie aufnehmen sollte, noch einzuholen. Eine gedrängte Schilderung der Scene hat vielleicht einiges Anziehende für eine Generation, die, verglichen mit jener Zeit, eine späte genannt werden kann.

      Eine tiefe, schmale Bucht drang an diesem Punkt eine Viertelmeile weit in die Insel. An beiden Ufern standen Häuserreihen, so daß das Ganze das Ansehen eines holländischen Kanals gewann. Da man sich nothwendig nach dem natürlichen Laufe des Einschnitts richten mußte, so hatte die Straße eine dem Neumond ähnliche Biegung genommen. Die Häuser waren im strengsten holländischen Styl, niedrig, winkelig, reinlich bis zum Aengstlichen, und alle mit Giebelfronten. Keinem fehlte der unschöne und unbequeme Eingang, die sogenannte Stoop, noch die Fahne oder der Wetterhahn, noch die Dachfenster, noch endlich die abgestuften Mauern mit Zinnen. Von der Spitze einer dieser Mauern ragte ein mäßiger eiserner Krahn in die Straße herüber, an dessen Ende ein kleines Boot von demselben Metall sich hin und her schaukelte, zum Zeichen, daß dies das Schifferhaus sey.

      Wahrscheinlich hatte die angeborne Liebe zur Künstlichkeit und Umschränkung in der Schifffahrt die Bürger einen solchen Fleck zum Abfahrtsort so vieler Fahrzeuge wählen lassen; denn allerdings boten die beiden Flüsse, mit ihren breiten, freien Kanälen, mehr als einen Punkt dar, welcher zweckmäßiger gewesen wäre.

      Schon wimmelte die Straße mit etlichen vierzig Schwarzen, die ihre Reisigbesen in die Bai tauchten, und die Haupt- und Seitenwege mit Wasser besprengten. Diese täglich wiederkehrende Arbeit, leicht an und für sich, machten sie sich noch leichter durch laute Scherze und helles Gelächter, worin die ganze Straße, wie angesteckt von der sorgenfreien, freudigen Geistesstimmung, im vollen Chor einstimmte. Die Sprache dieses leichtherzigen, lärmenden Völkchens war holländisch, aber schon durch englische Wendungen und Wörter verdorben. Und wahrscheinlich ist es dieser Gang, den der Sprachwechsel genommen, welcher viele Nachkommen der alten Kolonisten auf die Meinung bringt, daß die letztere Sprache überhaupt nur ein verdorbener Dialekt der ersteren sey. Nun geht's aber diesen guten Leuten so, wie gewissen belesenen englischen Gelehrten, welche, wenn sie anfangen die Nase in die Werke der Festländer zu stecken, gleich literarische Diebstähle riechen: sie wissen nicht, daß Englands Sprache dem in Rede stehenden Dialekt eben so viel geliehen hat, als sie je aus den reineren Quellen der holländischen Schule geschöpft.

      Hier und da guckten ernste Bürger, die Nachtmütze noch auf dem Kopf, aus obern Fenstern, und lauschten den barbarischen Sprachverdrehungen und den von Mund zu Mund fliegenden Spässen mit unbezwinglicher, von keiner Ausgelassenheit des Straßenvölkchens zu erschütternder Gravität.

      Da die Bewegung des Fahrboots nothwendig nur langsam war, konnte der Alderman und sein Gefährte noch einsteigen, ehe die Bindseile eingezogen waren. Die Pirogue, wie diese Gattung von Fahrzeugen hieß, hatte eine gemischte, halb europäische, halb amerikanische Bauart. Sie war lang, schmal und von nettem Bug, wie das Canoe, dessen Namen sie führte; dagegen hatte sie den Flachboden und die Lee-Planken eines, für die seichten Gewässer der Niederlande berechneten Bootes. Noch vor zwanzig Jahren war diese Art Fahrzeuge in Menge auf unsern Flüssen, und selbst jetzt sieht man sie alle Tage mit ihren zwei langen, ungestützten Masten, ihren hohen, spitz zulaufenden Segeln, wie Schilf sich vor dem Winde beugen und leichtfüßig auf den Wellen der Bai tanzen. Uebrigens gibt es von dieser Gattung eine Art, die bei weitem größer und imposanter ist, als die eben erwähnte und die einen Platz unter den groteskesten und malerischsten Fahrzeugen verdient. Wer je die südliche Küste des Sundes beschifft hat, dem muß das Schiff, das wir meinen, oft vorgekommen seyn. Es zeichnet sich durch seine große Länge und durch Masten aus, die, frei von allem Tauwerk, gerad und kühn, wie zwei hohe, fehlerlose Bäume, aus dem Rumpf emporsteigen. Wenn das Auge die waghalsige Höhe der Segel, das edle Vertrauen der Takelage erschaut, und dabei zwei unerschrockene, gewandte Seeleute die verhältnißmäßig ungeheure Maschine mit Leichtigkeit und Anmuth handhaben sieht, so gleicht die Bewunderung derjenigen, welche der Anblick eines im strengsten alterthümlichen Styl erbauten Tempels erregt. Das klare, einfache Gebäu, verbunden mit der Verwegenheit und Schnelligkeit seiner Bewegungen, verleiht ihm einen Ton des Großartigen, den man bei dem Alltagsgebrauch des Fahrzeugs nicht erwarten sollte.

