Schatzsuche im Walenseeschloss. Michael Weikerstorfer

Schatzsuche im Walenseeschloss - Michael Weikerstorfer


Скачать книгу
im Frühstückssaal. Der Raum war altmodisch und traditionell eingerichtet, zahlreiche Bilderrahmen schmückten die hölzernen Wände. Die rustikalen Lampenschirme tauchten den Frühstückssaal in ein beruhigendes Licht. Außer Paul und Fritz befand sich nur noch eine vierköpfige Familie im Raum, die an einem Tisch in der Ecke saß und ein leises Gespräch führte.

      „Also, diese Waffeln schmecken äußerst deliziös“, meinte Fritz kauend. „Die kannst du heute Mittag auch probieren.“

      „Na ja, das kommt wohl darauf an, wann wir wieder zurückkommen“, stellte Paul nachdenklich fest. „Allein die Wanderung dauert schon mehrere Stunden.“

      In diesem Moment trat eine Kellnerin an ihren Tisch und fragte: „Darf ich Ihnen noch etwas zu trinken anbieten? Wir hätten heiße Schokolade, Espresso, Milchkaffee ...“

      „Haben Sie auch Energydrinks?“, unterbrach sie Paul plötzlich. Verständnislos blickte die junge Frau ihn an. „Ach, vergessen Sie die Frage. Ich nehme einfach einen Kaffee.“

      „Ich auch“, warf Fritz sofort ein.

      „Nein, du brauchst keinen Kaffee. Du bist jetzt schon energiegeladen genug“, meinte Paul und wandte sich anschließend zur Kellnerin. „Geben Sie ihm einen Kakao. Und bitte nicht zu heiß, sonst verbrennt er sich noch.“

      „Hey, ich kann selbst auf mich aufpassen!“, beschwerte sich Fritz.

      „Ach ja? Und wieso hast du dich erst gestern an der Suppe verbrannt?“

      „Meine Herren, ich will ja nicht stören, aber ... darf es sonst noch was sein?“, fragte die Kellnerin vorsichtig.

      „Nein, danke“, antwortete Paul.

      Also steckte sie ihren Notizblock wieder ein und ging zurück in die Küche.

      Sobald sie außer Hörweite war, sagte Paul: „Fritz, wieso reißt du dich nicht mal zusammen? Immer wenn wir in der Öffentlichkeit sind, führst du dich auf wie ein kleines, völlig überdrehtes Kind.“

      „Hey, ich bin nicht völlig überdreht“, verteidigte er sich.

      „Ach, das glaube ich dir in hundert Jahren nicht.“

      „In hundert Jahren? Das will ich sehen!“

      Ein paar anstrengende Stunden später hatten Paul und Fritz bereits den Großteil der Wanderung hinter sich.

      „Wie weit ist es denn noch zur Burg?“, fragte Paul schnaufend. „Wenn wir uns hier im Gebirge verlaufen haben, dann kannst du was erleben!“

      „Keine Sorge“, schrie ihm Fritz zu, der einen Vorsprung von etwa zehn Schritten hatte. „Ich kann schon ein paar Türme der Burg erkennen.“

      Tatsächlich konnte auch Paul kurz darauf die Turmspitzen des Walenseeschlosses ausmachen.

      Schon wenige Minuten später standen die beiden vor der Hängebrücke, die eine Verbindung zur Burg auf der Insel darstellte. Sie war breit genug, um eine Kutsche auf die andere Seite zu befördern, jedoch machte sie keinen besonders stabilen Eindruck. Seit mehr als hundert Jahren war die Brücke der freien Natur überlassen worden, war also dementsprechend von einigen Kletterpflanzen überwuchert und ihre Trittbretter waren mit Moos bewachsen. Die Seile, die den Großteil der Last trugen, wirkten ebenfalls nicht mehr besonders reißfest.

      „Bist du sicher, dass wir hier problemlos auf die andere Seite marschieren können?“, fragte Paul zweifelnd. „Du hast ja gesagt, dass im Reiseführer nichts über dieses Schloss oder diese Brücke steht ...“

      „Ach, das passt schon“, meinte Fritz gelassen. „Wenn die Brücke das ganze Pflanzengewächs aushält, dann schafft sie uns auch.“

      Noch bevor Paul etwas einwenden konnte, marschierte Fritz drauflos und ging völlig sorglos auf die Hängebrücke zu. Doch als er den ersten Schritt auf die Holzbohlen setzte, knirschte es unheilvoll unter ihm.

