Die Wassernixe. mehrbuch
aufnehmen; sie wird Euren forschenden Blick eben so wenig fürchten, als eine Schönheit ersten Ranges, die in einen vollen Ballsaal eintritt.«
»Gehen Ew. Gestrengen voran, ich folge Ihrem Kielwasser ohne mehr Worte,« erwiederte Der mit der Schärpe, indem er zum Erstenmale die Mütze mit Ehrerbietung vor dem jungen Commandeur abnahm. »Obgleich nicht schon förmlich vermählt, als einen Versprochenen können Sie mich betrachten.«
Es ist überflüssig, das Gespräch der beiden Seemänner weiter zu verfolgen. Der im Rang Untergeordnete behielt so ziemlich seine ungebundene Weise bei, bis sie das Ufer erreichten, und die Flagge der Königin deutlich gesehen werden konnte. Augenblicklich, mit dem Takte eines alten Kriegsschiffs-Matrosen, legte er in sein ganzes Benehmen alle die Achtung, welche die Verschiedenheit des Ranges ihm zur Pflicht machte.
Eine halbe Stunde später waren alle Anker der Coquette bis auf einen gelichtet; die Windstöße von den Bergen her füllten nach und nach ihre drei Bramsegel, und bald darauf segelte sie mit einem frischen Südwest durch den Kanal. Keine dieser Bewegungen erregte sonderliches Aufsehen, denn der Kreuzer war, trotz der sarkastischen Anspielungen des Alderman Van Beverout, nichts weniger als träge, und die jetzige Richtung seewärts ein so gewöhnliches Ereigniß, daß die Bootsleute der Bai und die Küstenbewohner das Schiff absegeln sahen, ohne eine einzige Vermuthung oder Bemerkung zu machen.
Siebentes Kapitel.
»Ich bin kein Steuermann, doch wärst Du fern Wie Ufer, von dem fernsten Meer bespült. Ich wagte mich nach solchem Kleinod hin.« |
Romeo und Julia. |
Eine glückliche Mischung von Land und Wasser, bei einem glänzenden Mond, und einem Himmel, wie er unter dem vierzigsten Breitegrad zu seyn pflegt, ist ohne Zweifel ein reizendes Gemälde. So war die Landschaft beschaffen, welche der Leser jetzt seiner Einbildungskraft zu vergegenwärtigen hat.
Sandy-Hook, zur Hälfte Holländisch, zur Hälfte Englisch – was häufig bei Namen von Oertern in den ehemaligen Besitzungen der vereinigten Provinzen Hollands der Fall ist – hieß die Spitze oder das lange, niedrige und schmale Cap, welches die breite Bucht des Rariton den Winden und Wogen der offenen See verschließt. Offenbar entstanden durch die Strömung der verschiedenen, ihre Gewässer der Bai zuführenden Flüsse von der einen, und durch die ausgesetzte Gegenwirkung der Meereswogen von der anderen Seite, hängt diese Landzunge in der Regel mit dem flachen Gestade Neu-Jersey's zusammen: allein es gibt jahrelange Perioden, wo die See durch einen schmalen Arm die innere Seite des Caps vom festen Lande trennt und aus Sandy-Hook ein Eiland macht. Dies war auch gerade zu der Zeit, von der wir schreiben, der Fall.
Längs der äußern oder Meeresseite dieses niederen, schmalen Sanddamms läuft ein glatter, regelmäßiger Strand, wie fast überall an der Küste von Jersey; die innere Seite aber ist eingezackt, so daß dadurch mehrere Ankerplätze gebildet werden, in denen Schiffe eine bequeme, und gegen den Ostwind geschützte Lage finden. Unter diesen Ankerplätzen ist ein sehr netter kreisförmiger, in welchem Fahrzeuge von geringer Wassertragt vollkommen eingebuchtet, und sicher gegen alle Winde vor Anker liegen. Der Hafen, oder, wie er stets genannt wird, die Runde Bucht, liegt an dem Punkt, wo das Vorgebirge an das Festland stößt, so daß der eben genannte Meeresarm mit dem Wasser der Bucht in unmittelbarer Verbindung steht, so oft die Durchfahrt offen ist. Der Shrewsbury, ein Fluß vierter oder fünfter Größe, in anderen Worten, von nur einigen Hundert Fuß Breite und geringer Länge, kommt von Süden, läuft fast in paralleler Linie mit der Küste, und mündet sich, ebenfalls unweit der Runden Bucht, in die Bai. Zwischen dem Shrewsbury und dem Meere hat das Land viel Ähnlichkeit mit dem Cap, da es flach ist und, obgleich nicht ganz unfruchtbar, viel Sand hat. Da, wo nicht natürlicher Wiesengrund ist, oder die kunstfleißige Hand des Menschen Ackerland geschaffen hat, bedeckt Gehölz, von nicht sehr großen Fichten und Eichen, den Boden. Das westliche Flußufer hingegen erhebt sich schroff und steil zur Höhe eines Berges, und am Fuße desselben war es, wo aus Gründen, die sich vielleicht im Verlaufe unserer Erzählung von selbst ergeben, Alderman Van Beverout für gut befunden hatte, seine Villa zu erbauen, die er, in Uebereinstimmung mit holländischer Sitte, »Luft in Ruh« genannt hatte. Der Kaufmann, der als Knabe Einiges von den Klassikern gelesen, wollte in dieser Benennung seine Kenntniß des Alterthums bekunden, denn er behauptete, sie sey gleichbedeutend mit dem Ciceronischen: Otium cum dignitate.
