Die Wassernixe. mehrbuch

Die Wassernixe - mehrbuch


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nach dem ihn erwartenden Fahrzeug. Wahrlich, das ungebundene Wesen, die Entschlossenheit und die männlichen Bewegungen eines so musterhaften Seemannes, würden auch die Aufmerksamkeit von Menschen auf sich gezogen haben, die mehr von der Welt gesehen, als die Paar Neger, welche in einem Haufen am Ufer standen und ihm voller Bewunderung, mit aufgerissenen Augen nachschauten. Durch das ungezwungene Spiel seines Handgelenks und Ellenbogens bewegt und rasch vorwärts gleitend, nahm sich die Jolle wie ein ausruhendes, mit den Wogen treibendes Seethier aus, und während er so, auf jedem Dollbord einen Fuß gepflanzt, fest wie eine Bildsäule dastand, erzeugte seine schwankenlose Haltung ungefähr dasselbe Vertrauen, welches man gewinnt, wenn man lange den Künsten eines sicheren Seiltänzers zugesehen hat. Als das leichte Boot an die Pirogue herangekommen war, warf er dem Neger eine kleine spanische Münze in die offene Hand und sprang mit solcher Muskelkraft in das größere Schiff, daß das kleinere von dem erhaltenen Stoß den halben Weg nach dem Ufer von selbst zurückflog, und der erschrockene Schwarze in dem schaukelnden Gefäß sich so gut festzuhalten suchen mußte, als es gehen wollte.

      Tritt und Stellung des Fremden, sobald er das Halbdeck der Pirogue gewonnen hatte, waren ächt seemännisch und sicher bis zur Verwegenheit. Mit einem einzigen Blick schien er es heraus zu haben, daß Mannschaft und Passagiere auf der See nur halb zu Hause wären, und jene Ueberlegenheit über seine Schiffsgenossen zu fühlen, welche Leute seines Gewerbes zu jener Zeit nur zu oft gegen Personen hegten, deren Ehrgeiz sich vom festen Lande beschränken ließ. Er wandte das Auge hinauf nach dem einfachen Tau- und dem anspruchlosen Segelwerk der Pirogue, wobei er unwillkührlich die Oberlippe etwas aufwarf und eine Kennermiene annahm. Nachdem er hierauf die Vorderschotten freigestochen und den Segeln den Wind gegeben hatte, schritt er über die Butterfässer, und, ohne anzustehen, auch über einen ihm im Wege sitzenden Bauern hinweg, und gewandt und unerschrocken wie ein geflügelter Merkur, trat er auf's Heck mitten unter die Gesellschaft des Rathsherrn. Hier angekommen, war das Erste, was er unternahm, den erstaunten Schiffer mit einer ruhigen Befehlshabermiene vom Steuer wegzuschieben, und so gelassen, als träte er blos seinen täglichen Posten an, ihm die Pinne aus der Hand zu nehmen, um sie selbst zu lenken. Erst als er sah, daß das Boot in gehörige Bewegung gesetzt war, fand er Muße, von seinen Reisegefährten einige Notiz zu nehmen, und sein kühner, nicht zu verblüffender Blick fiel zunächst auf François, Alida's Bedienten.

      »Ihre breite Flagge, Herr Commodore,« bemerkte der Aufbringung, auf den Haarbeutel des aufpassenden Franzosen hinzeigend, dabei aber so unerschütterlich ernst, daß der arme Teufel halb irre wurde, »wird Sie belästigen, wenn wir Sturm bekommen sollten. Doch ein so erfahrener Offizier ist gewiß nicht ohne Sturmstange gegen schlechtes Wetter in See gestochen.«

      Der Lakai verstand die Anspielung nicht, oder that, als wenn er sie nicht verstünde, und behauptete eine vornehme Miene stiller Ueberlegenheit.

      »Der Gentleman ist in fremden Diensten und versteht einen englischen Seemann nicht. Na, wenn zu vieler Windfang da ist, so haut man ihn im schlimmsten Fall weg, und läßt ihn mit den Wellen treiben. – Darf ich so frei seyn, Herr Richter, Sie zu fragen, ob die Behörden seit Kurzem in Betreff der Freibeuter auf den Inselgewässern etwas gethan haben?«

      »Ich habe nicht die Ehre, ein Beamter I. Majestät zu seyn,« erwiederte kalt Van Staats von Kinberhook, an welchen die Frage gerichtet war.

      »Der beste Schifffahrer wird zuweilen durch eine Dunstgestalt irre geführt, und schon mancher alte Seemann hat eine Nebelbank für festes Land gehalten. Uebrigens wünsche ich Ihnen Glück, Sir, daß Sie nicht zu den Gerichten gehören, denn man fährt dort zwischen Untiefen, sey's als Richter, oder als Kläger. Man befindet sich nie in recht sicherem, landumschlossenem Hafen in der Gesellschaft eines Juristen, und doch kann der Teufel selbst sich nicht immer in gehöriger Ferne von diesen Hayfischen halten. – Ein schön Stück Wasser, Freunde, ist diese Yorker-Bai; für verfaulte Taue und widrige Winde kann man es sich nicht besser wünschen.«

      Der Patroon glaubte, diese Gelegenheit benutzen zu müssen, um Alida zu zeigen, daß er sich mit dem Fremden im Aufziehen messen könne, und versetzte daher: »Sie sind ein Matrose von der langen Reise.«

