Die Wassernixe. mehrbuch

Die Wassernixe - mehrbuch


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schien, so wird der Leser mit uns der Meinung seyn, daß der Mensch, welcher Alida's Einsamkeit so plötzlich störte, persönliche Reize genug befaß, um, unter anderen Umständen, der Einbildungskraft eines so sehr schönen, und das Schöne bewundernden Mädchens wie Alida, gefährlich werden zu können.

      So außerordentlich die Vorzüge der Gestalt des Fremden waren, so einzig war sein Anzug. In Bezug auf Façon, glich derselbe dem des sogenannten Herrn Ruderpinne; nur bestand er aus Stoffen, die weit reicher, und, so weit das Aeußere ein Urtheil begründen kann, des Tragenden würdiger waren.

      Die leichte Jacke bestand aus dickgewirktem, purpurfarbenem Seidenzeug, von indischer Arbeit, und war auf das Sorgfältigste einer mehr runden und gewandten als athletisch-breiten Gestalt angepaßt. Die weiten Pumphosen waren aus dichtem, weißen Baumwollenzeug, die Mütze scharlachner Sammt mit Gold gestickt, und der Gürtel bestand aus Seidenschnur von derselben glänzenden Farbe, in der Form eines Kabeltaues geflochten, mit zwei kleinen goldenen Ankern, die, an die Enden befestigt, als Troddeln von der Seite herabhingen.

      Wenig im Einklang mit diesem wunderbar ungewöhnlichen Anzuge war die Zugabe von Waffen; doch auch diese nicht von gemeinem Schlage, die kleinen Terzerole im Gürtel waren mit Gold ausgelegt, und aus den Falten des Oberkleides blitzte, vielleicht nicht zufällig, der reiche Griff eines asiatischen Dolches hervor.

      »Lustig, Kamerad, lustig!« rief der Fremde, als er mit einem Sprunge die Mitte des kleinen Salons erreicht hatte, – und es war seltsam, zu bemerken, wie wenig die jugendliche sanfte Stimme mit dem rauhen Seemannsgruße in Einklang stand. – »Komm nur hervor, mein Biberfellhändler; hier ist einer, der Gold für deine Koffer bringt. Aha! da dieses Lichter-Trio nunmehr seine Dienste gethan hat, so wollen wir nur immer ein Paar davon auslöschen, damit es nicht Andere in den verbotenen Hafen lootse.«

      »Mit Erlaubniß, Sir,« sprach die aus den umhüllenden Vorhängen hervortretende Herrin des Pavillons mit einer Miene der Unerschrockenheit, die durch das pochende Herz fast hörbar Lügen gestraft wurde; »da ich so unerwartet einen Gast zu bewirthen bekommen habe, so sind die Lichter durchaus nicht überflüssig.«

      Das Auffahren und der offenbare Schreck, mit welchem der Eindringling einen Schritt zurücktrat, lieh Alida noch mehr Zuversicht, denn der Muth ist eine Eigenschaft, welche in einem Gegner in dem Maaße wächst, als sie im andern abnimmt. Wie das Mädchen jedoch die eine Hand des Fremden auf dem Pistol ruhen sah, wollte sie wieder fliehen, und ihre Entschlossenheit kehrte auch nicht eher zurück, als bis er die Hand sinken ließ. Ihre Furcht verwandelte sich jetzt in Neugierde, als er, mit sanftem lockendem Blick anmuthsvoll auf sie zutretend, die Worte sprach:

      »Ist auch Alderman Van Beverout seiner Verabredung nicht getreu, so verzeiht man gern seinem Mangel an Pünktlichkeit, da er eine solche Stellvertreterin schickt. Hoffentlich kommt sie mit Vollmacht, den ganzen Handel abzuschließen.«

      »Die Sache ist mir fremd, und ich habe kein Recht, Vorschläge zu machen, noch anzuhören. Meine Macht beschränkt sich auf den Wunsch, daß diese Dinge nicht in meinem Pavillon besprochen werden mögen; sie gehören weder zu meinen Angelegenheiten noch weiß ich sonst das Geringste davon.«

      »Warum denn dies Signal?« fragte der Fremde, indem er ernst auf die Lichter hinwies, welche noch neben einander gerade dem Fenster gegenüber brannten. »Bei so delikaten Verhandlungen irre führen, ist äußerst unklug.«

      »Ich weiß nicht, was Sie unter Signal verstehen, mein Herr. Diese Lichter brennen jeden Abend in meinem Zimmer, und die Lampe hier hat mein Onkel, der Alderman Van Beverout, zurückgelassen.«

      Mit einem lebhaften Ausdruck, offenbar von einem neu angeregten Gedanken stark angezogen und so hastig und dicht vor Alida hintretend, daß diese einen Schritt zurückthat, rief der Fremde aus: »Ihr Onkel! Ihr Onkel! So habe ich die Fernberühmte, die mit Recht Gepriesene, vor mir; Barbérie, die Schöne!« fügte er hinzu, und zog die Mütze mit galantem Anstand, als wenn er jetzt erst ihr Geschlecht und ihre hohen Reize entdeckt hätte.

