Die Wassernixe. mehrbuch

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kann man auch hier auf diesem Hügel, wir sind hier eben so allein, und haben noch obendrein den Vortheil der Aussicht auf die Stadt,« bemerkte Alida mit einer Emphase, welche darauf hindeutete, daß sie sich mehr dachte als sie aussprach.

      »Das sind wir, meine Nichte, ganz allein unter uns,« erwiederte der Rathsherr, und rieb sich dabei die Hände, als wenn er sich innerlich Glück wünschte, daß dem wirklich so wäre. »Diese Wahrheit läßt sich nicht läugnen und ich sollte meinen, wir bilden eine gute Gesellschaft, obschon ich es selbst sage, der ich doch auch keine Null darin bin. Eines armen Mannes Vermögen besteht in Bescheidenheit; wenn wir aber erst in der Welt was vor uns gebracht haben, Patroon, so dürfen wir uns immerhin die Freiheit herausnehmen, von uns zu sagen, was wahr ist.«

      »In welchem Fall wenig anderes als Gutes aus dem Munde des Rathsherrn Van Beverout kommen wird,« sagte Ludlow, der von hinten, wo die Wurzeln des Baumes ihn verbargen, so plötzlich hervortrat, daß der Bürger, wie verstummt, abbrach. »Der Wunsch, Ihrer Gesellschaft das Schiff zur Verfügung zu stellen, hat mein unerwartetes Erscheinen bei Ihnen veranlaßt, daher ich hoffe, daß Sie mir verzeihen werden.«

      »Die Macht zu vergeben ist ein Prärogativ des Gouverneurs, welcher die Königin repräsentirt,« antwortete der Alderman trocken. »Wenn Ihre Majestät ihren Kreuzern so wenig Beschäftigung anzuweisen hat, daß die Herren Capitäne ihre Schiffe alten Männern und jungen Mädchen zur Verfügung stellen können – je nun, so leben wir in einer glücklichen Zeit, und der Handel muß wieder aufblühen.«

      »Wenn sich beide Pflichten vereinigen lassen, warum sollte ein Schiffsbefehlshaber es sich nicht zum Glück anrechnen, Vielen nützlich seyn zu können! Sie reisen nach dem Hochland von Jersey, Herr Alderman Van Beverout, nicht wahr?«

      »Ich reise nach einem bequemen und privaten Aufenthalt, genannt »die Lust in Ruh«, Herr Capitän Cornelius Van Cuyler Ludlow.«

      Der Jüngling biß sich in die Lippe, und seine männlich braune Wange entflammte bis zum Purpur, obgleich er die äußere Fassung nicht verlor.

      »Und ich reise nach der See,« sagte er, ohne zu zaudern. »Der Wind wird frisch, und Ihr Boot, das in diesem Augenblick, wie ich sehe, die Richtung nach den Inseln nimmt, wirb es schwer finden, seiner Gewalt zu widerstehen. Der Anker der Coquette ist in zwanzig Minuten gelichtet, und die zwei Stunden der Ebbe und des Bramsegelwindes werden eine nur zu kurze Zeit seyn für das Vergnügen, solche Gäste zu bewirthen. Gewiß bin ich, daß die Besorgnisse der schönen Alida meinen Wünschen günstig sind, obgleich es mir ein Geheimniß ist, auf welcher Seite ihre Neigungen sind.«

      »Sie sind auf Seiten ihres Onkels;« erwiederte Alida schnell. »Ich bin so wenig Matrose, daß ich, auch ohne zaghaftig zu seyn, nur klug handle, wenn ich mich auf die Erfahrung älterer Köpfe verlasse.«

      »Auf den Vorzug des größeren Alters kann ich freilich nicht Anspruch machen,« sagte Ludlow lebhaft, »allein Herr Van Beverout wird es nicht anmaßend finden, wenn ich glaube, ein eben so guter Beurtheiler von Wind und Fluth zu seyn, als selbst er.«

      »Sie sollen im Befehl der königlichen Kriegsschaluppe große Geschicklichkeit entwickeln, und es macht der Colonie viel Ehre, einen so guten Offizier hervorgebracht zu haben, wenn auch gleich Ihr Großvater, wo ich nicht irre, erst zur Zeit der Thronbesteigung Carls des Zweiten in die Provinz einwanderte.«

      »Einer Abstammung von den Vereinigten Provinzen von väterlicher Seite können wir uns allerdings nicht rühmen, Alderman Van Beverout; aber die politischen Gesinnungen meines Großvaters mögen gewesen seyn, welche sie wollen, die Unterthanentreue seiner Nachkommen ist noch nie in Zweifel gezogen worden. Es sey mir erlaubt, die schöne Alida dringend zu bitten, den Besorgnissen, die sie ganz gewiß fühlt, Gehör zu geben und ihrem Onkel einleuchtend zu machen, daß die Coquette sicherer ist, als seine Pirogue.«

