Die Wassernixe. mehrbuch

Die Wassernixe - mehrbuch


Скачать книгу
Euch die Länge und die Breite zur Bestätigung meiner Aussage angeben kann.«

      »Ich bin der Rathsherr Van Beverout,« brummte der Gegenstand dieses neuen Angriffs zwischen den Zähnen, so daß man merken konnte, es kam ihm schwer an, von Jemandem, der seiner Zunge so freien Lauf ließ, Notiz zu nehmen.

      »Bitte tausendmal um Vergebung!« erwiederte der unbekannte Seefahrer mit einer gravitätischen Verbeugung. »Das Solide in Ew. Gestrengen Gesicht hatte mich getäuscht. Ja freilich, erwarten, daß ein Rathsherr die Lage des atlantischen Meeres kenne, ist zu viel verlangt. Aber in der That, meine Herren, ich versichere Sie, auf die Ehre eines Mannes, der in seinem Leben viel Salzwasser gesehen hat, die See, von der ich spreche, ist wirklich dort. Befindet sich etwas auf oder in ihr, was von Rechtswegen nicht auf oder in ihr seyn sollte, so wird uns der würdige Commandeur der Pirogue hier das Uebrige zu wissen thun.«

      »Ein Holzboot aus den Landbuchten hat ausgebracht, daß der Streicher durch die Meere kürzlich längs der Küste gesehen worden ist,« berichtete der Fährmann, mit imposantem Tone, wie Jemand, welcher überzeugt ist, daß er etwas allgemein Wichtiges mittheile. »Es sind doch echte Seehunde, wahre Wundermännchen, die Holzboote der Landbuchten.!« bemerkte gelassen der Fremde. »Sie können Euch des Nachts sagen, ob das Wasser roth oder grün aussieht, und steuern ewig grad' auf den Wind los, um Abenteuer aufzusuchen. Ich wundere mich nur, daß man ihrer nicht eine größere Anzahl als Kalendermacher anstellt; in dem, den ich zuletzt kaufte, war ein Gewitter unrichtig angegeben, alles aus Mangel an gehöriger Wissenschaft. Und, bitte, Freund, wer ist dieser »Streicher durch die Meere«, der seinen Lauf nach der Nadel nehmen soll, wie ein Schneider nach der löcherigen Rocktasche seines Nachbars?«

      »Die Hexen mögen es wissen! Ich kann blos sagen, daß es einen solchen Seewanderer gibt, und daß er heute hier und morgen dort ist. Einige behaupteten, es sey blos ein Fahrzeug aus Nebel, welches über den Wellenspitzen schwebt, wie eine segelnde Seemöve; Andere halten es für den Geist eines von dem Kidd im Indischen Ocean geplünderten und beraubten Schiffes, das nach seinem Gold und seinen Erschlagenen die Meere durchstreift. Ich habe es selbst einmal gesehen, aber die Entfernung war so groß, und seine Bewegungen so unnatürlich, daß ich nicht genauer berichten konnte, wie der Rumpf oder die Takelage ausgesehen hatte.«

      »So etwas kommt nicht jede Wache in's Logbuch! In welcher Richtung, in welchen Gewässern begegnetest du dem Dinge?«

      »'s war auf der Höhe des großen Kanals. Das Wetter war dick, und wir waren beim Fischen; und als der Nebel sich ein wenig hob, erblickten wir ein Schiff, küstenwärts gerichtet, und wie ein Rennpferd laufend; bis wir aber unsere Anker gelichtet hatten, wars umgeschwenkt und schon eine Stunde in die See hinein.«

      »Ein klarer Beweis, daß das Schiff, oder – Eure Phantasie sehr thätig war. Doch was für eine Gestalt hatte der Ausreißer, wie sah er aus?«

      »Das ging in's Unbestimmte. Dem Einen schien es ein vollständig getakelter, weit einschneidender Kiel; ein Anderer nahm es für ein Bermudisches Küstenboot; mir selbst aber kam es vor, wie zwanzig Piroguen, die in ein einziges Schiff zusammengezimmert sind. So viel ist inzwischen Jedermann bekannt, daß in jener Nacht ein Westindienfahrer in See stach, und daß seit den drei Jahren – so lange ist es nun her – kein Mensch in York von ihm oder seiner Mannschaft das Mindeste gehört hat. Von jenem Tage an bin ich nie wieder bei dickem Wetter an die Sandbank gefahren, um zu fischen.«

      »Daran habt Ihr wohl gethan,« bemerkte der Fremde. »Ich habe selbst viel wunderbare Gesichte auf dem rollenden Ocean gesehen, und wen sein Gewerbe nöthigt, zwischen Wind und Wasser zu liegen, wie Ihr, mein Freund, der soll sich nie einer dieser Teufelsflaggen zu nahe wagen. Ich könnte Euch eine Geschichte erzählen von einer Begebenheit in den windstillen Breiten unter der senkrechten Sonne, die allen Zuneugierigen als eine warnende Lektion dienen würde. Waghalsige Aufträge und Charakterfestigkeit sind keine Dinge für Eure bequemen Küstenfahrer.«

      »Wir haben Muße, lassen Sie hören,« sagte der Patroon, der auf das Gespräch aufmerksam geworden war, und in Alidas dunkelglänzenden Augen las, daß sie die versprochene Erzählung gern hören möchte.