      Verdrießlichkeit lag nicht in Alida's Charakter. Alle Gründe zur Angst, die sie sich geschaffen, waren vergessen; denn abgesehen davon, daß ihre Besorgnisse unwahrscheinlicher und ungewisser Art gewesen, konnte sie aus den Anspielungen des Fremden hinlänglich entnehmen, daß er von ihrem Onkel erwartet wurde. Wenn wir noch anführen, daß sein interessantes Gesicht und seine weiche Stimme zur Beschwichtigung ihrer Furcht das Ihrige beitrugen, so wird dadurch wahrscheinlich weder der Wahrheit, noch einem sehr natürlichen Gefühl Gewalt angethan. Mit Allem, was auf Handel Bezug hatte, gänzlich unbekannt, war sie gewohnt, dessen Geheimnisse anpreisen zu hören, als Dinge, welche die höchste Scharfsicht des menschlichen Verstandes in Anspruch nehmen. Daher fand sie nichts Außerordentliches darin, wenn die damit Beschäftigten ihre Verfahrungsweise der neidischen Beobachtung anderer Handeltreibenden zu verbergen suchten. Wie die meisten ihres Geschlechts, setzte sie ein unbedingtes Vertrauen in die Menschen, die ihr theuer waren: wie sehr also auch Vormund und Mündel durch Natur, Erziehung und Gewohnheit von einander verschieden waren, so hatte dieser Unterschied doch nie die gegenseitige Neigung vermindert, oder auch nur ihre Eintracht unterbrochen.

      Der junge Matrose – denn daß er ein Matrose war, verrieth sein Anzug – konnte sich an den Zügen des Mädchens nicht satt sehen, und in seinem Blicke mischte sich offenbar rührender Tiefsinn mit dem Vergnügen. Endlich brach er nochmals in den Ausruf aus: »Dies also ist Barbérie, die Schöne!«

      »Dies ist eine vertrauliche Sprache für einen Fremden,« erwiederte Alida erröthend, obgleich es dem scharfen schwarzen Auge, welches alle ihre Gedanken zu durchdringen schien, nicht geheim blieb, daß sie nicht im Unwillen sprach. »Die Partheilichkeit von Verwandten, verbunden mit meiner Herkunft, hat mir, ich gestehe es, diese Benennung zugezogen, die mir jedoch mehr scherzweise beigelegt wird, als aus der ernstlichen Meinung, daß ich sie verdiente. – Doch, es wird immer später, und dieser Besuch ist wenigstens ungewöhnlich; erlauben Sie mir, daß ich meinen Onkel« –

      »O bleiben Sie,« fiel der Fremde ihr in's Wort. »Ach es ist lange, sehr lange, seit mir eine so sanfte, theure Freude zu Theil geworden! Das Leben ist voll von Geheimnissen, schöne Alida, scheinen auch die Ereignisse darin so gewöhnlich und alltäglich. Geheimnißvoll ist sein Anfang, sein Ende, geheimnißvoll sind seine Triebe, seine Neigungen und alle seine kämpfenden Leidenschaften. Nein, verlassen sie mich nicht. Ich komme von weitem Meere her, auf dem ich keine andere Gesellschaft hatte, als die rauhen, gemein-gesinnten Menschen; ach Deine Gegenwart ist Balsam für eine lechzende, verwundete Seele!«

      Die rührende, schwermüthige Stimme des Sprechenden ergriff das Mädchen wo möglich noch stärker als seine Worte – sie zögerte. Freilich flüsterte ihr die Vernunft zu, daß Schicklichkeit, ja Klugheit von ihr verlangte, dem Onkel anzuzeigen, daß ein Fremder da sey; allein Klugheit und Schicklichkeit verlieren von ihrem Einfluß, wenn weibliche Neugierde, verbunden mit einem mächtigen Mitgefühl, ihnen gegenüberstehen. Ihr eigenes sprechendes Auge begegnete dem Blick der seinigen, welche mit der Gewalt des Bezauberns begabt zu seyn schienen, und während ihre Urtheilskraft sie belehrte, daß Gefahr vorhanden sey, nahmen die Sinne den sanften Seemann in ihren mächtigen Schutz.

      »Ein Gast, den mein Onkel erwartet,« sagte sie, »wird ja Wohl Muße haben, sich nach den Entbehrungen und Beschwernissen einer so ermüdenden Reise auszuruhen. Die Thüre dieses Hauses ist den Ansprüchen der Gastfreiheit nie verschlossen gewesen.«

      »Erregt irgend etwas an mir oder meinem Anzug Beunruhigung,« erwiederte der Fremde angelegentlich, »so sprechen Sie, daß ich es wegnehme. Diese Waffen – ja diese thörichten Waffen wären besser nicht da,« fügte er hinzu, und warf Pistolen und Dolch mit Unwillen zum Fenster hinaus unter das Strauchwerk; »ach, wenn Sie wüßten, wie wehe es mir thun würde, irgend Jemanden, am wenigsten einem Weibe, etwas zu Leide zu thun, so würden Sie mich nicht fürchten!«

      »Ich fürchte Sie nicht,« erwiederte die Schöne mit Festigkeit. »Nur die falschen Darstellungen der Welt fürchte ich.« »Welche Welt ist hier, die uns beunruhigen könnte! Ja Du lebst in dem Pavillon, schöne Alida, gleich einem vom Schicksal hochbegünstigten Kinde, über dessen glückliches und unverletzbares Leben ein wohlthätiger Genius wacht. Sieh, hier find ja die niedlichen Dinge alle, welche deinem Geschlecht unschuldiges Vergnügen


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