Die Wahl des Flecks war von solcher Art, daß, wenn Liebe zur Einsamkeit und reinen Luft die Beweggründe unseres Bürgers von Manhattan gewesen wären, jene Wahl dennoch nicht besser hätte ausfallen können. In den angrenzenden Gründen hatte sich bereits früh in dem vorhergehenden Jahrhunderte eine achtbare Familie, Namens Hartshorne, angesiedelt, dieselbe, welche noch bis zur jetzigen Stunde dort wohnt. Ihre Besitzung war so umfangreich, daß dieser Umstand allein schon hinreichte, andere Ansiedler entfernt zu halten, wenn auch die Bildung und der Gehalt des Bodens größere Versuchung dargeboten hätte, als dies in einer Zeit der Fall seyn konnte, wo der beste Acker für einen Spottpreis zu haben war. Was die Luft betrifft, so wurde sie durch die kaum eine englische Meile entfernte See stets rein und gesund erhalten. Nach dieser allgemeinen Skizzirung des Schauplatzes so vieler Ereignisse in unserer Geschichte, folge hier eine etwas mehr in's Einzelne gehende Beschreibung der Villa selbst.
Das Haus »Lust in Ruh« war ein niederes, unregelmäßiges Gebäude aus Backsteinen, schneeweiß angestrichen, und, in jedem Betracht, im streng holländischen Geschmack. Giebel und Wetterhähne in Menge, ein Dutzend kleiner, gewundener Schornsteine, und zahllose Vorrichtungen an den erhöhten Stellen, wo die Störche horsten sollten. Diese luftigen, radartigen Flächen waren jedoch nesterlos geblieben, was den guten Bauherrn nicht wenig Wunder nahm; denn es ging ihm, wie so Vielen, welche sich in unserer westlichen Hemisphäre niederlassen, ohne die auf der östlichen Hemisphäre entstandenen und nur auf diese anwendbaren Gewohnheiten und Ansichten je ablegen zu können. Alle Neger in der Umgegend nämlich sagten einstimmig aus, es gäbe keine Störche in Amerika; allein der alte Holländer blieb dabei, es sey doch seltsam, daß seine Horste ohne Störche blieben! Vor der Fronte des Hauses befand sich ein kleiner, aber äußerst netter, mit Strauchwerk eingefaßter Plan, und aus dem reichen Erdreich, welches den Fuß des Berges ausmachte, hoben sich, fast so alt wie dieser selbst, zwei schöne Ulmen empor. Ueberhaupt fehlte es dem Gebäude auf dieser, von der Natur gebildeten Terrasse, nirgends an Schatten; sie war dicht mit Obstbäumen besetzt, und hier und da standen auch heimische Pinien und Eichen. Am Rande des Vorderplatzes stürzte sich das Land ziemlich jäh abwärts, bis zum Niveau der Flußmündung. Kurz, es war ein geräumiges, aber anspruchloses Landhaus; für jede häusliche Bequemlichkeit war gesorgt, aber nicht für architektonische Schönheiten, man müßte denn die rostigen Wetterhähne und die geschlängelten Schornsteine für Schönheiten gelten lassen. Nicht weit ab standen einige Außengebäude zur Aufnahme der Negersklaven, und näher dem Flusse Scheunen und Stallung, weit geräumiger und dauerhafter, als nöthig zu seyn schien, wenn man nur das sehr mittelmäßige Ackerland und den kleinen Umfang der Meierei in Anschlag brachte. In einem kleinen, aus Holz gebauten Werft, sah man die Pirogue liegen, in welcher der Eigenthümer derselben die Ueberfahrt über die äußere Bai gewagt hatte.
Während der ersten Abendstunden war an dem Hin- und Herblitzen der Lichter und der allgemeinen und lärmenden Bewegung unter den Schwarzen zu erkennen, daß der Herr der Villa angekommen sey. Nach und nach aber nahm dies rege Treiben ab, und ehe die Glocke neun schlug, bewegte sich kein Licht mehr im Hause alles ward still, wahrscheinlich also hatte sich die Gesellschaft, von der Tagesreise ermüdet, schon getrennt und zur Ruhe begeben. Auch unter den Sklaven hatte der Lärmen aufgehört, und süßer Schlaf sich herniedergesenkt auf ihr bescheidenes Obdach.
Vom äußersten nördlichen Punkte der Villa, welche, wie erwähnt worden, sich an den Berg anlehnte, stand ein kleiner Flügel, die Façade nach Osten zugekehrt, und folglich mit der Aussicht auf den Fluß und das Meer. Dieser Theil des Gebäudes war eben so wie die übrigen, ja noch mehr, in kleine Bäume und Strauchwerk eingehüllt, aber nach einem ganz verschiedenen Styl erbaut. Es war ein Sommer-Pavillon, welchen die schöne Barbérie sich auf ihre Kosten, nach eigenem Geschmack hatte errichten lassen. Hier pflegte die Erbin eines doppelten Vermögens während der Wochen, die sie