Panikherz. Lisa Richter

Panikherz - Lisa Richter


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ich Hoffnung und schloss die Tür des Arbeitszimmers von innen ab, um auch hier zu üben.

      „Können Sie mir erzählen, was aktuell das schlimmste Gefühl ist, das Sie mit Ihrem Vorfall verbinden?“ Frau Lehmann, meine Psychotherapeutin, saß mir wie jede Woche gegenüber und versuchte, mit mir mein Trauma aufzuarbeiten.

      Aber das wollte einfach nicht funktionieren. Mir war klar, dass die Panikattacken nicht einfach verschwinden würden, ganz im Gegenteil, sie würden mich mein Leben lang begleiten, aber ich wünschte mir einfach, dass sie nicht mehr so schlimm wären oder dass ich sie mehr kontrollieren konnte. Ich brauchte nicht lange über diese Frage nachdenken. „Schuld … Schuldgefühle.“

      Manchmal bewunderte ich ihr Pokerface, denn sie wusste, dass es mir nicht immer guttat, wenn sie mir durch ihren Gesichtsausdruck ihre Gefühle – so etwas wie Mitleid oder Angst – offenbarte.

      „Sie fühlen sich also immer noch selbst für das verantwortlich, was passiert ist?“

      „Ja.“

      „Können Sie es nicht hinnehmen, dass die Schuld nicht bei Ihnen, sondern bei den Tätern liegt?“, fragte sie vorsichtig.

      „Nein. Ich sehe mich als Auslöser, weil ich mich bewusst dazu entschieden habe, von zu Hause wegzulaufen“, antwortete ich überzeugt.

      „Glauben Sie wirklich, dass das bewusst passiert ist? Sie waren fünfzehn. Noch halb ein Kind, ein Jugendlicher. Glauben Sie nicht, dass es normal ist, in so einem Alter unüberlegt zu handeln?“ Sie rückte ihre Brille gerade. Ich schüttelte nur langsam den Kopf.

      „Also, wenn Sie wirklich der Überzeugung sind, schuld zu sein, meinen Sie nicht, dass es richtig wäre, sich selbst zu verzeihen?“, fragte sie sanft. Darauf wusste ich nichts mehr zu sagen. So hatte ich das noch nie gesehen. Ich wusste bis dahin gar nicht, dass ich mir selbst etwas verzeihen konnte. Dass es diese Möglichkeit überhaupt gab.

      „Ich weiß, das ist nicht einfach mal so erledigt. Es braucht Zeit. Aber ich glaube, all das Leid, das Sie in Panikattacken erfahren, das ist nur eine Verarbeitung von Schmerz, sondern auch innerer Druck. Druck, dem Sie sich aussetzten, indem Sie nicht loslassen. Sich selbst nicht verzeihen.“

      Jetzt war ich völlig verstummt. Auch Frau Lehmann sagte nichts mehr. Vielleicht wollte sie mir Zeit lassen, darüber nachzudenken.

      „Was wäre denn, wenn ich mir nicht verzeihen könnte?“, brachte ich leise hervor. „Hört die Panik dann nie auf?“

      „Ich glaube, irgendwann kann jeder verzeihen. Die Schuldgefühle sind aber sicherlich nur ein Teil, der zu der Panik beiträgt. Es ist ein Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren.“

      „Können Panikattacken überhaupt ganz verschwinden?“, traute ich mich, zu fragen.

      „Ja. Bei manchen Menschen passiert das bei einer Änderung im Leben. Ein neuer Job, eine neue Umgebung. Dann kann es wie ausgelöscht sein. Aber in den meisten Fällen bleiben Panikattacken bestehen, werden aber irgendwann weniger.“

      „Ich bin jetzt schon zehn Jahre in Therapie“, begann ich. „Meinen Sie nicht, dass ich etwas anderes probieren sollte? Gibt es nicht auch Tabletten gegen so etwas?“ Es war dieselbe Frage, die ich einst schon meinem Kindertherapeuten gestellt hatte. Ich wusste, wie die Antwort aussehen würde. Warum sollte diese Therapeutin anders antworten? Aber ich stellte sie trotzdem, denn ich war gespannt, wie sie es sehen würde.

      „Ja, aber das ist keine gute Alterative und in den meisten Fällen tritt keine ausschlaggebende Wirkung ein.“

