Die Wassernixe. mehrbuch

Die Wassernixe - mehrbuch


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die normannische, schöne Bewohnerin, hatte der galante François diesen besondern Theil der Villa la Cour des Fées getauft – ein Name, der nach und nach allgemein angenommen, obgleich verstümmelt ausgesprochen wurde.

      Die Jalousien des Hauptzimmers im Pavillon waren diesen Abend noch nicht heruntergelassen, und die schöne Bewohnerin an einem der Fenster sichtbar. Alida stand in einem Alter, wo der Mensch für lebhafte Eindrücke, namentlich für die Schönheiten der Natur, die meiste Empfänglichkeit hat, und reine Wonne erfüllte die Seele des Mädchens, während sie im Anschauen der lieblichen Landschaft ganz versunken dasaß.

      Ein junger Mond, und ein von Myriaden von Sternen glühendes Firmament übergossen die ausgebreitete Wasserfläche mit einem sanften Licht; nur hier und da glänzte eine bewegte Woge etwas blendender in den weichen Strahlen. Von der See her wehte ein fast unmerkbares, oder, wie die wenig romantische Matrosensprache es nennt, dumpfes Lüftchen, mit der angenehmen Kühle des Abends auf seinen Fittichen. Auf der Oberfläche des unermeßlichen Ozeans, sowohl inner- als außerhalb der Sandbarriere, wodurch das Cap gebildet wird, herrschte vollkommene Ruhe; die Wasserfläche hob und senkte sich langsam schwer, wie das Athemholen eines schlafenden Wesens von ungeheurer Körpergestalt. Der einzig hörbare Ton war die Brandung, wie sie in lang gekräuselten Wellen sich zischend, schwer und ohne Unterbrechung an den Strand heranwälzte, bald mit schwellendem Rausche, hohl und drohend, bald in dumpfes, fernes Gemurmel hinsterbend. Der eigenthümliche Reiz in dieser Abwechslung des Tones, verbunden mit der feierlich stimmenden Stille der Nacht, lockten Alida auf ihren kleinen Balkon, wo sie sich über den Schatten, den ein Hagebuttenstrauch warf, hinüberlehnte, um den Theil der Bai anzustaunen, der am Fenster dem Auge entzogen blieb.

      Die Schöne lächelte, als sie an der äußersten Spitze des schutzgewährenden Caps ein Schiff vor Anker liegen und dessen Masten im Monde schimmern sah. Ein Blick weiblichen Stolzes strahlte aus ihrem glänzend-schwarzen Auge, und ihre volle Lippe schwellte wie im Gefühle weiblicher Macht, während sie mit den zartgeformten Fingern, und ohne es zu wissen, auf das Balkongitter trommelte.

      »Ah, der loyale Capitän Ludlow! wie schnell hat er doch seine Fahrt beendigt!« sprach die Jungfrau, denn das Siegesgefühl in ihrer Brust war zu natürlich, als daß sie nicht ihren Gedanken hätte Laute geben sollen. »Fast werde ich mich zu meines Onkels Meinung bekehren, und glauben, daß die Königin vom Capitän ziemlich schlecht bedient wird.«

      »Schon einer Gebieterin treu dienen wollen, ist keine leichte Aufgabe,« erwiederte eine Stimme aus dem Gesträuch hervor, welches unterhalb des Fensters wuchs, so daß man von oben nicht sehen konnte, was oder wen es verbarg; »wer aber Zweien ergeben ist, darf mit Recht verzweifeln, auch nur bei Einer sein Glück zu machen.«

      Alida schrak zurück, und im nächsten Augenblick sah sie ihren Platz im Balkon von dem Befehlshaber der Coquette eingenommen.

      Der junge Mann bemühte sich, das Auge der Schönen zu befragen, ob er die niedrige Scheidewand, die ihn noch von ihrem Wohnzimmer trennte, überspringen dürfe; sey es nun, daß er irrthümlich den Ausdruck für aufmunternd hielt, oder daß seine Jugend und die Hoffnung ihn kühn machten – er thats.

      Der schöne Sprößling des Hugenotten war gewiß nicht gewohnt, ihr Gemach mit so wenig Umständen erstürmt zu sehen, aber dessenungeachtet drückte ihr Gesicht weder Furcht noch Erstaunen aus. Nur reichlicher stieg ihr das Blut in die Wangen, nur glänzender ward ihr ohnedies stets lebhaftes Auge, nur fest und gebietend ward die Stellung ihrer herrlichen Gestalt, als sie mit einem Tone, der jede fernere zweideutige Auslegung vernichtete, die Worte sprach:

      »Ich habe zwar gehört, daß Capitän Ludlow viel von seinem Rufe dem Entern verdanke; allein ich hoffte, sein Ehrgeiz würde sich mit den Lorbeern begnügen, die er im ehrlichen Kampfe dem Feinde abgenommen.«

      »Schönste Alida, ich bitte, verzeihen Sie mir,« unterbrach sie der Jüngling; »Sie kennen ja die Hindernisse, welche die eifersüchtige Wachsamkeit Ihres Oheims meinem Wunsche, Sie zu sprechen, entgegensetzt.«

      »Sie helfen ihm wenig, denn der Alderman Van Beverout ist so schwach, zu glauben, daß das Geschlecht seiner Mündel sie gegen solche Coups de main genugsam schütze.«

