Die Wassernixe. mehrbuch

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und des Entschiedenen in seinem Aussehen und Betragen, unterstützt durch die meisterhafte Art, wie er das Boot leitete, würde ihm Niemand die Gewalt, die er sich für den Augenblick anmaßte, streitig gemacht haben; allein was noch außerdem günstig für ihn wirkte, war die allgemeine Furcht vor dem Matrosenpressen.

      »Des Teufels Krallen!« knurrte der Schiffer. »Wenn Ihr von den königlichen Matrosen dort abhaltet, so verlieren wir freilich einiges durch Umweg, aber sie sollen's denn doch ein bischen schwer finden, mit Backstagswind die Milchmagd einzuholen.«

      »Die Königin schickt uns durch den Herrn eine Botschaft,« versetzte der Seemann; »es wäre unschicklich, wollten wir sie nicht anhören.«

      »Herangesteuert, Pirogue!« schrie nun der junge Offizier im Kutter. »Im Namen Ihrer Majestät befehle ich Euch, gehorcht!«

      »Gott erhalte sie, die königliche Dame!« erwiederte Der mit den unklaren Ankern und dem bunten Shawl, und ließ das Boot noch immer rasch recht von vorne durch die Wogen ziehen. »Wir sind ihr Gehorsam schuldig, und freuen uns, ein so nettes Herrchen mit den Pflichten ihres Dienstes beschäftigt zu sehen.«

      Jetzt waren die Boote nur noch fünfzehn Fuß auseinander. Kaum hatte die Pirogue hier Windraum gewonnen, so schwajete sie noch einmal, und begann von Neuem ihren Lauf nach dem Ufer zu. Um aber dies zu können, mußte sie sich entweder innerhalb einer Riemlänge von dem Kutter wagen, oder das Weite suchen: das letztere hatte zu sehr den Schein der Flucht, als daß Der, welcher die Pirogue leitete, ihn anzunehmen sich hätte entschließen können. Der Offizier erhob sich und griff, wie Die in der immer näher kommenden Pirogue deutlich sehen konnten, nach einem Pistol, obgleich es ihn Ueberwindung zu kosten schien, die Waffe zu zeigen. Der Seemann trat auf die Seite, wies auf die dem Kutter nun ganz bloßgestellte Gruppe hin, und bemerkte beißend:

      »Wählen Sie nun Ihren Zielpunkt, Sir; einem Mann von Gefühl muß man die Wahl anheimstellen, wenn er den Auftrag hat, auf eine solche Gesellschaft Feuer zu geben.«

      Der junge Mann ward blutroth, sowohl aus Schaam über die wenig ehrenvolle Pflicht, die er auszuführen beordert war, als aus Verdruß über seinen geringen Erfolg. Als er sich jedoch wieder gefaßt hatte, zog er sich mit einem Compliment gegen die schöne Barbérie aus dem Handel, und die Pirogue flog im Triumph vor seinem Boot vorbei. Inzwischen hatte das andere, größere, das eine Ende des Kai's erreicht, wo die Mannschaft desselben ebenfalls auf den Riemen ausruhte und die Ankunft des Fährboots ruhig erwartete. Dieser Anblick wollte dem Eigner der Milchmagd gar nicht gefallen, und mit bedenklichem Kopfschütteln wagte er es, dem kühnen Gesichte seines Passagiers eine Miene entgegen zu setzen, welche verrieth, daß er dem Ausgange der Sache nicht mehr recht traue. Diesen verließ seine Zuversicht keineswegs; im Gegentheil, er hob an, über die eben ausgeführte wagehalsige Handlung zu witzeln, sich wenig kümmernd um die Angst aller Uebrigen, wegen der Gefahr, in welcher sie noch immer zu schweben glaubten. Durch die erste Schwenkung hatte die Pirogue die Richtung luvwärts gerade auf den Kai zu erhalten, jetzt steuerte sie vollends mit dicht beim Winde gebraßten Segeln auf das Ufer los. Der erschrockene Schiffer glaubte nun nicht länger schweigen zu dürfen, und hielt dem Seemann die Folgen vor, welche eine Fortsetzung ihrer jetzigen Fahrlinie nach sich ziehen könnte.

      »Potz Schiffbruch und blinde Klippen!« schrie er; »keine holländische Galliote bliebe ganz, wenn Ihr sie mit diesem Winde nach den Stufensteinen dort lostreiben ließet. Zwar sieht kein ehrlicher Bootsmann gern einen Menschen in den Schiffsraum eines Kreuzers aufgestaut, gleich einem Dieb in seinem Gefängnißkäfig; wenn's aber dahin kommt, daß der Milchmagd die Nase zerschellt werden soll, so ist es von ihrem Besitzer zu viel verlangt, daß er dabei stehe und schweige.«

      »Nicht einem Grübchen in ihren lieblichen Backen soll ein Leid geschehen,« antwortete sein Passagier ohne die mindeste Aufregung. »Wohlan, die Segel gestrichen! wir wollen am Ufer entlang laufen, hinab bis zum Kai dort. s' wäre ungalant, meine Herren, mit dem Buttermädchen so ohne alle Umstände zu verfahren, nachdem es einen so behenden Fuß und so rasche Evolutionen zu unserem Besten an den Tag gelegt hat. Die beste Tänzerin auf der Insel hätte, selbst wenn ihr mit einer dreisaitigen Fidel aufgespielt würde, sich nicht trefflicher halten können!«

      Ehe er mit diesen Worten endigte, waren die Segel angeholt, und die Pirogue glitt, stets etliche fünfzig Fuß vom Ufer ab, zum Landungsplatze hin.