      »Man versichert, es sey nicht so leicht aus Ihrem Schiff herauszukommen als hinein,« versetzte das boshafte Mädchen lachend. »Trügen gewisse Kennzeichen nicht, die wir bei unserem Hierherkommen bemerkten, so macht ihre Coquette, wie alle anderen, gern Eroberungen. Unter einem so schädlichen Einfluß befindet man sich nicht in Sicherheit.«

      »Diesen Ruf geben uns unsere Feinde; einer sehr verschiedenen Antwort versah ich mich von der schönen Barbérie.«

      Des letzten Satzes Schluß ward mit einem Nachdruck gesprochen, der das Blut in des Mädchens Adern in raschere Bewegung setzte. Ein Glück war es, daß ihre zwei Reisebegleiter keine sonderliche Beobachtungsgabe besaßen, sonst würden sie dem Verdacht Raum gegeben haben, daß zwischen dem jungen Seemann und der Erbin ein größeres Einverständniß bestehe, als sich mit ihren Wünschen und Absichten vertrage.

      »Von der schönen Barbérie hatte ich mir eine andere Antwort versprochen,« wiederholte Ludlow leiser, aber noch emphatischer als vorher.

      Der innere Kampf Alida's war sichtbar, doch besiegte sie sich, ehe ihre Verwirrung Aufsehen erregen konnte, wandte sich zu ihrem Diener und sprach mit weiblicher Gelassenheit und Würde:

      »Gib mir das Buch zurück, François.«

      »Le voici – ah, mein theures Fräulein Alida, Sie hätten sehen sollen, wie der Herr Matrose sich ärgerte, über den Ruhm und die schönen Verse unsers berühmten Herrn Pierre Corneille.«

      »Hier steht ein Englischer Seemann,« antwortete lächelnd seine Gebieterin, »der einem bewunderten Schriftsteller, wenn er auch einer Nation angehört, der man gewöhnlich eine feindliche Gesinnung gegen England zuschreibt, Gerechtigkeit widerfahren lassen wird. Herr Capitän, vor einem Monat versprach ich, Ihnen einen Band des Corneille zu leihen; erst jetzt ist es mir vergönnt, mein Wort zu lösen. Wenn Sie dem Inhalt dieses Bandes die Aufmerksamkeit geschenkt haben werden, die er verdient, so hoffe ich« –

      »Bald eine Meinung über dessen Werth zu erhalten.«

      »Ich wollte sagen, den Band; denn er ist ein Vermächtniß meines Vaters,« fügte Alida mit Festigkeit hinzu. »Vermächtnisse und ausländische Zungen!« brummte der Alderman. »Die ersteren gehen an; was aber die letzteren betrifft, so brauchte der klügste Mann nichts weiter zu lernen als Englisch und Holländisch. Ich wenigstens, Patroon, habe nie eine Abrechnung über Gewinn und Verlust in einer andern Sprache verstehen können, und selbst eine günstige Bilanz scheint nie so angenehm, als sie wirklich ist, wenn sie in einem andern Dialekt, als in diesen beiden vernünftigen aufgezogen ist. Capitän Ludlow, wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, aber so eben sagt mir einer von meinen Leuten hier, daß meine eigene Pirogue angekommen ist; ich wünsche Ihnen also eine glückliche und lange Seefahrt, wie man vom Leben zu sagen pfiegt, und Adieu.«

      Der junge Mann erwiederte die Abschiedsgrüße der Gesellschaft gleichgültiger, als die Angelegentlichkeit, mit welcher er sie vorher zur Benutzung seines eignen Schiffes zu bewegen gesucht hatte, erwarten ließ. Selbst als sie nun den Hügel hinabgingen, nach der äußern Bai zu, blieb er gelassen, und erst nachdem die Abreisenden in ein Gehölz eingetreten waren, so daß er von ihnen nicht mehr gesehen werden konnte, ließ er seinen Gefühlen freien Lauf.

      Er zog nun das Buch aus der Tasche, und an der unbändigen Hast, mit welcher er es öffnete, ließ sich leicht errathen, daß er etwas anders, als was der unsterbliche Corneille geschrieben hatte, darin zu finden hoffte – er hatte sich nicht geirrt: schnell fiel das Vermächtniß des Herrn von Barbérie vor seinen Füßen, und mit der Spannung eines Menschen, der noch ungewiß ist, ob er sein Todesurtheil oder Begnadigung lesen werde, entsiegelte und durchlief er das gefundene Billet.

      Die erste Empfindung des jungen Mannes war offenbar hohe Verwunderung. Er las, las zum zweiten Mal, schlug sich vor die Stirn, schaute um sich her auf Land und Wasser, durchlief noch einmal das Geschriebene, untersuchte die Aufschrift, welche einfach lautete: »An den Herrn Ludlow, Capitän des königlichen Schiffes Coquette;« dann lächelte er, murmelte einige Worte vor sich hin, schien verdrießlich und doch entzückt; las das Briefchen Wort für Wort zum dritten oder vierten Mal und mit einem gemischten Ausdruck des Bedauerns und der Zufriedenheit verbarg er es in die Tasche.

      Sechstes Kapitel.


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