Die Wassernixe. mehrbuch

Die Wassernixe - mehrbuch


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Bai möcht' ich sehen, welches der ›Milchmagd‹ sein Hinterkastell weisen kann! Der Bürgermeister und die Rathsherren sollten lieber befehlen, daß die Ebbe sich nach ihrem hohen Belieben einstelle, da würde dann jeder sein eignes Belieben haben, und statt Ebbe und Fluth hätten wir Strudel an Strudel im Hafen!«

       Nachdem der Schiffer solchergestalt seine Meinung von sich gegeben hatte, nahm er seine Pfeife wieder vor, wie Jemand, welcher fühlt, daß er den Siegeslorbeer verdient hat, er mag ihn nun bekommen oder nicht.

      »Mit einem Eigensinnigen rechten, ist verlorne Mühe,« sprach der Alderman zwischen den Zähnen und bahnte sich durch Gemüsekörbe, Butterfässer und allerhand andere Frachtgegenstände eines Marktschiffs einen Weg nach der Stelle, welche seine Nichte im Spiegel einnahm. »Guten Morgen, liebe Alida! frühes Aufstehen wird deine Wangen zu einem Blumengarten machen, und wenn du erst die reine Luft zu ›Lust in Ruhe‹ athmest, werden deine Rosen wo möglich noch üppiger blühen.«

      Aber seine Bemerkung brachte jetzt schon tiefere Gluth auf die Wangen, die der wieder gutherzig Gewordene mit einer Innigkeit küßte, welche bewies, daß es ihm nicht an wahrer Seelenwärme fehlte. Den tiefen Bückling des bejahrten europäischen Lakaien, in einer ziemlich abgetragenen aber reinlichen Livrée erwiederte er mit einer Berührung des Huts, und mit einem freundlichen Kopfnicken den Gruß einer jungen Negerin, deren erborgter Anstand sogleich die Zofe der reichen Erbin erkennen ließ.

      Was letztere anbelangt, so war ein zweiter Blick kaum nöthig, um sich zu überzeugen, daß sie nicht von Eltern gleicher Nation abstammte. Als Erbtheil von ihrem normannischen Vater, einem Hugenotten aus dem niedern Adel, hatte Alida de Barbérie das Rabenhaar, die großen, schwarzglänzenden, feurigmilden Augen, das rein klassische Profil und die schlanke Gestalt – deren Linien wellenförmiger waren, als sie den holländischen Damen in der Regel zu Theil werden. Von ihrer Mutter hatte ›Barberie die Schöne‹, wie man das Mädchen oft vertraulich nannte, eine Farbe der Haut erhalten, weiß und fleckenlos wie Frankreichs Blume, und eine Röthe, welche mit den reichen Tinten eines Abendhimmels in ihrem Vaterlande wetteiferte. Von dem Embonpoint, welches die Schwester des Rathsherrn in ziemlich reichlichem Maaße besessen hatte, war etwas auf ihre schönere Tochter übergegangen, in welcher es sich aber zur reizenden Jugendfülle gestaltete, und, ohne der Leichtigkeit und Anmuth der Gestalt etwas zu nehmen, ihren Umrissen nur noch mehr Weiches und Abgerundetes verlieh. Diese persönlichen Vorzüge wurden noch mehr hervorgehoben durch den netten, bescheidenen Reisehabit, durch einen kleinen, mit herabwehenden Federn geschmückten Biber, vor allem aber durch ihre äußere Haltung, die, ungeachtet der etwas verlegen machenden Lage für eine Dame, glückliche Mitte zwischen Selbstvertrauen und Befangenheit hielt.

      Als der Alderman sich dieser Holden nahete, die so sehr die warme Theilnahme rechtfertigte, welche er in den vorhergehenden Scenen geäußert, fand er sie in einem höflichen Gespräch mit dem jungen Mann begriffen, welcher, nach der allgemeinen Meinung, unter den zahlreichen Bewerbern um ihre Gunst, die meiste Wahrscheinlichkeit des Erfolges hatte. Schon dieser Anblick allein würde hingereicht haben, die gute Laune Beverouts herzustellen. Die Unterredung konnte, so hoffte er, nur mit dem von ihm beabsichtigten und gewünschten Resultat endigen; er hütete sich also sie zu unterbrechen, und machte sich Platz, indem er François, den Bedienten seiner Nichte, kaltblütig aus dem seinigen wegschob.

      Der gegenwärtige Versuch mißlang ihm jedoch. Menschen beiderlei Geschlechts, welche zum erstenmal eine Reise zur See machen, fühlen sich von einer Empfindung durchdrungen, die ihnen den Mund schließt und sie zum Nachdenken aufgelegt macht. Aeltere fühlen sich dann zum Beobachten und Vergleichen hingezogen; in jüngeren und mehr reizbaren Personen gestaltet sie sich zum Sentimentalen. Wir wollen uns nicht dabei aufhalten zu untersuchen, welches bei dem Patroon und Barbérie der Schönen Ursache und Folgen jener Empfindung gewesen seyn mögen, sondern bemerken nur, daß sie von beiden gefühlt ward; der gute Alte, der die träge Bucht zu oft beschifft hatte, um ähnlichen Anwandlungen noch ausgesetzt zu seyn, bemühte sich vergebens; die jungen Leute wurden immer stiller, gedankenvoller. Der kleine Gott stiftet sein Unheil eben so oft durch's Schweigen, als durch andre Mittel; diese Wahrheit durfte Myndert, wenn er auch selbst ein Hagestolz war, nicht jetzt erst lernen, daher nahm er auch zum Schweigen seine Zuflucht, und legte sich auf's Beobachten der langsamen Fortbewegung der Pirogue, was ihn so sehr zu beschäftigen schien, als wenn er seinen eigenen Schatten im Wasserspiegel verfolgte.

