Römische Tagebücher. Alois C. Hudal
hier falsch zitiert haben. Das römische Volkssprichwort lautet nämlich: „A Roma si va avanti con piedi di piombo!“)
24) (jener) „süßer (gütiger) Christus auf Erden“
25) „Beten wir für unseren Papst!“
3. Der Kampf um die Deutsche Nationalstiftung der Anima — eine gesamtdeutsche Frage
Geschichte und Entwicklung der Deutschen Nationalstiftung der Anima sind in mancher Hinsicht, ähnlich wie jene der Benediktinerabteien Farfa und Nonantula, ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Reichsgedankens in Italien. Aus kleinen Anfängen, großherzigen Schenkungen einer Familie Peter von Dordrecht in den heutigen Niederlanden, Diözese Utrecht, damals noch Suffraganbistum von Köln, des Kardinals Enkenvoirt, Freunde des Papstes Hadrian VI., ist die Anima bald durch kleine und größere Beträge aus allen Gauen des Römischen Reiches Deutscher Nation zur führenden Stellung einer Deutschen Nationalstiftung in Rom emporgestiegen. Im modernen staatspolitischen Begriff war der eigentliche Gründer also die Niederlande. Wenn sie ihre Stiftung für alle Mitglieder der damaligen „Natio Alemannorum“ bestimmte, so dachten sie begreiflicherweise an die Landsleute ihrer eigenen Heimat (Westdeutschland, Rheinland und namentlich die Niederlande). Dietrich von Nieheim, der umstrittene Kurialist, kommt erst an zweiter Stelle, so verdienstvoll sein Wirken für die Anima war. Bewegt ist die Geschichte der Anima in den folgenden Jahrhunderten. Niederländer, Flamen, Belgier und zuletzt Italiener des zum Reichsfürstentum erhobenen Bistums Trient, Österreicher und Reichsdeutsche (im neuen Sinne der Staatsbürgerschaft) scheinen in ihren wechselvollen Schicksalen auf. Nicht alle Gebiete des Römischen Reiches Deutscher Nation, mit dessen Ursprung, Geschichte und Entwicklung die Pilgerstiftung „Unserer Lieben Frau der Seelen“ in Rom eng verbunden ist, haben im Laufe der Jahrhunderte in gleich starker Weise auch an der finanziellen Entwicklung der Anima Anteil gehabt. Ein Blick in das Bruderschaftsbuch, das von 1464 bis 1601 reicht und mit ungefähr 3000 Namenseintragungen eine der wichtigsten Quellen für die Geschichte des Deutschtums in Rom bildet (gleichzeitig mit jenem des deutschen Campo Santo bei St. Peter [von 1501] und des päpstlichen Heiligen-Geist-Spitales), zeigt uns, wie mannigfach nach Stämmen, Landschaften und Bistümern gegliedert die deutschsprachige Katholikengemeinde Roms in allen Jahrhunderten gewesen ist. Die Anima war auf geschichtlich nicht ganz geklärtem Wege seit Kaiser Friedrich III. unter weltlichen Rechtsschutz geraten. Vielleicht war das kaiserliche Protektorat, das später Maximilian in einem eigenen Staatsdokument festlegte, ein durch die damaligen Verhältnisse verursachter Übergriff weltlicher Macht (15. Februar 1517) in eine rein religiös-kirchliche Stiftung. Mit dem Glanz und Niedergang der Habsburgerfamilie eng verbunden, haben alle großen Ereignisse der Reichsgeschichte immer wieder in der ehrwürdigen Marienkirche der Anima ein Echo gefunden. Feierlich wurden mit einem Te Deum in dieser Kirche der Sieg Wallensteins, die Schlacht bei Nördlingen und vor allem die Befreiung Wiens von den Türken (1683) der deutschen Gemeinde und den Römern in ihrer Bedeutung für die gesamteuropäische Kultur zum Bewußtsein gebracht. Das kaiserliche Protektorat hatte für die Anima zur Folge, daß sie unter dem Einfluß des Fürstenabsolutismus zur Hof- und Repräsentationskirche der Habsburger in Rom wurde, während die Bruderschaft als ursprüngliche Trägerin des Besitzes und auch des Stiftungszweckes nach der Mitte des 17. Jahrhunderts sich allmählich auflöste. Der Anima gegenüber konnte ihre Schwesterstiftung des deutschen Friedhofs bei St. Peter, auch wenn manche ihren geschichtlichen Ursprung bis auf die karolingische Zeit zurückführen wollen, nicht aufkommen, selbst nicht, als um die Mitte des 15. Jahrhunderts ein Würzburger Ordenspriester gegen die Italienisierung reformierend entgegenzuwirken suchte. Auch diese zweite deutsche Stiftung, die wie die Anima ursprünglich nur für Pilgerbetreuung bestimmt war, wurde in den unsicheren Zeiten des spätmittelalterlichen Roms unter Reichsschutz gestellt. So sind beide, als das Römische Reich Deutscher Nation 1806 sein Ende fand, mit oder ohne Zustimmung des Vatikans unter das weltliche Schutzrecht der österreichischen Kaiser