      Die ursprünglichen Ansiedler New-Yorks waren, ungeachtet ihres häufigen Verkehrs mit dem Wasser, bei weitem nicht solche nichtsscheuenden Seeleute wie ihre Nachkommen heutigen Tags. Eine Fahrt über die Bai war eine Seltenheit in dem geräuschlosen Bürgerleben, ja Viele mögen sich noch erinnern können, daß eine Seereise zwischen den zwei vorzüglichsten Städten des Staats als ein Ereigniß angesehen wurde, welches Verwandte besorgt und die Reisenden selbst ängstlich machte. Die Gefahren des Tappaan Zees, wie noch heute eine der breiteren Ausdehnungen des Hudson genannt wird, waren oft das Sujet der Wundermährchen im Munde der guten Hausfrauen in der Kolonie, und diejenige unter ihnen, welche sie am häufigsten bestanden hatte, galt für eine Art Wasser-Amazone.

      Drittes Kapitel.

»Der Kerl gereicht mir zu großem Trost; mir däucht, er sieht nicht nach dem Ersaufen aus: er hat ein ächtes Galgengesicht!
Der Sturm.

      Wie gesagt, die Pirogue war schon in Bewegung, ehe noch unsere zwei Abenteurer an Bord derselben zu gelangen vermochten. Die Ankunft des Patroon von Kinderhook und des Stadtraths Van Beverout wurde erwartet, und der Schiffer hatte genau in dem Augenblick, wo die Ebbe eintrat, abgestoßen, bloß aus jenem hochfahrenden, Leuten seines Gewerbes so wohlthuenden Unabhängigkeitsgefühl, um zu zeigen, daß ›Zeit und Fluth auf keinen Menschen warten.‹ Inzwischen trieb er seinen Trotz nicht zu weit, sondern trug Sorge, daß die Bewegung des Bootes einen so wichtigen und beständigen Kundsmann als den Rathsherrn, keiner erheblichen Unbequemlichkeit aussetzte. Als er und sein Freund eingestiegen waren, wurden die Bindseile an Bord geworfen, und die Mannschaft gab sich nun ernstlich daran, ihrem Fahrzeuge die gehörige Richtung nach der Mündung der Bucht zu geben. Während die Bootsleute so beschäftigt waren, saß ein junger Neger auf dem Bug der Pirogue, und ließ auf jeder Seite des Schafts ein Bein baumeln, so daß er eine Figur des Gallions ganz entbehrlich machte. Er setzte jetzt eine Muschel an, und mit seinen glänzend schwarzen Backen, angeschwollen wie die des Aeolus, mit einem Paar dunkler, leuchtender Augen, welche das Vergnügen aussprachen, das ihm die Muscheltöne machten, blies er in einemfort das Signal zum Absegeln.

      »Steck' deine Muschel ein, du Schreihals!« rief der Alderman, und versetzte mit seinem Rohr dem Burschen im Vorbeigehen einen solchen Streich auf die entblößte Scheitel, der selbst einen minder auf's Lärmmachen Versessenen aus aller Harmonie bringen konnte. »Tausend trompetende Winde sind die Stille selbst gegen so ein Paar Lungen! Ihr da, Meister Schiffer, ist das Eure Pünktlichkeit, abzustoßen, ehe Eure Passagiere zusammen sind?«

      Ohne sich irre machen zu lassen, oder die Pfeife aus dem Munde zu nehmen, wies der Bootsmann auf die schon zur Bucht hinausfließenden Wasserblasen – ein zuverläßiges Zeichen, daß die Ebbe bereits eingetreten war.

      »Was kümmert mich Euer Ein und Aus, Eure Ebbe und Fluth,« erwiederte der Alderman mit Hitze. »Fuß und Auge eines pünktlichen Mannes sind die besten Zeitmesser. Abfahren ehe man fertig ist, und zögern nachdem nichts mehr zu besorgen bleibt, ist gleich beschwerlich. Laßt Euch was sagen, Meister Schiffer, Ihr seyd nicht der einzige Bootseigner in dieser Bai, auch sind schon schneller segelnde Fähren vom Stapel gelaufen als die Eurige. Seht Euch vor; obgleich ich nachsichtiger Natur bin, so findet wetteifernde Opposition doch Unterstützung bei mir, wenn es das öffentliche Beste erfordert.«

      Gegen den Angriff auf sich behauptete der Schiffer eine stoische Gleichgültigkeit, aber die Eigenschaften der Pirogue konnte er nicht ruhig verunglimpfen hören, da er sich als ihren von Natur bestallten Wortführer betrachtete. Er nahm daher jetzt die Pfeife aus dem Munde, und mit jener Unumwundenheit, mit welcher die barschen Holländer jeden Beleidiger zu behandeln pflegten, gleichviel welchen Rang, welche persönliche Vorzüge er haben mochte,


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