Die Wassernixe. mehrbuch
»Wenn Eure Achtung am Bord Eurer Dreistigkeit auf trocknem Boden nur einigermaßen das Gleichgewicht hält, so könnt Ihr für ein Muster von Höflichkeit gelten! Aber einem Seemann von Euren Ansprüchen sollte der Charakter des Schiffes, in welchem er Dienste nimmt, nicht gleichgültig seyn.«
»Ist denn dasjenige, wovon Ew. Gestrengen sprachen, ein Boucanier?«
»Wo nicht ein Boucanier, so doch nicht viel besser. Es ist, im besten Fall, ein Contrebandier; und es gibt Leute, die der Meinung sind, daß, wer erst bis dahin gegangen, nicht dort stehen geblieben ist. Aber ein Mann wie Ihr, der bereits so lange die See befährt, hat ja wohl schon von dem »Streicher durch die Meere« sprechen hören.« –
»Verzeihen Sie die Neugierde eines Seefahrers bei einem Gegenstand, der mit seinem Gewerbe in Verbindung steht,« erwiederte der Matrose mit der Schärpe, weit lebendiger und wärmer als bisher. »Ich bin erst seit kurzer Zeit von einem fernen Meere zurück, und obgleich viele Geschichten von den Boucaniers erzählt werden, so erinnere ich mich doch nicht, von jenem Herumstreicher gehört zu haben, als bis ich mich in dem Boot befand, welches die Ueberfahrt zwischen der Stadt und diesem Landungspunkt unterhält, wo der Schiffer zufällig im Gespräche desselben erwähnte. Herr Capitän, ich bin nicht ganz das, was ich zu seyn scheine, und werde ich erst nach schweren Dienstleistungen meinem Commandeur genauer bekannt geworden seyn, so bereut er es vielleicht nicht, einem wackeren Seemann gutmüthig und herablassend begegnet zu seyn, und denselben dadurch vermocht zu haben, Dienste in seinem Schiffe zu nehmen. Ich wage daher die Bitte, daß Ew. Gestrengen mir sagen wollen, was es mit diesem Contrebandier für eine Bewandtniß habe?«
Ludlow blickte seinem Gefährten fest in das unbewegte männliche Gesicht. Ein Verdacht, er wußte selbst nicht recht worüber, wollte sich seiner bemächtigen, doch verschwand derselbe, als er sich durch das vielversprechende Aeußere des Andern immer mehr überzeugte, daß er an ihm einen kühnen und gewandten Seemann gewinnen würde. Die Dreistigkeit der Bitte gefiel ihm mehr als sie ihn beleidigte; er drehte sich auf der Ferse um, und setzte bei'm Hinabsteigen vom Hügel nach dem Landungsplatze zu, das Gespräch wohlgelaunt fort.
»Ihr müßt in der That von einem fernen Ocean kommen,« sagte der junge Capitän der Coquette, und lächelte, als wollte er einen leisen inneren Vorwurf wegen zu großer Herablassung damit beschwichtigen, »wenn die verwegenen Handlungen einer Brigantine, gekannt unter dem Namen: »Wassernixe« und die ihres Befehlshabers, mit Recht »der Streicher durch die Meere« genannt, Euer Ohr nicht erreicht haben. Fünf Sommer sind es jetzt, seit die Kreuzer in den Colonien Ordre haben, scharf aufzupassen, und auf den Piraten Jagd zu machen; ja man versichert, der waghalsige Schmuggler habe schon oft der königlichen Flagge selbst in den Meerengen die Stirn gewiesen. Der Offizier, der so glücklich wäre, den Schelm zu fangen, würde gewiß zum Ritter geschlagen werden, wenigstens das Commando eines größeren Schiffs erhalten.«
»Der muß einen einträglichen Handel treiben, daß er diese Gefahren läuft und den Bemühungen so vieler geschickter Herren Trotz bietet. Fast fürchte ich, nach Ew. Gestrengen unwilligem Blick zu urtheilen, schon zu weit in meiner Freiheit gegangen zu seyn, sonst würde ich noch wagen, die Frage zu thun, ob das Gerücht nichts weiter erzähle von dem Gesicht und der Person des – Freihändlers, wie man ihn nennen muß, obgleich Freibeuter ein besseres Wort wäre.«
»Was liegt an dem persönlichen Aussehn eines Spitzbuben,« sagte Capitän Ludlow, wahrscheinlich eingedenk, daß mehr mitzutheilen sich nicht mit der Klugheit vertrage.