      So, in dieser charakteristischen und, wie man schließen möchte, angenehmen Art, ging die Fahrt eine Viertelstunde, wo das Boot die Mündung der Bucht erreichte. Durch eine mächtige Gewalt ward es hier in die Linie der in Fluth begriffenen Wogen gerissen, und trat, im eigentlicheren Sinne, die Seereise an. Schon setzten die Schwarzen, aus denen die Mannschaft bestand, die Segel, schon war alles Andere zur wirklichen Abfahrt in Bereitschaft, da erscholl eine Stimme vom Ufer, ihnen, mehr im Tone des Befehls als Ersuchens, zurufend, daß sie Halt machen möchten.

      »Hilloh, Pirogue!« rief's. »Holt Euer Obersegel an, und klemmt die Ruderpinne in den Schooß des behaglichen alten Herrn dort. Heran, lustig! meine Brummbären! sonst nimmt Euer Rennpferd von Fahrzeug das Gebiß auf die Zähne und läuft mit Euch auf und davon.«

      Diese Aufforderung brachte die Leute zum Stocken in ihren Manövern. Erst sahen sie überrascht und verwundert sich einander an, dann vierten sie wirklich das Obershot, drückten das Ruder, ohne jedoch den Schooß des Rathsherrn zu incommodiren, luvabwärts, so daß das Boot einige Ruthen vom Ufer zum Stehen kam. Während der neue Passagier sich anschickte, in einer Jolle abzustoßen, hatten die im Boot, welche seine Bewegungen beobachteten, Muße, sein Aeußeres näher zu untersuchen, und über seinen Charakter ihre verschiedenen Vermuthungen zu machen. Wir brauchen wohl Keinem zu sagen, daß er ein Sohn des Oceans war. Er hatte einen kräftiggebauten, gelenkigen Körper, und maß in den Strümpfen genau sechs Fuß. Die Schultern waren gedrängt, obgleich breit, die Brust gewölbt und hoch, die Glieder gerundet, voller Muskelkraft und von reinen Umrissen, und die ganze Gestalt deutete auf das genaueste Verhältniß von Kraft und Kraftaufwand. Ein kleiner, runder Kopf bewegte sich mit Sicherheit auf seiner breiten Basis, und war umdunkelt von einem reichen Wuchs braunen, schon etwas graugesprenkelten Haares. Das Gesicht, das eines Dreißigers, war eines solchen Körpers würdig, männlich, kühn, entschlossen und fast schön zu nennen, obgleich im Ausdruck desselben wenig mehr lag, als Unternehmungsgeist, hohe Besonnenheit, etwas Starrsinn und ein gewisser Grad von Geringschätzung gegen Andere, welche der Fremde sich nicht immer viel Mühe gab zu verbergen. Ein reiches, starkes, überall sich gleichbleibendes Roth, überzog das Gesicht, wie es bei Menschen der Fall zu seyn pflegt, die von Natur eine helle und blühende Farbe besaßen, aber viel Strapazen ertragen haben.

      Nicht minder merkwürdig als die Person, war der Anzug des Fremden. Er trug eine kurze, eng anliegende und geschmackvoll geschnittene Jacke, eine kleine, niedrige, nachläßig schief sitzende Mütze, weite Beinkleider, Alles von schneeweißem Segeltuch, ein Zeug, das der Jahreszeit und dem Klima am besten entsprach. Da die Jacke keine Knöpfe hatte, so erhielt dadurch ein reicher, indischer Shawl, der seinen Körper umgürtete, das Ansehen eines nothwendigen Kleidungsstücks, obgleich er mehr zur Zierde diente. Durch die Oeffnung am Busen schaute fleckenlos klare Leinwand hervor, und ein Kragen von demselben Stoffe fiel vom Halse über das bunte Seidenband, welches nachläßig einmal herumgewunden war. Dieses Band, von einer damals in Europa wenig gekannten Arbeit, war fast ausschließlich nur von den sogenannten Matrosen der langen Seereise getragen. Das eine Ende ließ man im Winde spielen, das andere hingegen war sorgfältig an der Brust angelegt, und daselbst an den elfenbeinernen Griff eines kleinen Messers befestigt, dessen Klinge die Brustleinwand verbarg – eine Art Tuchnadel, die selbst heutzutage noch bei Seeleuten nicht ungewöhnlich ist. Erwähnen wir nun noch, daß die Fußbedeckung in leichten Pantoffeln aus Kanevas bestand, auf deren Spannen »unklare« Anker eingewebt waren, so ist der Anzug des Fremden so vollständig angegeben, als es hier nöthig ist.

      Die Erscheinung eines Menschen, von einem Aeußern wie wir es so eben beschrieben, erregte bei den Negersklaven, welche die Stoops und das Straßenpflaster scheuerten, nicht geringes Aufsehen. Vier oder fünf Müßiggänger darunter folgten ihm auf der Ferse, bis zu der Stelle, wo er die Pirogue anrief, und beobachteten seine Haltung und Bewegungen mit der, den Negern eigenthümlichen Bewunderung, wenn sie auf Menschen stoßen, denen es anzusehen ist, daß sie viel Abenteuer, Strapazen


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