Ein Wintermahl (eBook). Hubert Mingarelli

Ein Wintermahl (eBook) - Hubert Mingarelli


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wenn ich meinen Helm abgenommen hätte.

      Bauer sagte: »Riskieren wir hier noch etwas anderes, außer dass wir uns die Hände abfrieren?«

      Damit spielte er auf Emmerichs Sohn an und unser zurückliegendes Gespräch. Was für eine blöde Idee, diese Sache wieder ins Spiel zu bringen, auch wenn er ihm vielleicht nur helfen wollte. Ich blickte forschend in Emmerichs Gesicht, um zu sehen, ob Bauer ihn mit seiner Äußerung erneut aufgewühlt hatte. Dann gab ich Bauer ein Zeichen, dass es keinen Sinn hätte, noch einmal darauf zurückzukommen. Er deutete mir an, dass er verstanden hätte, und sah sich um. Schließlich kam er auf die Tierspuren zu sprechen, die überall einander kreuzend im Schnee verliefen, und sagte: »Hier muss ja in der Nacht ganz schön was los sein.«

      Emmerich murmelte, wobei man ein Lächeln aus seiner Stimme heraushören konnte: »Bei mir ist in der Nacht auch ganz schön was los.«

      »Du läufst mitten in der Nacht im Schnee herum?«, fragte Bauer.

      »Ja, ein bisschen schon«, erwiderte Emmerich.

      Bauer wandte sich um, wies auf die menschlichen Fußspuren, die zur Ebene hinabführten und bis zum Horizont reichten, und fragte: »Also bist du das gewesen?«

      In Emmerichs Entgegnung mischte sich erneut ein Lächeln.

      »Kann gut sein.«

      Dann machte er ein paar heftige Kopfbewegungen. Mit der Sturmhaube sah sein Kopf wirklich komisch aus. Allerdings war der Eindruck von Greisenhaftigkeit durch das Lächeln wieder ein wenig schwächer geworden.

      Gerade als Emmerich zum Thema kommen wollte, verlor ich für eine Sekunde den Kopf und vergaß, dass man Träume besser für sich behalten sollte.

      »Also, ich bin letzte Nacht Straßenbahn gefahren«, sagte ich.

      Emmerich und Bauer sahen mich erst forschend an. Dann fragend.

      Ich antwortete: »Ihr auch. Wir sind alle drei Straßenbahn gefahren.«

      Bauer schüttelte den Kopf.

      »Ich kann mich nicht erinnern.«

      Emmerich betrachtete den Himmel.

      »Wenn man das machen könnte«, sagte er, »nachts einfach so wegfahren, mit der Straßenbahn. Wir würden irgendwo essen gehen und dann wieder zurückfahren zur Turnhalle und uns schlafen legen.«

      Bauer saß immer noch in seinem Schneesessel.

      »Wieso sollten wir zur Turnhalle zurückfahren?«, fragte er.

      Wir stimmten ihm zu, Emmerich und ich.

      Dann sprachen wir nicht mehr davon.

      Ich hatte recht gehabt, die Kälte hatte tatsächlich nachgelassen. Wir konnten es spüren, als wir jeder einen Handschuh auszogen, um die Zigarette aufzurauchen. Es tat nicht mehr so weh wie am Ufer des zugefrorenen Teichs.

      Emmerich sah jetzt aus, als würde er an meine Straßenbahn denken. Ich hatte keine Ahnung, wohin er damit fuhr. Er fixierte mich, während er an seiner Zigarette zog. Sie war schon so kurz, dass man den Eindruck bekommen konnte, er würde sie mit dem nächsten Zug verschlucken.

      Ich versuchte ebenfalls, aus meiner Zigarette herauszuholen, was noch ging, sah Emmerich an und legte in meinen Blick die Botschaft, dass ich ihm meine Straßenbahn überließe, damit er irgendwo essen gehen könne. Klar, dass er nicht kapierte. Ist auch kompliziert, jemandem eine Straßenbahn zu schenken, die gar nicht existiert.

      Und wenn ich in diesem Moment wiederum den Blick nach vorne gerichtet hätte, das heißt, wenn es möglich gewesen wäre, bis in das milde Frühjahr in Galizien zu blicken, so hätte ich Emmerich gesehen, an den Brückenpfeiler gelehnt, noch ein Stück mehr gealtert, als er heute mit seiner Sturmhaube aussah. Es gab so gut wie nichts mehr, was Bauer und ich noch tun konnten, und unser Mut bestand allein darin, den Blick nicht abzuwenden, während Emmerich nach Luft rang und spuckte.

      In unserer Ratlosigkeit besaßen wir nicht den Mut, ihn zu berühren oder ihn anzusprechen. Als wir uns endlich erhoben, Bauer und ich, begann ein lauer Frühlingsregen zu fallen, den wir auf das Schutzgitter der Brücke auftreffen hörten. Die grauen Vorhänge, die er beiderseits der Brücke niedergehen ließ, sperrten uns mit Emmerich ein, der jetzt tot war, sein Gesicht komplett zerlegt, und ich wusste, dass man nun eigentlich ein Gebet oder so was sprechen musste. Aber Bauer sah mich nur an und ich ihn, weil wir beide nicht mehr wagten, Emmerich anzusehen und all das Blut, das er ausgespuckt hatte, und ich dachte, um mich zu beruhigen, noch lange Zeit, dass das Prasseln des Regens es für uns gesprochen hatte. Denn es war nötig, dass jemand sprach, an jenem Tag in Galizien.

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