»Was daran liegt? Ei nun, ich fragte nur, weil die Schilderung sich ein wenig auf einen Menschen paßt, den ich einst in den Gewässern des jenseitigen Indiens kennen lernte, der aber seit langer Zeit verschwunden ist, Niemand weiß wohin. Sollte aber dieser »Streicher durch die Meere« nicht ein Spanier aus Südamerika seyn, oder ein Holländer, der von dem Lande der Ueberschwemmungen gekommen ist, um sich einmal auf festem Lande gütlich zu thun?«
»Kein Spanier von der südlichen Küste hat noch in diesen Gewässern ein so kühnes Segel gefühlt, und einen Holländer mit so behender Ferse gibt es gar nicht. Soll ja doch der Kerl dem schnellsten Kreuzer aus England ein Schnippchen schlagen! Was seine Gestalt betrifft, so habe ich wenig Gutes davon sagen hören. Das Gerücht erzählt, er sey ein mißvergnügter Offizier, der einst bessere Tage gesehen, aber den Umgang mit ehrlichen Leuten aufgegeben habe, weil ihm der Schurke so deutlich in's Gesicht geschrieben sey, daß er es vergeblich zu verbergen sucht.«
»Der Meinige war ein stattlicher Mann, der sich seines Gesichts unter seines Gleichen nicht zu schämen brauchte,« sagte Der von der Schärpe. »Dieser muß also ein Anderer seyn, wenn anders Einer an der Küste ist. Weiß man denn ganz gewiß, Ew. Gestrengen, daß der Mensch hier ist?«
»Das Gerücht geht so; indessen bin ich schon so oft durch dergleichen leeres Geschwätz verleitet worden, den Schmuggler da aufzusuchen, wo er nicht war, daß ich dem jetzigen Mährchen wenig Glauben schenke. Sieh' da, die Pirogue hat den Wind mehr in Westen, und die Wolke über der Mündung des Rariton hat sich gesenkt und zertheilt; so wird denn der Alderman doch noch mit blauem Auge davon kommen.«
»Und die Möven, die uns zum Besten hatten, sind mehr seewärts gegangen, ein zuverlässiges Zeichen von schönem Wetter;« fügte der Andere hinzu, indem er einen raschen, aber scharfen Blick nach der Meereshöhe am Horizont warf. »Ich glaube, unser Seewanderer, mit seinem leichten Gefieder, ist mit ihnen entflohen!«
»Nun denn, so wollen wir nach! Mein Schiff ist fertig, die See zu nehmen, und es ist Zeit, Herr Ruderpinne, daß ich erfahre, welche Back Ihr im Dienste der Königin einzunehmen wünschet?«
»Gott segne sie, die Majestät! Anna ist eine königliche Frau, und hatte einen Lord-Groß-Admiral zum Manne. Was nun die Back betrifft, Sir, so möchten Alle gern Capitän seyn, selbst die, welche ihre Messe in den Lee-Speigaten zu sich nehmen müssen. Die Stelle eines ersten Lieutenants ist wohl schon zu Ew. Gestrengen Zufriedenheit ausgefüllt?«
»Patron, ich verbitte den Scherz; bei Euren Jahren und Eurer Erfahrung darf man Euch doch wohl nicht erst sagen, daß Commandostellen nur durch Dienst erlangt werden.«
»Halten Sie mir den Irrthum zu gut. Sie sind ein Mann von Ehre, Herr Capitän, und werden einen Matrosen, der in Ihr gegebenes Wort Vertrauen setzt, nicht hintergehen.«
»Matrose oder Mann von trocknem Lande, wer mein Wort zum Unterpfande hat, ist sicher.« »Nun, so erbitte ich mir, lassen Sie mich auf Ihr Schiff gehen, um meine künftige Kameraden kennen zu lernen, ihren Charakter beurtheilen zu können; geben Sie mir die Erlaubniß, zu sehen, ob das Schiff mir anstehe, und wieder zu gehen, wenn mir dies mehr zusagen sollte.«
»Kerl,« rief Ludlow, »diese Unverschämtheit übersteigt meine Geduld.«
»Kann ich doch durch ein Beispiel zeigen, daß ich nichts Unbilliges verlange,« versetzte mit Ernst der unbekannte Seeman. »Ich kenne einen Capitän, welcher sich gerne mit den Banden des heiligen Ehestandes einer gewissen schönen Dame verbinden möchte, die ganz kürzlich erst zu Schiffe abgegangen ist, und doch gibt es Tausende, die weniger Schwierigkeiten machen würden.«
»Immer frecher wirst Du – nun, und wenn dem wirklich so wäre?«
»Sir, ein Schiff ist des Seemanns Geliebte – ja, ist er erst förmlich unter einer Flagge, und diese Flagge im Kriege, so ist er seinem Schiffe vollends angetraut, gleichviel, ob gesetzmäßig oder nicht. Beide find Ein Fleisch, Ein Blut geworden, bis der Tod sie von einander sondert. Bei einem Vertrage von solcher Dauer nun sollte man Jedem freie Wahl lassen. Hat der Matrose nicht seinen Geschmack, so gut wie der Liebende? Die Gilling und die Rundung der Berghölzer seines Schiffes, sind Schultern und Taille; die Takelage, die Locken; der Schnitt und Schick der Segel, die Façon der Putzmacherin; die Kanonen heißen ohnedies schon die Zähne; der Anstrich endlich ist das Erröthen und die jugendliche Farbe. Das sind lauter Geschmacks- und Wahlsachen, Sir, und ohne Erlaubniß, meine Wahl zu treffen und meinem Geschmack zu folgen, muß ich Ew. Gestrengen eine glückliche Seefahrt und der Königin einen bessern Diener wünschen.«
»Glaubt mir, Herr Ruderpinne,« rief Ludlow lachend. »Ihr trautet diesen verkrüppelten Eichen zu sehr, wenn ihr wähnt, sie könnten