"Ein Wort, ein Satz…". Группа авторов
/p>
»Ein Wort,
ein Satz …«
Literarische Werkstattgedanken
Herausgegeben von Thedel v. Wallmoden
Wallstein Verlag
Für Thorsten Ahrendzum 27. 7. 2020
Inhalt
ANNA BAAR Ah, wie gut brennt Papier!
THOMAS BRUSSIG Eine kurze Anleitung zur Unsterblichkeit
SAFIYE CAN Werkbegriff und Werkberufung
DANIELA DANZ Das Geschriebene / das zu Schreibende
RALPH DUTLI Kleine rosige Herde!
LEANDER FISCHER Warum mich das Futur II immer traurig macht
SUSANNE FRITZ Ein Buch ist ein Text, der deinen Kopf verlässt
MATTHIAS GÖRITZ Von der schwierigen Freundschaft mit Lektoren
VOLKER HAGE Ein unbekannter Brief von Arthur Schnitzler
HARALD HARTUNG Die Silbe macht das Werk – Erfahrungen mit Kurzgedichten
CHRISTOPH HEIN Emphase und Empathie
DANIEL KEHLMANN Über die Treue zu Verlagen – Ein Gespräch im alten Stil
HANJO KESTING Leben und Schreiben – Zerstreute Gedanken
EMANUEL MAEß Ins Unbetretene, nicht zu Betretende
FRIEDERIKE MAYRÖCKER Motto für die Trostlosen : mich, nämlich Ballade vom gläsernen Thorsten A.
SABINE PETERS Bunte Wälder, Stoppelfelder, Blätter fallen, Nebel, kühler Wind – Ein Mäander
TERESA PRÄAUER Einen Strauß binden – Gedanken zum literarischen Werk
PATRICK ROTH Die Schöne und das Biest
DORIS RUNGE Sie haben einen neuen Verlag
GREGOR SANDER Literaturwerftarbeiter
KAI WEYAND Autor bleiben und nicht Schriftsteller werden
ANNA BAAR
Ah, wie gut brennt Papier!
Das Fertigbringen, Besiegeln und Endlich-gut-sein-Lassen – Worte der Unmöglichkeit! Hab ich je etwas fertiggebracht, etwas zu Ende geschrieben oder was gut sein lassen? Manchmal fürchte ich mich, am Ende einer Geschichte, fände ich überhaupt eines, selbst zu Ende zu gehen. Nichts ist je gut noch fertig erzählt, der Schlusspunkt für sich ein Witz. Was mir heute so passt, kann morgen lächerlich sein. Der Leser aber nimmt mich noch morgen beim heutigen Wort. Und alles bleibt auto und bio oder grafisch; da – memoirenhaft, nostalgisch – aus dem Leben gegriffen, dort – pathetisch, prophetisch – mitten ins Leben hinein: Nach und nach enthüllt man mehr, als man eigentlich wollte. Nach und nach erfüllt sich mehr, als sich erfüllen sollte. Der Schreiber wird, was er schreibt: Liebender, Narr und Mörder hinter verschlossener Tür. Ist es also nicht Unfug, das Flüchtige anzuhalten, festzuschreiben auf toter Substanz, zwischen Buchdeckel zu binden? Liegt nicht im Akt der Vernichtung das reine Wesen der Dichtung?
Über zwei Jahrzehnte habe ich alles verbrannt – und heute noch keinerlei Werkbegriff, keine Idee von Wirkung, keinen Anspruch auf Dauer. Schreiben ist ein Zustand, ein höchsteinsamer Ritus, meditative Versenkung – ich beame mich irgendwohin und melke entrückt das All. Was dann zu fließen beginnt, ist viel größer als ich. Es als Kunst auszugeben, als ureigenes Werk, ist Anmaßung, Überhebung, ein Schauspiel im freien Fall. Dann aber, kurz vor dem Aufprall, tritt ein Zweiter hinzu, breitet das Sprungtuch aus, kümmert sich um den Bestand. Was also weiter vom Schreiben erzählen ohne den miteinzubeziehen, der es letztlich bewahrt? Bin ich bereit zum Streich, tritt er mir freundlich entgegen, lässt sich das Zündholz geben – ob rechtzeitig oder nicht, liegt nicht in meinem Ermessen. Wie er es fertigbringt, mich, um es so zu sagen, aus betrieblicher Sicht halbwegs gefügig zu machen? Es liegt wohl an seiner Art, sich in der Welt umzusehen, an seinem Staunen, Erkennen. Unvergesslich ist mir, wie er seinen Blick schweifen ließ über Mandarinenplantagen und sanfte Hügel, hundertjährige Olivenbäume und tausendjährige Steinmauern, damals auf der Terrasse des Kaštil Gospodnetić auf der Insel Brač, wo er mich im Sommer 2016 für ein paar Tage besuchte. Dabei nicht ein Wort des Gefallens, nicht die übliche Geschwätzigkeit mancher Erstbesucher, die alles übertönt –