Die Wassernixe. mehrbuch

Die Wassernixe - mehrbuch


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      »Hier hat irgend ein Zauber Wunderbares gewirkt, wenn mein Gekritzel von solcher Wichtigkeit ist,« bemerkte Alida und ergriff das Billet, welches je geschrieben zu haben, sie jetzt zu bereuen anfing. »Entweder läßt die Sprache der Höflichkeit und des weiblichen Anstandes seltsame Verdrehungen zu, oder nicht alle Leser sind gute Ausleger.«

      Die schöne Barbérie verstummte von dem Augenblick an, wo sie den Blick auf das Papier geworfen. Eine immer höher sich spannende Neugierde verdrängte alles Andere aus ihrem Gemüthe, selbst den Unwillen, der sie so heftig bewegt hatte. Wir geben den Inhalt de« Briefes genau in denselben Worten, welche in der lesenden Schönen so viel offenbares Erstaunen, vielleicht auch einige Unruhe erregten. Das Billet war in einer zarten, schönen, weiblichen Hand geschrieben, und lautete also:

      »Das Leben eines Seemanns ist voller Gefahr und Mühen. In Frauen erregt es Zutrauen durch die Offenherzigkeit, die es erzeugt, und seine vielen Entbehrungen berechtigen es zur Nachsicht. Diejenige, welche dieses schreibt, ist gegen das Verdienst der Männer dieses Berufes nicht unempfindlich. Bewunderung der See und der darauf Lebenden ist stets ihre Schwäche gewesen, und die Freuden des Seelebens fehlen weder in den Gebilden, die sie sich von der Zukunft macht, noch in ihren Erinnerungen an die Vergangenheit. Die Sitten der verschiedensten Nationen kennen zu lernen, den Ruhm der Waffen zu theilen, die Umgebungen stets zu wechseln, dies, verbunden mit Beständigkeit der Neigung und dem Genusse immerwährenden Ueberflusses – sind Versuchungen, denen die weibliche Einbildungskraft erliegt, und die billig auch auf der Männer Urtheil Einfluß ausüben.«

      Alida las, las aber- und abermals, mit angestrengten Blicken, als wollte sie die Worte auswendig lernen. Endlich wagte sie es, das Auge zu erheben, und dem jungen Manne in das erwartungsvolle Antlitz zu schauen. Mit einer Stimme, welche vor Stolz und Schmerz bebte, sagte sie:

      »Und diese unzarte, unweibliche Rhapsodie hat Capitän Ludlow für gut befunden, mir zuzuschreiben?«

      »Wen sonst konnte ich für die Verfasserin halten? Keine Andere, liebenswürdige Alida, vermag so reizenden Sinn in so passende Sprache zu kleiden!«

      Des Mädchens lange Augenwimpern schossen einigemale heftig über die dunkeln Augen auf und nieder, bis sie der seltsam sich widersprechenden Gefühle ihres Innern Herrin geworden war. Dann wandte sie sich gegen ein kleines Schreibzeug aus Ebenholz, das neben ihrer Toilette stand, und sagte ernst:

      »Mein Briefwechsel ist weder sehr wichtig, noch sehr ausgedehnt, allein er sey wie er wolle, so bin ich zum Glück für meinen Geschmack, obgleich nicht zum Glück für meine Klugheit, im Stande, die Kleinigkeit zu zeigen, welche ich als Antwort auf Ihren Brief zu schreiben für anständig hielt. Hier ist eine Abschrift,« fügte sie hinzu, öffnete das Brouillon ihres Briefes und las wie folgt:

      »Ich danke dem Capitän Ludlow für die Aufmerksamkeit, mir die Geschichte der Unthaten der Boucaniers geliehen zu haben. Auch abgesehen von den allgemeinen menschlichen Gefühlen, ist es schmerzlich, daß es in einem Stande, der im Rufe der Großmuth steht und der Schonung gegen die Schwachen, so herzlose Menschen geben kann. Hoffen wir indessen, daß die sehr Bösen und Feigherzigen unter den Seeleuten nur da sind als Folien, um die Eigenschaften der sehr Tapfern und Männlichgesinnten desto mehr hervorzuheben. Niemand kann diese Wahrheit besser fühlen, als die Freunde des Capitäns Ludlow,« – bei dieser Stelle sank Alidas Stimme ein wenig – »der längst schon seiner Milde wegen bekannt ist. Als Erwiederung schicke ich Ihnen ein Exemplar des Cid von Corneille, der, wie der ehrliche François behauptet, alle anderen Dichter übertrifft, selbst den Homer, den François gewiß damit nicht verleumdet, da er ihn gar nicht gelesen hat. Indem ich Capitän Ludlow nochmals Dank sage für diesen neuen Beweis seiner vielen Aufmerksamkeiten, bitte ich ihn, das Buch so lange zu behalten, bis er von seiner beabsichtigten Seefahrt zurückgekehrt seyn wird.«

      »Dieses Billet ist nur eine Abschrift von dem, welches Sie haben, oder haben sollten,« sagte die Nichte des Alderman, den auf das Papier gesenkten Kopf jetzt in die Höhe hebend; »bloß daß in meiner Abschrift der Name Alida de Barbérie nicht unterzeichnet ist.«

