Die Wassernixe. mehrbuch

Die Wassernixe - mehrbuch


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und blindlings, keines Bösen gewärtig, auf's Land lossteuerte. Auch die Bewegung an sich hatte etwas Ungewöhnliches, Geheimnißvolles. Das Fahrzeug zeigte gar keine Segeltücher, und dennoch verschwanden die luftigen hohen Spieren bald hinter einem Dickicht, das einen Erdknollen am Meeresrande übelkräuselte.

      Alida erwartete jeden Augenblick das Nothgeschrei von Seeleuten zu hören; als nun aber Minute nach Minute dahinfloß, ohne daß die Stille der Nacht von jenen Schreckenstönen unterbrochen wurde, so fielen ihr jene seeräuberischen Schiffe ein, von welchen es in den Gewässern der kleinen Antillen wimmelte, und die, wie es hieß, zuweilen sogar die kleineren und abgelegeneren Seecanäle des amerikanischen Continents befuhren und sich dort ausbesserten. Die Erzählungen von den Thaten, dem Charakter und dem Ende des berüchtigten Kidd waren damals noch ganz neu, und obgleich sie das Schicksal aller Volkserzählungen theilten, übertrieben und entstellt zu werden, so glaubten doch auch die Gebildeteren genug davon, um seinem Leben und Tode den Stempel des Seltsamen und Geheimnißvollen aufzudrücken. Bald wünschte sie den jungen Commandanten der Coquette wieder zurückrufen zu können, damit sie ihn von der Nähe des Feindes unterrichtete; bald schämte sie sich ihrer Furcht, überredete sich, daß solche mehr aus weiblicher Schwäche hervorgehe, als sich auf Wahrheit gründe, und daß das Ganze weiter nichts sey, als die gewöhnliche Fahrt eines Küstenschiffes, das, mit den Umgebungen vollkommen vertraut, eben so wenig selbst in Gefahr seyn, als sie Anderen bringen könne. Ihre Gedanken waren gerade mit diesem natürlichen und beruhigenden Schluß beschäftigt, als sie deutlich Jemand in den Pavillon eintreten hörte, nicht weit von der Thüre ihres Zimmers. Athemlos, mehr aus aufgeregter Einbildungskraft, als aus irgend einer bestimmten Furcht, welche die neue Störung in ihr hervorgerufen hätte, eilte sie vom Balkon hinweg und lauschte, ohne sich zu regen. Die Thür wurde wirklich, und zwar mit äußerster Behutsamkeit geöffnet, und Alida's erschrockenem Blick bot sich Anfangs nichts dar, als ein sich im Kreise drehender Raum mit der Gestalt eines drohenden, raubgierigen Freibeuters in dessen Mittelpunkt.

      »Potz Nordlichter und Mondschein!« polterte Alderman Van Beverout – denn es war kein Anderer als der Onkel der reichen Erbin, dessen unerwarteter Besuch ihr so viel Schrecken verursachte – »Diese Sternguckerei und Verwandlung der Nacht in Tag wird noch Deine Schönheit zerstören, Nichte, und dann werden wir sehen, wie viele Patroons sich zu Männern melden! Ein glänzendes Auge und eine blühende Wange, darin besteht Dein Waarenmagazin, Mädchen, und die verschläudert Beides, welche noch nicht zu Bett ist, wenn die Glocke Zehn geschlagen hat.«

      »Ihre Disciplin würde gar manche Schöne der Mittel berauben, ihre Macht zu gebrauchen,« erwiederte das Mädchen, und lachte vergnügt, theils darüber, daß ihre Furcht sich als ungegründet erwies, theils über die väterliche Besorgtheit des Tadlers. »Ich habe mir sagen lassen, zehn Uhr sey für die Zauberkraft der europäischen Damen die rechte Hexenstunde.«

      »Hat sich was zu hexen! Das Wort erinnert Einen an die verschmitzten Yankihs, eine Race, die den Lucifer selbst überlisten würde, wenn man sie gewähren ließe. Da will der Patroon schon wieder eine ganze Familie von diesen Spitzbuben dem ehrlichen Holländer auf seinem Gute zugesellen. Eben haben wir uns darüber herumgestritten, und endlich den Streit durch ein erlaubtes Entscheidungsmittel ausgeglichen.«

      »Hoffentlich, theuerster Onkel, nicht durch die Entscheidung des Schwertes.« »Potz Friede und Oelzweige, nein! Der Patroon von Kinderhook ist der letzte Mann in ganz Amerika, der von den Schwertstreichen Myndert Van Beverout's etwas zu befürchten hätte. Ich forderte den Jungen blos auf, einen schönen Aal, welchen die Schwarzen zu unserm Frühstück im Fluß gefangen hatten, festzuhalten, als Probe, ob er der Mann sey, der mit den schlüpfrigen Gesellen fertig werden könne. Beim Verdienst des friedliebenden Sankt Nicolas! die Aufgabe machte dem Sohn des alten Hendrick Van Staats nicht wenig zu schaffen! Der Bursch faßte Dir den Fisch fest, wie Dein Onkel einst einen holländischen Gilder; sein Vater nämlich, so erzählt die Sage, soll ihm als Kind einst ein solches Geldstück in die Hand gegeben haben, um an der Art, wie er es halten würde, zu sehen, ob die rechte Himmelsgabe der Sparsamkeit sich wohl noch auf die nächste Generation der Familie forterben würde, was that Dein Onkel! er hielt den Gilder mit dem Gebisse fest! Doch um wieder auf den Aal zu kommen; mir ward bange, denn der junge Oloff hat 'ne Faust wie eine Schraube, und ich dachte schon, wie nun die Rentrolle des Guts besteckt werden und neben den stattlichen Namen der Harmans und der Rips, der Corneliusse und der Dircks, einst die schmutzige Gesellschaft eines Peleg, eines »Fruchtbarkeit«Leider nöthigen uns die Sitten der Puritaner schon wieder zu Sprachhärten. Die Leserinnen des Conanchet haben vielleicht den Herrn Capitän »Zufriedenheit«, und die Leser das eigensinnige Mädchen, Jungfer »Glaube«, noch in gutem Andenken. In der vorliegenden Stelle nun spricht der alte Holländer von denselben Sekürern mit ihren alttestamentlichen Namen. D.U. und ihres Gleichen stehen sollte: aber just, als der Patroon glaubte; die Wasserbestie beim Hals fest genug zu halten, gab sie einen schnellen Druck, und husch! war sie ihm durch die Finger. Potz Flecke und Schlupflöcher! in der Probe steckt eben so viel Weisheit als Witz!«