      Aber plötzlich ward das Gesicht des Fremden ernst; er schüttelte den Kopf, andeutend, daß er starke Ursache habe zu schweigen, und nachdem er die Ruderpinne hatte fahren lassen, ging er nach der Mitte des Boots, zwang ganz ruhig einen dort sitzenden Landmann, der noch immer mit offenem Munde gaffte, seinen Platz zu verlassen, den er, nach der ganzen Länge der Athletengestalt, selbst einnahm; nun legte er die Hände kreuzweis über die Brust, schloß die Augen, und in weniger als fünf Minuten hatten Alle, die nahe genug waren, hörbaren Beweis, daß dieser außerordentliche Sohn des Oceans in tiefen Schlaf gesunken war.

      Viertes Kapitel.

Sey ruhig, denn der Preis, den ich dir schaffe, verdunkelt diesen Unfall –«
Der Sturm.

      Des ungekannten Seemannes Aussehen, so wie seine kühne Weise und Rede, hatte auf die Passagiere der Pirogue bezeichnend gewirkt. Die schöne Barbérie amüsirten offenbar seine Spöttereien, dies verrieth das Schelmische in ihren Augenwinkeln, trotz der Zurückhaltung, welche sie wegen seiner Ungebundenheit als Schutzmittel annehmen zu müssen glaubte. Der Patroon studirte das Gesicht seiner Angebeteten; ihn verdrossen zwar die Freiheiten des ungebetenen Gastes, doch hielt er es für das Klügste, sie mit Duldung zu behandeln, als die natürlichen Ausbrüche eines erst kürzlich von der Eintönigkeit des Seelebens befreiten Geistes. Die auf dem Antlitz des Raths thronende Ruhe war ein klein wenig zum Wanken gebracht worden, allein es gelang ihm, seine Unzufriedenheit, um anzüglichen Bemerkungen zu entgehen, zu verbergen. So stellte sich denn auch bald, nachdem derjenige, welcher in der vorhergehenden Scene die Hauptrolle spielte, sich zurückzuziehn für gut gefunden hatte, die frühere Ruhe wieder ein, als wenn er gar nicht da gewesen wäre.

      Die Pirogue, auf sinkender Fluth und vor einem wachsenden Lüftchen segelnd, hatte bald die kleineren Eilande in der Bai hinter sich, und den königlichen Kreuzer, die sogenannte Coquette, deutlicher im Gesicht. Das Schiff von zwanzig Kanonen lag in paralleler Linie mit dem Küstentheil der Insel Staaten, auf welchem das Dörfchen lag, wohin die Pirogue steuerte. Hier pflegten nämlich alle seewärtsgehenden Schiffe vor Anker zu gehen, um den rechten Wind abzuwarten; auch wurden sie hier, wie noch jetzt der Fall ist, jenen Untersuchungen und Verzögerungen ausgesetzt, die zur Sicherheit der Stadtbewohner dienen sollen. In diesem Augenblick übrigens war die Coquette das einzige Schiff auf dem Ankerplatz, denn vor hundert Jahren gehörte die Ankunft eines Kauffahrers aus einem entfernten Hafen noch nicht zu den Alltagsbegebenheiten.

      Der Seeweg des Fährbootes brachte es innerhalb fünfzig Fuß von der Kriegsschaluppe, und im Verhältniß mit ihrem Herannahen stieg die neugierige Aufregung der am Bord Befindlichen.

      Der Schiffer, in der Absicht, sich seinen Kundsleuten und Gehülfen willfährig zu zeigen, machte Miene, den dunkeln Planken des Kreuzers so nahe, als möglich, zu kommen. Dies bemerkte der Alderman, der polternd rief:

      »Gebt Eurer Milchmagd mehr Spielraum! Alle Seen und Meere! ist Eure Yorker Bai nicht weit genug, daß Ihr den Kanonen des trägen Schiffes dort den Staub aus den Mäulern bürsten müßt! Wüßte die Königin, wie die Schlingel von Müßiggängern ihr Geld verfressen und versaufen, sie würde sie bald auf die Jagd schicken gegen die Freibeuter in den Inselgewässern. Richte den Blick auf das Land, Alida, mein Kind, so wird der Schrecken vergehen, welchen dir der dumme Maulaffe gemacht hat; der Prahlhans wollte nur zeigen, wie gut er steuern kann.«

      Indessen war nichts von dem Schrecken, welchen der Onkel vertreiben wollte, an der Nichte zu bemerken. Im Gegentheil, statt blässer zu werden, überzog, im Verhältniß wie sich die Pirogue der Leeseite des Kreuzers näherte, eine tiefere Röthe ihre Wangen, und das schnellere Heben ihres Busens war ebenfalls schwerlich eine Aeußerung der Furcht. Diese Veränderung blieb unbemerkt, weil der nahe Anblick der schlanken Masten und des Taulabyrinths, welches den Passagieren fast über die Köpfe wegragte, Aller Aufmerksamkeit an sich gerissen hatte. Hundert neugierige Augen, einige über die oberen Stockwerke hinwegguckend, andere durch die Pfortgaten


Скачать книгу