gekommen, was schließlich auch in den päpstlichen Breven für die Anima (1859) und den Campo Santo (1876) feierlich anerkannt worden ist. Es kann geschichtlich nicht bestritten werden, daß dieses weltliche Schutzrecht auch seine großen Vorteile hatte, wenn man an die unsicheren rechtlichen Verhältnisse im Kirchenstaate denkt, die aus allen Botschaftsberichten leider nur zu klar ersichtlich sind. Jedenfalls wurde die Stiftung der Anima im kritischen Jahre 1870, als der neue italienische Staat religiöse Vermögen zur Bezahlung seiner Schulden nach Belieben einziehen wollte, durch die Überschreibung in den Catasto di Roma26a) als „Ospizio reggio austriacob)“ und als „Imperiali e Reali Stabilimentic)“ vor den Zugriffen der geldbedürftigen neuen Herrscher Roms gerettet. Das Jahr 1918 hat mit dem Ende der Habsburgermonarchie diesem Schutzrecht ein Ende bereitet, um so mehr, als das Saint-Germain-Österreich ausdrücklich in der Präambel des Friedensvertrages erklärte, sich nicht als Nachfolgerin der Habsburgermonarchie betrachten zu wollen. So hatte auch Papst Benedikt XV. in einer Ansprache hervorgehoben, um den Weg für spätere Konkordate freizulegen, daß alle Rechte der früheren diesbezüglichen Herrscher in der Kirche nunmehr an den Apostolischen Stuhl zurückgefallen seien. Es war zu verständlich, daß nach dem Ersten Weltkriege, besonders aber nach der neuerlichen Ernennung eines Österreichers zum Rektor (1923), die Frage einer Neufassung des in vieler Hinsicht veralteten Breves von 1859 verschiedene Kreise interessieren mußte, nachdem der Text schon seit Jahrzehnten in vielen Teilen durch die Geschichtsereignisse überholt war und überdies geschichtliche Unwahrheiten enthielt. Tatsächlich hat das päpstliche Breve 1859 die berechtigten Ansprüche der Holländer nur teilweise anerkannt (in deutscher Übersetzung):
„Der zur Kirche S. Maria dell’Anima bestellte Klerus ist unter Deutschen zu wählen, die zur germanischen Nation gehören. Was die Belgier und Holländer betrifft, die ursprünglich das Recht hatten, in diesen Klerus zugelassen zu werden, so soll ihnen ein Entgelt gewährt werden durch Überweisung eines Jahreszuschusses aus den Einkünften der frommen Gründung, nämlich hundertzwanzig Scudi für einen Belgier und ebensoviel für einen Holländer, zu leisten an das belgische oder andere Priesterkolleg, jedesmal wenn sich dort von ihren diesbezüglichen Bischöfen ausgewählte und gesandte Personen befinden.“
Belgier, Holländer und Luxemburger und nicht zuletzt Reichsdeutsche meldeten deshalb nach 1918 nicht zu Unrecht ihre Ansprüche, stammten doch die grundlegenden und ursprünglichen Stiftungen, denen die spätere Entwicklung der Anima ihre Bedeutung verdankte, aus den Niederlanden, die im 14. Jahrhundert zum Römischen Reich Deutscher Nation gehörten, ferner aus den Gebieten der Diözesen Paderborn, Kulm (Danzig) — Brixen und Trient können nicht übersehen werden —, um nur einige zu nennen. Dabei ist es schwierig, heute noch im einzelnen nachzuweisen, wie viele Beiträge aus anderen Diözesen Deutschlands und Österreichs geleistet worden sind. Selbst die diesbezügliche Archivarbeit des Rektors Lohninger (Linz) konnte darüber nicht unbedingte Sicherheit verschaffen. Nur das Österreich der Nachkriegszeit hatte eine neue Stiftung, die 1924 Kardinal Erzbischof Piffl (Wien) mit Geschenken von Schweizer Wohltätern gemacht hat. Sonst verdankte die Anima ihren wirtschaftlichen Weiterbestand nur den Kapitalien (Häusern), die vorausgehende Jahrhunderte hinterlassen hatten. Je mehr ich mich nach meiner Ankunft in Rom in die Geschichte der Anima auf Grund von Geschichtsurkunden vertiefte, um so rascher erkannte ich, daß tatsächlich in ihr ein Stück vom Römischen Reich Deutscher Nation erhalten ist, daß es also ein gesamtdeutsches Haus war, in dem, keinen Schlagbaum kennend, ungeachtet aller Treue zur römischen Kirche, deutscher Geist herrschen und kreisen muß; wo ein halbes Jahrtausend deutscher Auslandsgeschichte auf mich täglich einwirkt und so viele Grabdenkmäler meiner Vorgänger mich an des Reiches Herrlichkeit erinnern, will ich Sonderwünschen keinen Raum in meinem Herzen geben, sondern die Stiftung so leiten, daß sie ihrer Geschichte und Vergangenheit würdig sei. Schon einmal war in der alten österreichisch-kaiserlichen Zeit ein Rektor (Lohninger, Linz) über diese seine gesamtdeutsche Haltung gestürzt.