      »Jedes Fahrzeug hatte seine zugemessene Frist, gleich einem Sterblichen,« fuhr der unbegreifliche Seemann vom indischen Shawl fort. »Soll es eines plötzlichen Todes sterben, so geht es über Steuer oder Deckbalken hinunter in sein Grab, ohne Leichengottesdienst oder Kirchengebete; die Wassersucht ist Wasser im Raum; Gicht und Rheumatismus tödten wie zerbrochene Krummhölzer und lose Fugen; Unverdaulichkeit gleicht hin und her geschmissenem Ballast und triftigen Kanonen; der Galgen ist eine Bodmerei-Verschreibung nebst Gerichtssporteln, und Feuer, Ersaufen, Tod durch religiösen Tiefsinn und Selbstmord sind nichts anders, als ein nachläßiger Kanonier, eingesunkene Klippen, Irrlichter und ein fauler Schlingel von Capitän.«

      Ehe noch jemand ahnen konnte, was er vorhabe, sprang dieser seltsame Mensch aus dem Boot auf die Spitze einer von den Wellen überspülten Klippe, von da, elastisch wie eine Gemse, von einem Stein zum andern, bis er das Land völlig erreicht hatte. Es dauerte keine Minute mehr, so verschwand er zwischen den Häusern des Dörfchens.

      Daß die Pirogue den Kai unmittelbar darauf erreichte, daß die Mannschaft des Kutters saure Gesichter zu ihren getäuschten Erwartungen schnitt, und daß beide Boote sich wieder auf den Rückweg zu ihrer Coquette machten, waren eben so viele natürliche Folgen.

      Fünftes Kapitel.

Oliv. »Hat er dies geschrieben?«
Narr. »Ja, Madam.«
Was ihr wollt.

      Wenn wir sagten, Alida de Barbérie habe mit ihrer Gesellschaft den Kai verlassen, ohne einen Blick rückwärts zu werfen, um zu sehen, ob das Boot, welches den Befehlshaber des Kreuzers führte, dem Beispiel der beiden andern folge, so würden unsere Leser glauben, das Mädchen habe weniger von jener angebornen Neigung zum Gefallen gehabt, als wirklich der Fall war. Zum großen Verdruß des Aldermans, was auch immer die Gefühle seiner Nichte gewesen seyn mögen, setzte die Barke ihren Weg nach dem Ufer gemächlich fort, ein augenscheinlicher Beweis, daß dem jungen Manne an dem Ausgang der Jagd nicht sonderlich viel gelegen war.

      Die Anhöhen auf der Insel Staten waren vor hundert Jahren, so wie noch heute, mit Zwerggesträuch bedeckt. Diese dürren Gewächse waren von mehreren Fußpfaden in verschiedenen Richtungen durchschnitten, und da der Quarantaine-Grund des Dörfchens der Punkt war, von dem sie alle ausgingen, so gehörte ein geübter Führer dazu, ohne Verlust an Zeit und Weg durch dieses Gewirre hindurchzukommen. Der würdige Alderman schien indessen diesem Amte vollkommen gewachsen zu seyn; denn mit schnelleren Schritten als man sie von ihm gewohnt war, führte er seine Reisegefährten in's Dickicht, änderte häufig die Richtung, und verwirrte dadurch ihre Begriffe von den örtlichen Verhältnissen so sehr, daß wahrscheinlich kein einziger darunter seinen Weg mit Leichtigkeit aus dem Labyrinth herausgefunden hätte.

      Nachdem Myndert sich zur Genüge davon überzeugt hatte, daß dem Verfolgenden jede Spur des eingeschlagenen Weges hinlänglich verwischt sey, brach er endlich in die Worte aus: »Potz Wolken und Schattenlauben! an einem Junimorgen sind kleine Eichen und grüne Tannen doch angenehme Dinge. Zu »Luft in Ruh« sollen Sie Bergluft und Seeluft haben, um Ihren Appetit zu schärfen. Lassen Sie sich nur von Alida erzählen; das Mädchen kann bestätigen, daß ein Mundvoll von dieser Quintessenz ein besser Mittel für rosige Wangen ist, als alle Salben und Schminken, die je zu unserm Herzeleid erfunden worden sind.«

      »Wenn sich der Ort eben so sehr verändert hat, als der Weg, der dahin führt,« erwiederte die schöne Barbérie, indem ihr dunkles Auge vergebens die Richtung nach der eben verlassenen Bai wieder aufzufinden strebte, »so getraue ich mir kaum, eine Meinung über einen Gegenstand


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