      »Mir wenigstens scheint es weiser, da die Vorsehung einmal alle Kolonien unter eine und dieselbe Regierung gebracht hat. Solche Vorurtheile aufzugeben. Wir sind ein Volk, das von verschiedenen Nationen abstammt, daher sollten wir uns bestreben, die schöne Gesinnung und die Kenntnisse einer jeden zu bewahren, aber die Schwächen aller in Vergessenheit zu begraben.«

      »Wacker gesprochen, wie das ächte Kind eines Hugenotten! Aber den Mann will ich sehen, der mir vorwerfen kann, daß ich Vorurtheile hätte. Ich lobe mir einen muntern Handel und eine fertige Rechnengabe. Wenn es gilt, schnell herauszukriegen, wie die Billanz stehe, so zeige mir in ganz Neu-England denjenigen, der's mit einem Gewissen – ich mag ihn nur nicht nennen – aufnimmt, und ich suche meine Mappe hervor, und gehe wieder in die Schule. Ich hab's gern, wenn Einer auf das Seinige bedacht ist, so bin ich nun einmal; aber schon gewöhnliche Ehrlichkeit lehrt uns, daß die Menschen übereinkommen sollten, eine gewisse Grenze anzunehmen, über welche hinaus Keiner gehen dürfte, dem an seinem Ruf und Charakter was gelegen wäre.«

      »Unter welcher Grenze denn Jeder verstehen würde, daß er so weit gehen dürfe, als seine Mittel reichen; ein vortreffliches Mittel, es dem Stumpfsinnigen möglich zu machen, mit dem Spekulativen zu wetteifern. Ich fürchte, ich fürchte, Onkel, man sollte an jeder Küste, die von Kauffartheischiffen besucht wird, einen Aal halten.«

      »La, la, la, Du bist schläfrig, Kind, und da ist Dir nichts recht; es ist Zeit, daß Du zu Bett gehest; morgen wollen wir sehen, ob der junge Gutsbesitzer Oloff mehr Glück bei Dir macht, als bei dem Prototyp der Jonathans. Oho, lösch' diese blendenden Kerzen hübsch aus, und nimm ein bescheidenes Lämpchen mit in's Schlafgemach. Hellglänzende Fenster so nahe an Mitternacht bringen ein Haus in schlechten Ruf bei den Nachbarn.«

      »Am Ende bekommen die Aale eine schlechtere Meinung von unserer Eingezogenheit,« erwiederte Alida lachend, »sonst wüßte ich wenig Wesen in der Nähe, die sich über unsere Verschwendung auslassen könnten.« »Man kann nicht wissen, man kann nicht wissen,« flüsterte der Alderman, indem er die beiden großen Lichter seiner Mündel löschte und statt ihrer seinen kleinen Handleuchter hinstellte. »Dieses helle Licht hält Einen nur wach; nimm Du also lieber mein kleines Wachskerzchen hier, es ist so gut wie ein Schlaftränklein. Küß' mich, Muthwillige, und laß Deine Rouleaux sorgfältig herunter, denn die Neger werden bald aufstehen, um die Pirogue zu beladen, damit sie mit der Fluth nach der Stadt abgehen können. Der Lärm der geschwätzigen Schufte könnte Dich sonst aufwecken,«

      »Wahrlich, man sollte meinen, hier gäb' es wenig, was so thätigen Verkehr zu Schiffe veranlassen könnte,« versetzte Alida, indem sie, den Befehlen des Onkels gehorchend, seine Wange küßte. »Das muß ein starker Trieb zum Handel seyn, der in einer solchen Einöde, wie diese, Stoff zu seiner Befriedigung findet.«

      »Errathen, Kind, errathen. Ich weiß schon, Dein Vater, Monsieur de Barbérie, hatte seine eigenen Ansichten über den Gegenstand, und die hast Du ohne Zweifel größtentheils von ihm geerbt. Und bei alle dem, selbst der Hugenotte, als er aus seinem Schlosse und seinen lehmigen normännischen Ländereien vertrieben wurde, muß doch das Rechnungsführen auch nicht so ganz gegen seinen Geschmack gefunden haben, zumal wenn die Bilanz zu seinen Gunsten stand. Potz Charakter und Nationen! im Grunde genommen, find' ich wenig Unterschied, mit welcher Waare man Handel treibe;


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