Schatzsuche im Walenseeschloss. Michael Weikerstorfer

Schatzsuche im Walenseeschloss - Michael Weikerstorfer


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sagte Fritz begeistert. „Aber wir können auch zu Fuß gehen, es ist ja nur ein Katzensprung.“ Als er hörte, wie Paul seufzte, fügte er hinzu: „Ach komm schon, das schaffst sogar du mit deinen hundert Kilo!“

      „Hey, sei ruhig, so viel wiege ich schon seit mehreren Monaten nicht mehr!“

      „Ja, ja, träum weiter“, meinte Fritz seelenruhig und stand auf.

      Während er davonging, bereute Paul, dass er ihn nicht für seinen frechen Kommentar geohrfeigt hatte.

      ***

      Simone saß am Schreibtisch in der privaten Bibliothek ihres Vaters. Die alte Standuhr im Eck zeigte vier Uhr nachts an, die Fensterläden waren verschlossen. In der Bibliothek herrschte Dunkelheit, nur das gelbliche Licht der Schreibtischlampe ließ unheimliche Schatten zwischen den Bücherregalen erscheinen. Der Computermonitor flimmerte vor Simones müden, trockenen Augen. Neben ihr stand eine bereits mehrfach geleerte Kaffeetasse, der Rest des Tisches war zugedeckt mit unzähligen Unterlagen, Büroartikeln, Papierkram und einem ganz besonderen Gegenstand, mit dem sie sich während der letzten nächtlichen Stunden beschäftigt hatte: einem uralten, in Leder gebundenen Buch. Es war tief unter einem Haufen anderer Bücher versteckt gewesen, die unter einem der Regale verstreut lagen.

      Simone hatte langjährige Berufserfahrung als Archäologin, das Landesmuseum Württemberg stellte zahlreiche Exemplare aus, die sie ausgegraben hatte.

      Das Gebäude, in dem sie sich befand, war ihr Elternhaus und befand sich am Stadtrand von Stuttgart. Die Bibliothek hatte bis vor Kurzem noch ihrem Vater gehört, der ebenfalls Archäologe gewesen war. Simone hatte sein Haus geerbt, nachdem er verstorben war.

      Sie hatte dieses Bauwerk nicht mehr von innen gesehen, seit sie hier ausgezogen war. Und das lag bereits 25 Jahre in der Vergangenheit.

      Es war nur wenige Tage her, seit Simone das erste Mal nach diesem Vierteljahrhundert die Bibliothek ihres Vaters betreten hatte. An diesem Tag, es musste letzten Dienstag gewesen sein, quoll ihr eine riesige Unordnung entgegen. Überall auf dem Boden lagen Wälzer verstreut, manche Bücherregale waren fast vollständig ausgeräumt.

      Aus diesem Grund hatte Simone die letzten paar Tage damit verbracht, die Bücher wieder in die Regale zu stellen und neu zu sortieren. Währenddessen hatte sie sich immer wieder die Frage gestellt, warum ihr Vater eine solche Unordnung verursacht hatte, denn so kannte sie ihn gar nicht. Er musste nach irgendetwas gesucht haben. Besonders auffällig war, dass der Großteil der Bücher auf dem Boden Informationen über die Schweiz enthielt, vor allem über den Kanton St. Gallen.

      Vor einigen Stunden war Simone auf dieses äußerst interessante Buch gestoßen, mit dem sie sich die ganze Nacht beschäftigt hatte. Es musste mindestens 150 Jahre auf dem Buckel haben, denn es war in keinem sehr guten Zustand. Der Wälzer trug den schlichten Titel St. Gallen und enthielt zahlreiche Informationen über alle Berge, Seen, Flüsse und Städte, die zur damaligen Zeit in jenem Kanton bekannt waren.

      Das Besondere an dem Buch war, dass darin von einem sogenannten Walenseeschloss berichtet wurde, einer Festung, welche sich noch heute auf einer Insel in jenem See befand, seit dem 19. Jahrhundert jedoch leer stand. Simone hatte bereits stundenlang im Internet recherchiert, konnte aber keine weiteren Informationen über dieses geheimnisvolle Schloss herausfinden. Auch in den anderen Büchern über den Walensee wurde dieses Gemäuer nicht einmal erwähnt. Das Einzige, was Simone finden konnte, waren Bilder und Fotos, auf denen es zufällig zu sehen war.

      Simone konnte nicht glauben, dass dieses Gebäude so unbedeutend war. Denn in dem dicken Wälzer auf dem Schreibtisch vor ihr stand geschrieben, dass die Burg einst einem Weltenbummler gehört hatte, der besonders viel in Süd- und Mittelamerika unterwegs gewesen war. Dieser Mann hatte, wenn man dem Buch trauen konnte, einige Schätze und Artefakte eines ausgestorbenen mittelamerikanischen Volkes als Reiseandenken mitgenommen und in seinem Turmzimmer untergebracht.