      »Nein, Alida, dies heißt die Winde an Laune übertreffen! Sie wissen zu gut, wie ungern Ihr Vormund meine Bewerbung sieht, als daß Sie eine geringe Abweichung von der kalten Sitte gewaltsam zu einem ernstlichen Klagegrund machen könnten. Der Inhalt Ihres Briefes gab mir Hoffnung, ja, ich will es sagen, Kühnheit; empfangen Sie meinen Dank dafür, aber Erwartungen, die erst so kürzlich vielleicht zu einer größern Höhe, als die Vernunft billigt, von Ihnen emporgehoben wurden, sollten Sie nicht grausam wieder zerstören.«

      Schon hatte die Gluth, die des Mädchens Wange zuerst bedeckte, zu weichen angefangen, als diese Worte sie verdoppelt dahin zurückriefen, und einen Augenblick lang wollte ihre Zuversicht sie verlassen; da besann sie sich schnell, und antwortete gefaßt, obgleich nicht ohne innere Erschütterung:

      »Die Vernunft, Herr Capitän, hat der weiblichen Schicklichkeit enge Grenzen angewiesen. Vielleicht war es mehr gutmüthig als klug, daß ich Ihren Brief beantwortete; nur zu schnell geben Sie mir Ursache, meinen Irrthum zu bereuen.«

      »Theure Alida, gebe ich Ihnen jemals Ursache, Ihr Zutrauen zu bereuen, so möge Schande in meinem Amte und das Mißtrauen Ihres ganzen Geschlechtes meine Strafe seyn. Doch habe ich nicht vielmehr Ursache, mich über Ihr folgewidriges Betragen zu beschweren? Konnte ich vermuthen, daß ein so bitterer Verweis – denn bitter macht ihn Ihre Kälte und Ironie – mich strafen würde für ein so verzeihliches Versehen, für den Wunsch, Ihnen meinen Dank auszudrücken?« »Dank!« erwiederte Alida, und diesmal war ihr Staunen kein angenommenes. »Das Wort ist stark, Sir, und paßt nicht für die einfache Verbindlichkeit, auf welche das Darlehen eines Bandes Gedichte Anspruch machen kann.«

      »So habe ich entweder den Sinn des Briefes höchst seltsam mißverstanden, oder es war heute ein Tag, an dem man sich Scherze erlaubt!« sagte Ludlow, bemüht, seine Unzufriedenheit zu verbergen. »Doch nein, ich bin im Besitz Ihrer eigenen Worte, welche dies abgewendete Auge, diesen kalten Blick widerlegen, und, bei der Ehre eines Matrosen! ich schenke Ihren besonnenen und wohlüberlegten Gedanken mehr Glauben, als diesem Anfalle von Eigensinn, der Ihres herrlichen Gemüthes unwürdig ist. Hier sind die Worte selbst, ich werde nicht leicht die schmeichelnde Hoffnung aufgeben, die sie mir einflößen!«

      Jetzt blickte die schöne Barbérie den jungen Mann mit unverhohlener Verwunderung an. Sie erblaßte; denn, machte sie sich auch die unkluge Handlung, schriftlich geantwortet zu haben, zum Vorwurf, so war sie sich doch bewußt, keinen Ausdruck gebraucht zu haben, welcher die Dreistigkeit des Andern gerechtfertigt hätte. Fest schaute sie ihm in's Antlitz; die späte Stunde, der Stand ihres Bewerbers und die Sitten jener Zeit, verleiteten das Mädchen, zu zweifeln, ob der Mensch, der vor ihr stand, auch wirklich seine Sinne in seiner Gewalt habe. Ludlow genoß indeß den Ruf, frei von einem Laster zu seyn, welches damals nur zu vorherrschend unter Seeleuten war, und das Aufrichtige in seinen männlich schönen Zügen, verscheuchte den häßlichen Verdacht. Hierauf zog sie die Klingel und winkte ihm, sich zu setzen.

      »François,« redete den noch halb im schlafenden Zustand eintretenden alten Diener dessen Gebieterin an, »thu' mir die Freundschaft, Wasser aus dem Waldbrunnen und Wein herbei zu bringen: der Herr Capitän haben Durst; und, vergiß nicht, guter François, mein Onkel darf in dieser Stunde nicht gestört werden, er muß von seiner Reise noch sehr ermüdet seyn.« Nachdem sie ihrem achtbaren Diener diesen Auftrag ertheilt, und derselbe ehrerbietig das Zimmer verlassen hatte, nahm sie ermuthigt einen Sitz, denn nun war dem Besuche Ludlow's das Heimliche genommen, und die Zwischenzeit bis zur Rückkunft des Bedienten mit den Getränken ließ ihr Muße, die unbegreifliche Absicht ihres Gesellschafters zu ergründen.

      »Ich gebe Ihnen mein Wort dafür, Capitän Ludlow, daß Ihr unzeitiges Erscheinen im Pavillon unbescheiden ist, um es nicht grausam zu nennen,« sagte sie, sobald sie wieder allein waren; »daß ich Ihnen aber auf irgend eine Weise ein Wort gesagt habe, welches Ihre Unklugheit rechtfertigte, muß ich so lange bezweifeln, bis Sie es beweisen.«

      »Ich hatte vor, einen ganz andern Gebrauch von diesen Zeilen zu machen,« erwiederte Ludlow, indem er seiner geraden,


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