      »Lang oder kurz; Calcutta oder das Cap Cod; blinde Fahrt, klare, oder Sternguckerei, dem echten Delphin ist alles gleich. Die Gestalt des Gestades zwischen Fundy und Horn ist meinem Auge so was Gewöhnliches, wie dieser jungen Dame ein Anbeter, und was die andern Küsten betrifft, so hat der Commodore da seine Flagge nicht so oft aufgesetzt, als ich bei schönem wie bei schlechtem Wetter daran entlang gefahren bin. Eine Fahrt wie die gegenwärtige, ist ein Sonntag in meinem Schiffsleben, obgleich ich mir zu sagen getraue, daß Sie das Testament noch einmal durchsahen, vom Weibe Abschied nahmen, den Kindern Ihren Segen ertheilten und sich selbst den des Priesters ausbaten, ehe sie diesen Morgen an Bord stiegen.«

      »Nun, solche Vorkehrungen würden die Gefahr gerade nicht vermehrt haben,« sagte der junge Patroon, begierig einen verstohlenen Blick auf die schöne Barbérie zu werfen, aber so schüchtern, daß er ihn neben ihr vorbeistreifen ließ. – »Man ist darum der Gefahr nicht näher, daß man auf ihr Herankommen gefaßt ist.«

      »Wahr; wir müssen alle sterben, wenn die Rechnung geschlossen ist. Hängen oder Ersaufen – Galgen oder Kugel säubert die Welt von einer großen Menge Schutt, sonst würde sich das Verdeck mit so viel im Wege liegenden Zeug anfüllen, daß es unmöglich wäre, das Schiff zu regieren. Die letzte Fahrt ist die längste, und richtige Schiffspapiere mit einem reinen Gesundheitsschein, helfen einem in den Hafen, wenn man die offene See nicht mehr halten kann. – Wie geht's, Schiffer? Was für Lügen schwimmen diesen Morgen in den Schiffswerften umher? wann hat sich der letzte Albanyfahrer mit seiner Tonne davon gemacht, den Fluß hinab? Wessen Wallach ist auf der Jagd nach einer Hexe todtgeritten worden?«

      »Teufelsjungens!« brummte der Alderman; »an Taugenichtsen, die armen Thiere zu quälen, fehlt es freilich nicht.«

      Der Seemann vom Indischen Shawl, ohne auf die Wehklagen des Bürgers zu achten, fuhr in seinen Fragen fort: »Haben sich die Boucaniers auf's Beten gelegt, oder machen sie hier im Rücken des Krieges glänzende Geschäfte? Die Zeiten sind schlimm für Leute vom echten Kaliber, wie sich an dem Kreuzer dort sehen läßt, der sein Ankertauwerk abnutzt, statt die offene See zu versuchen. Möge mir jede Spiere am Leibe zerspringen, wenn ich das Boot nicht noch vor morgen in's Freie nähme und ihm eine Auslüftung verschaffte, wenn die Königin geruhen wollte, Eurem ergebenen Diener den Befehl darüber anzuvertrauen. Liegt nicht der Lümmel dort vor Anker, als wenn er eine gute Fracht echter holländischer Leinwand in seinem Raume hätte, und auf einige Ballen Biberhäute wartete, um sie gegen seinen Branntwein einzutauschen.«

      Während der Fremde so ganz unumwunden seine Meinung von dem königlichen Schiff, die Coquette, äußerte, durchlief sein Auge die Mitglieder der Gesellschaft, und weilte einen Augenblick mit vielsagender Heimlichkeit auf dem unabgewandten Antlitz des Rathsherrn.

      »Nun gut,« fuhr er fort, »wenn die Schaluppe zu weiter nichts taugt, so dient sie wenigstens zu einer schwimmenden Wetterfahne, die Richtung der Fluth anzuzeigen; und bei der Schifffahrt eines Herrn von Eurem Scharfsinn, Bootsmann, der Ihr eine so sorgsame Acht gebt auf die Art, wie sich die Welt herumdreht, ist das schon kein zu verschmähender Beistand.«

      Der Eigenthümer der Pirogue, der den Spott nicht verstand und sich daher auch nicht beleidigt fühlte, antwortete: »Wenn es wahr ist, was man sich in der Bucht erzählt, so kriegt Kapitän Ludlow und die Coquette was zu thun, ehe viele Tage vergehen.«

      »Aha! der Kerl hat sein Fleisch und Mehl aufgegessen, und wird sich umsehen müssen, sein Schiff mit neuem Proviant zu versorgen! 's wär' Schade, wenn ein so thätiger Herr in einem Meereskanal, wo die Fluth sich so munter regt, sollte fasten müssen. Na, und wenn nun wieder was in seinem Küchengeschirr ist, und er sein Mittagessen gehörig verzehrt hat, woran wird er sich dann zu machen haben, meinst Du?«

      »Unter den Bootsleuten der Südbai läuft das Gerede, daß sich auf der Langen-Insel, nach der Meeresseite hin, gestern Nacht etwas gezeigt hat.«

      »Die Wahrheit dieses Gerüchtes kann ich selbst bestätigen, denn ich bin mit der Abendfluth heraufgekommen und hab' es mit eignen Augen gesehen.«

      »Was alle Teufel! nun, wofür hältst Du's?«

      »Für


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