      Als Archäologin bereitete es Simone keine Schwierigkeiten, mehr Informationen über das im Buch genannte Volk zu sammeln. Sie fand heraus, dass es seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr existierte, weil die Stammesangehörigen von den Europäern ausgerottet worden waren, und dass alle Schätze vernichtet wurden. Das bedeutete, wenn sich die Artefakte tatsächlich noch heute in jenem Turmzimmer befänden, wäre das ein sensationeller Fund.

      Aber zuerst einmal musste Simone dort hingelangen. Deshalb suchte sie nach weiteren Informationen über den Walensee im Internet. Es dauerte nicht lange, bis sie einen kurzen, übersichtlichen Artikel fand.

      Der Walensee liegt in der Mitte eines Tals in den Schweizer Kantonen St. Gallen und Glarus. Im Norden und im Süden wird er von bis zu 1000 Meter hohen Bergen umgrenzt. Aus diesem Grund ist die Wassertemperatur kälter als die der benachbarten Seen. Sie beträgt im Sommer nur selten über 20 °C.

      Die Algenbildung schreitet wegen der kühlen Wassertemperatur langsamer voran als in anderen Seen, deshalb ist die Sichtweite unter Wasser besonders gut. Für Hobbytaucher ist der Walensee allerdings ungeeignet, da der Seegrund sehr steil abfällt. In den Unterwasserschluchten gibt es einige Schiffswracks zu erkunden, allerdings nur für erfahrene Taucher. Außerdem ist der Wasserspiegel infolge einer Flussregulierung um fast sechs Meter gesunken.

      Am Walensee liegen die Orte Walenstadt, Murg, Amden, Quinten und viele weitere. Amden erstreckt sich vom nördlichen Seeufer bis hinauf auf eine Felsterrasse darüber. Von dort aus kann man nach einer mehrstündigen Wanderung durch das Gebirge die autofreie Ortschaft Quinten erreichen. Eine andere Möglichkeit, nach Quinten zu gelangen, bietet sich per Schiff vom direkt gegenüber am südlichen Ufer gelegenen Murg aus.

      Simone schaltete den Bildschirm aus und rieb sich die Augen. Quinten war ein Ort, der sich unmittelbar in der Nähe des Walenseeschlosses befand. Folglich wäre das Schloss am schnellsten mit dem Schiff von Murg aus zu erreichen.

      Mit dem Auto würde die Fahrt von Stuttgart nach Murg rund drei Stunden dauern. Dort angelangt könnte sie in einem Hotel übernachten und sich am nächsten Tag ein Boot mieten. Damit könnte sie zur felsigen Insel fahren, auf dem das Walenseeschloss erbaut worden war, und hätte dann den ganzen restlichen Tag Zeit, es zu erkunden.

      Simone stand auf und warf einen Blick auf die Standuhr im Eck. Es war bereits sechs Uhr morgens. Müde streckte sie ihre Gliedmaßen und ging zur Tür. Sie würde sich jetzt noch etwas ausruhen und sich nach dem Mittagessen auf den Weg machen.

      *

      Die Ankunft

      Paul und Fritz befanden sich im Zug, der von Innsbruck nach Ziegelbrücke fuhr. Sie hatten bereits die Grenze zwischen Österreich und der Schweiz hinter sich und waren schon seit mehr als zweieinhalb Stunden unterwegs.

      Fritz betrachtete fasziniert die Berge, die am Fenster vorbeizogen. Währenddessen schnarchte Paul, der ihm gegenübersaß, gemütlich vor sich hin.

      „Hey, Paul, sieh dir doch mal die Berge an“, rief Fritz plötzlich. „Auf denen liegt noch haufenweise Schnee!“

      Paul schlug genervt die Augen auf und antwortete schläfrig: „Ach, Fritz, auf den Bergen bei uns in Tirol liegt auch noch Schnee. Außerdem ist das ganz normal für Anfang April.“

      „Ja, aber trotzdem. Schau doch mal, wie schön der Schnee in der Sonne schimmert!“

      „Der Schnee in Tirol schimmert auch, wenn die Sonne daraufscheint“, antwortete Paul unbeeindruckt.

      „Ja, aber das ist Schweizer Schnee!“

      „Schnee ist Schnee, da gibt es keine Unterschiede.“

      „Na gut, wenn du meinst“, murmelte Fritz kleinlaut und blickte wieder aus dem Fenster. „Mir gefallen die Berge trotzdem!“

      Paul seufzte kurz, dann sprach er: „Wie du meinst. Lässt du mich jetzt wieder schlafen?“

      „Ja, ja. Penn ruhig weiter, du Schlafmütze.“

      Zufrieden lehnte Paul sich


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