      Als diese Erklärung vorüber war, saßen Beide stumm und erstaunt einander anschauend. Alida sah jedoch oder glaubte zu sehen, daß der junge Mann, trotz seiner vorherigen Behauptungen, sich über die Auflösung des Irrthums freute. Die Hochschätzung weiblicher Delikatesse und Zurückhaltung ist bei den Männern so allgemein und so natürlich, daß diejenigen darunter, welche in der Zerstörung jener Schranken am siegreichsten sind, selten der Reue über ihren eigenen Triumph entgehen, und wer wahrhaft liebt, kann nie lange frohlocken, wenn er an dem Gegenstande seiner Liebe die geringste Verletzung des streng Schicklichen wahrnimmt, selbst wenn sie aus Liebe zu ihm geschehen ist. Dieses lobenswerthe Gefühl übte jetzt auf Ludlow seinen wohlthätigen Einfluß; zwar hatte die Wendung, welche die Sache nunmehr gewann, manches Demüthigende für ihn, aber dennoch fielen ihm die Zweifel, entstanden durch die ungewöhnliche Sprache in dem vermeintlich von seiner Angebeteten geschriebenen Brief, wie Centnerwucht vom Herzen. Seine Züge, so offen und der Verstellung so unfähig, wie es nur immer die eines Seemanns seyn können, machten es seiner Gefährtin leicht, zu lesen, was in seinem Innern vorging. Wohl freute sie sich heimlich, ihren früheren Platz in seiner Achtung wieder gewonnen zu haben, aber nun fing es erst an, sie recht zu verdrießen und zu verwundern, daß sie diesen Platz je verloren, daß er je gewagt, ihr Zartgefühl in Zweifel zu ziehen. Sie hielt das unbegreifliche Billet noch zwischen den Fingern und starrte die Schrift an, als wollte sie etwas errathen: endlich schien ein Gedanke in ihr aufzublitzen, und das Papier zurückreichend, sagte sie kalt:

      »Capitän Ludlow wird ja wohl seine Correspondentin kennen; ich irre sehr, oder dies ist nicht die erste Mittheilung von derselben Hand.«

      Der Jüngling ward roth bis an die Stirn, und bedeckte einen Augenblick das Gesicht mit beiden Händen.

      »Sie räumen die Wahrheit meines Verdachtes ein,« fuhr die schöne Barbérie fort; »Sie werden es daher auch nur gerecht finden, wenn ich hinzufüge, daß in Zukunft« –

      »Hören Sie mich, Alida,« rief der Jüngling halb athemlos vor Eile, einer Entscheidung, die er fürchtete, zuvorzukommen; »schenken Sie mir Gehör, und so wahr der Himmel mein Richter ist, Sie sollen nur Wahrheit hören. Ich gestehe es, dies ist nicht der erste Brief von derselben Hand, noch, ich räume es ein, der erste in demselben Ton; aber bei der Ehre eines treuen Offiziers betheure ich: bis die Umstände meinen Glauben zu rechtfertigen schienen, daß ich so glücklich... so... sehr glücklich...«

      »Ich verstehe Sie, Sir; das Werk war anonym, bis Sie für gut fanden, meinen Namen davorzusetzen, als wäre ich die Verfasserin. Ludlow! Ludlow! wie niedrig dachten Sie von dem Weibe, das Sie zu lieben vorgeben!«

      »Das wäre unmöglich! Nur wenig komme ich mit Menschen zusammen, welche gesellschaftliche Finesse zu ihrem Studium machen; hingegen liebe ich meinen edeln Stand, und da war's wohl nicht so unnatürlich zu glauben, daß er anderen Augen im gleichen Licht erscheinen könne. Da Sie aber jetzt versichern, der Brief sey nicht der Ihrige – und in der That, Sie brauchen es nicht erst zu versichern – so sehe ich, daß meine Eitelkeit mir sogar eine andere Handschrift vorspiegeln konnte. – Der Irrthum ist vorüber, und ich freue mich, daß es ein Irrthum gewesen.«

      Die schöne Barbérie lächelte, ihr Gesicht glänzte wieder auf. Das Bewußtseyn, die Achtung ihres Bewerbers zu verdienen, war für sie, nach der eben erfahrenen Kränkung ein um so höherer Triumph. Es folgte ein minutenlanges Schweigen, das vielleicht verlegen machend gewesen wäre, wenn nicht glücklicherweise gerade jetzt François wieder eingetreten wäre.

      »Fräulein Alide, voici de l'eau de la fontaine, aber Monsieur votre oncle schläft, und hat den Schlüssel zum Weinkeller unter sein Kissen gelegt. Ma foi! es ist überhaupt nicht leicht, guten Wein in Amerika zu bekommen, wenn aber der Herr Maire schläft, so ist es durchaus unmöglich, là.«Da es auffallen könnte, daß wir den Diener bald geläufig, bald gebrochen Deutsch sprechen lassen, so bemerken wir zu unserer Rechtfertigung, daß er da geläufig spricht, wo er im Original sich ausschließlich seiner Muttersprache bedient, was er stets thut, wenn er seine Gebieterin anredet; gebrochen da, wo er im Original ein schlechtes, mit französischen Worten reich durchschossenes Englisch zum Vehikel seiner Gedanken wählt Es schadet nichts, mein


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