      Paul verzog das Gesicht, doch Fritz drehte sich entspannt um und sagte furchtlos: „Ach, jetzt mach dir doch nicht gleich in die Hose. Es ist ja nichts passiert. Wieso folgst du mir nicht?“

      „Fritz, vielleicht ist es besser, wenn wir einzeln über die Brücke gehen“, schlug Paul vor. „Ich glaube nicht, dass sie uns beide gleichzeitig aushält.“

      „Na gut, wie du willst“, meinte sein Cousin gleichgültig. „Wie viel wiegst du noch mal? 120 Kilo?“

      „Ach, jetzt hör doch auf mit deinen Witzen! Ich wiege nur 96 Kilo ... glaube ich.“

      „Tatsächlich? Na gut, dann muss ich dir wohl glauben. Ich geh schon mal rüber.“ Damit drehte sich Fritz flink um und spazierte leichtfüßig über die wackelige Hängebrücke. Bei jedem seiner Schritte schwang sie bedrohlich hin und her, die Seile erzeugten hässliche, knirschende Geräusche. Doch nur eine knappe Minute später war Fritz bereits auf der anderen Seite angelangt. „Hey Paul, komm rüber!“, schrie der Junge, der sich nun gut hundert Meter von seinem Cousin entfernt befand. „Es ist gar nicht schwierig, komm schon, du schaffst es auch!“

      Paul blicke zweifelnd auf die morschen Holzbohlen der Hängebrücke, die so aussahen, als könnten sie jeden Moment durchbrechen. Aber als er schließlich mutig seinen rechten Fuß daraufsetzte, erschienen sie ihm plötzlich weitaus stabiler als vorher. Während er einen Schritt nach dem anderen machte, knarrten die Seile noch lauter als vorhin, doch er zwang sich weiterzugehen.

      Die Brücke bog sich zwar viel mehr durch als zuvor, aber sie hielt Pauls Gewicht gerade noch aus. Wenn die Konstruktion jetzt versagte, hätte das einen 40 Meter tiefen Sturz in den eisigen Walensee zur Folge. Doch nach einer guten Minute hatte auch Paul die gefährliche Brücke überquert.

      „Siehst du, es war doch gar nicht so schlimm“, sagte Fritz fröhlich, als sein Cousin schnaufend die andere Seite erreichte.

      „Ich glaube, ich brauch mal eine Pause“, keuchte der erschöpft.

      „Ach, komm schon! Jetzt geht’s doch erst richtig los. Nun können wir endlich dieses prachtvolle Bauwerk erkunden“, versuchte Fritz ihn zu motivieren.

      Er drehte sich um und betrachtete mit weit aufgerissenen Augen das Walenseeschloss, das sich genau vor ihnen in den wolkenlosen Himmel erstreckte. Einige der Türme, die über ihnen aufragten, reichten mindestens 60 Meter in die Höhe.

      „Stell dir nur vor, wie reich wir wären, wenn wir dort drinnen einen Schatz fänden“, sagte Fritz begeistert.

      „Das bezweifle ich“, entgegnete Paul. „Was ist, wenn diese Burg genau deshalb leer steht, weil dem Schlossbesitzer das Geld ausgegangen ist?“

      „Das könnte natürlich der Fall sein, da stimme ich dir zu. Aber es könnte auch sein, dass es irgendwo einen versteckten und verschlossenen Raum gibt, von dem über Generationen hinweg niemand etwas wusste. Ich wette mit dir um fünf Euro, dass in diesem Schloss ein Schatz versteckt ist“, schlug Fritz siegessicher vor.

      „Vier Euro.“

      „Nur vier? Ich wette mit dir um zehn!“

      „Dann drei.“

      „Was? Du kannst doch nicht einfach mit dem Einsatz runtergehen!“

      „Zwei Euro.“

      „Ja, ja. Na gut, also vier Euro. Die Wette gilt!“, verkündete Fritz.

      „Hä?“, fragte Paul verträumt. „Welche Wette?“

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную


Скачать книгу