      Hatte ich es doch gewusst. „Schlimmer kann es ja nicht mehr werden, oder?“

      Frau Lehmann zog Luft ein. „Das Schlimme daran ist, dass Tabletten – auch wenn es nur Baldrian ist – Ihnen das Gefühl geben, dass es dann nicht mehr ohne geht. Und vor allem, dass Sie die Panik nicht aus sich selbst heraus überwinden können. Medikamente geben Ihnen immer den Eindruck, dass Sie diese brauchen. Das ist wie mit Drogen. Man ist dann abhängig davon und man kann die Sucht nicht überwinden, wenn man die Drogen nicht absetzt. Also sollten wir erst gar nicht damit anfangen.“ Tja, ungefähr dieselbe Antwort. Aber was wohl schon immer niemand verstanden hatte, war, dass ich nicht mehr mit dieser Panik leben konnte. Ich wollte sie abstellen und war fest davon überzeugt, dass ich es selbst nicht schaffen konnte – wie man nach zehn Jahren ja sah – und auch nicht mit einem Therapeuten. Es wäre eine Erlösung für mich, wenn es ein Medikament gäbe, das die Panik besiegen könnte. Das hatte ich auch damals schon immer gedacht und alles ausprobiert – Alkohol, Zigaretten, Joints und andere Drogen – und mir damit alles versaut. Riesiger Streit mit meinen Eltern, die mich mit 17 rausschmeißen wollten, als sie merkten, dass ich Drogen nahm, natürlich großer Streit mit Franziska und eine Menge peinlicher Momente. Auf Nicos 18. Geburtstag hatte ich mich so volllaufen lassen, dass ich halb komatös im Krankenhaus landete.

      Diese Phase entstand bei anderen Jugendlichen aus Abenteuerlust am Ausprobieren und weil sie es nicht besser einschätzen konnten. Ich hatte es einschätzen können, aber ich hatte an manchen Tagen so eine miese Stimmung, dass ich einfach nichts mehr fühlen wollte. Oder dachte, dass ich endlich mal wieder ruhigen Schlaf finden würde, wenn ich irgendwas nahm. Aber am Ende war das alles kontraproduktiv und machte nur noch größeren Ärger. Es war eben nur die pure Verzweiflung. Diese Panikattacken während des Schlafs machten mir so eine Angst, dass ich begann, mich nachts wachzuhalten, was sogar funktionierte, weshalb die Schule aber nicht mehr lief. Irgendwann schlief man dann sowieso ein, wenn man sich tagelang wachhielt. Angst vor der Angst nannte man so etwas. Zusammengefasst hatte ich also alles falsch gemacht, was man als traumatisierter Jugendlicher so falsch machen konnte. Und manchmal hatte ich Angst, dass das im Erwachsenenalter so weitergehen würde. Ich war überzeugt davon, dass ich meinem Leid schon selbst ein Ende gesetzt hätte, wenn ich Franziska nicht an meiner Seite gehabt hätte. Dann hätte ich selbst wieder einen Weg in den Himmel gefunden. Denn sterben war viel leichter, als zu leben.

      „Gab es einen bestimmten Anlass, mir diese Frage über Medikamente zu stellen? Oder sind Sie im Allgemeinen frustriert, dass Sie Ihrer Meinung nach keine Fortschritte machen?“, fragte sie dann.

      „Na ja, ich bin derzeit ziemlich fertig mit allem“, gab ich zu. Ich hatte ihr den Vorfall mit den Lilien noch nicht erzählt, also tat ich es jetzt einfach. Vielleicht hatte sie ja einen Gedanken, auf den ich zuvor noch nicht gekommen war.

      Ihre erste Reaktion war nur: „Das ist ja wirklich eine Menge, mit dem Sie klarkommen müssen.“ Ich nickte nur. „Warum macht Ihnen das alles so eine Angst? Ich meine, es muss bestimmt jemand gewesen sein, der den Tatort gesehen hat. Aber warum denken Sie nicht, dass Ihnen dieser Jemand – warum auch immer – einen schlechten Scherz gespielt hat und es dabei belassen wird?“

      „Ich weiß nicht, zunächst war es einfach ein Schock, noch einmal mit Dingen von damals konfrontiert zu werden. Dann hatte ich vorgestern einen ziemlich realen Traum, in dem ich zwei Mal falsches Erwachen und Panik hatte.“ Nun beschrieb ich ihr den Traum.

      „Wenn wir den Traum deuten wollen, wie würden Sie ihn sich erklären?“, fragte sie daraufhin.

      „Ich kann mir daraus gar nichts erklären. Ich habe nur die Angst, dass es eine Vorahnung sein könnte“, sprach ich meine verrückten Gedanken aus.

      „Sie haben recht, es gibt tatsächlich Träume, in denen unser Unterbewusstsein auf etwas hindeuten möchte. Aber ich bin mir sicher, dass es in diesem Fall nicht so ist. Welche Symbole erkennen Sie aus dem Traum?“

      Ihre Meinung beruhigte mich irgendwie nicht. „Meine Angst wird deutlich geschildert. Und das Bild meines Mörders in der offenen Tür ist eine Erinnerung an früher. Genauso wie das Messer. Und der Schmerz im Arm natürlich auch.“

      „Ja, das hätte ich auch so gesehen. Also eine Menge Elemente, die Sie im Traum einfach verarbeitet haben. Ich sehe darin noch das Motiv der Hilflosigkeit. Sie können sich selbst und Franziska in diesem Traum nicht helfen. Das Gefühl der Hilflosigkeit und der Passivität hatten Sie bei den Tätern auch, weil Sie gefesselt waren“, stellte Frau Lehmann fest. Ich nickte überrascht


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