Andreas Dresen. Hans-Dieter Schütt

Andreas Dresen - Hans-Dieter Schütt


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der auf einer Zugfahrt einmal unter Fußballfans geraten und aus unerfindlichen Gründen als Anhänger der Gegenmannschaft »enttarnt« worden war. Man hatte wohl das Spiel verloren, Dresen verlor in jener Stunde einen Zahn.)

      Wenn man mit einem Menschen wie Andreas Dresen geredet hat, dann weiß man, dass Gemeinschaft ein Tätigkeitswort ist.

       9.

      Ich danke Barbara Bachmann und Christoph Schroth für Begegnung und Bereicherung. Es gibt eine Kunst des genauen kritischen Blicks: Dank an Ingrid Kirschey-Feix.

      Danke, Andreas Dresen.

      Ich habe wirklich keine Lust,

      alle meine Filme Revue passieren zu lassen und zu sagen,

      was ich von ihnen halte. Das ist nicht meine Aufgabe,

      und außerdem glaube ich auch nicht,

       dass Leben und Arbeit ineinander aufgehen.

      LUIS BUNUEL

      Die Formel für Regie ist ganz einfach:

      Man muss beim Drehen eines Films

      mit den Menschen leben wollen,

      wenn man einmal angefangen hat,

       mit ihnen zu arbeiten.

      BILLY WILDER

      Charlton Heston war am anderen Ende der Brücke,

      ich sagte, er möge schnell,

      in einem Schwenk, die Brücke überqueren.

       Er sagte, gar nicht ironisch oder böse, sondern ganz lieb:

      »Kannst du mir sagen, warum ich die Brücke überqueren soll?«

      Und ich sagte zu ihm: »Nein, überquere einfach die Brücke.

       Ich schau dir zu, und wenn du hier bist, weiß ich es.«

      ORSON WELLES

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      Der Buch-Autor und Kleindarsteller mit Andreas Dresen bei Dreharbeiten zum »Gundermann«-Film

      Das erste Gespräch

      über

      Corona und Kollektivität

      Zwölf Jahre Standvermögen

      Gundermann und Geschichtsbilder

      Kopf in den Wolken, Füße im Schlamm

      Gewitter auf der Pferderennbahn

      Eine Filmkarriere in den Lüften

      Hündchen, Hollywood und Ukulele

      Starrsinn eines Leichenwagens

      Schöne Verbrüderung in Arbeit

       Andreas Dresen, wir treffen uns inmitten der Corona-Krise zum Gespräch, also: in Zeiten notgedrungener Abstandskultur. Mai 2020. Wie ist Ihre Gemütsverfassung?

      Soeben wurde mir Rostock abgesagt: Geplante filmpraktische Übungen mit Studenten finden erst mal nicht statt.

       Seit Sommersemester 2018 sind Sie Professor für Filmschauspiel an der dortigen Hochschule für Musik und Theater.

      Mir fehlt derzeit, was unbedingt zu meinem Leben und meinem Beruf gehört – Geselligkeit. Dieser andauernde Zwang zur physischen Distanz geht mir auf die Nerven. Abstand erschöpft mich. Die Worte »virtuell« und »online« kann ich schon nicht mehr hören. »Homeoffice« schreckt mich ab – Heimarbeit in meinem Beruf? Nee. Obwohl so freilich zusätzliche Zeit entstand, um mit Laila Stieler ein neues Drehbuch zu besprechen. Und was den Alltag betrifft: Ich habe zwar eine Leinwand in meinem Schneideraum, aber ein darauf projizierter Film ist noch lange nicht Kino. Wie auch »gestreamtes« Theater kein Theater ist. Also, kurz gesagt: Das Herunterdimmen des sozialen, des kulturellen Lebens löste bei mir nicht automatisch schöpferische Impulse aus. Nun weiß ich auch: Jede gesellschaftliche Bruchstelle ist Herausforderung und Chance. Entschleunigung befördert Besinnung. Alles schön und gut und nützlich. Aber ich weiß auch: Routine ist noch hartnäckiger als ein Virus, und die alten Hamsterräder werden sich demnach bald drehen wie eh und je. Gelebte Muster bleiben gültig. In Krisensituationen steigt die Sehnsucht der Menschen nach Autorität, gleichzeitig wächst allerdings die Lust, sich gegen diese Autorität zur Wehr zu setzen, zum Gewohnten zurückzukehren. Und Politiker, wie man sah und sieht, genießen in ihrem eifrigen, aufrichtigen Bemühen ums allgemeine Wohl auch den Reiz nahezu ungebremster Machtausübung. Ach, ums wieder herunterzuholen ins Konkrete: Anfang März haben wir mit der Band noch Konzerte gespielt, schöne Feste mit Publikum – auch danach sehne ich mich sehr.

       Diese Band ist Begleit- und Folgeerscheinung Ihres bislang erfolgreichsten Films: »Gundermann«. Er räumte beim Deutschen Filmpreis 2019 ab, zählen wir nochmal auf: Alexander Scheer – beste männliche Hauptrolle. Sie selber – beste Regie. Laila Stieler – bestes Drehbuch. Claudia Steffen und Christoph Friedel – bester Film. Susanne Hopf – bestes Szenenbild. Sabine Greunig – bestes Kostümbild. Und nominiert waren zudem Eva Weißenborn – beste weibliche Nebenrolle; Andreas Höfer – beste Kamera; Jörg Hauschild – bester Schnitt; Grit Kosse, Uta Spikermann – bestes Maskenbild.

      Unglaublich, ja. Einmal mehr offenbarte sich das Schöne am Filmemachen: Jeder im Stab ist unentbehrlich.

       Dennoch: Ein Film gilt landläufig als das Werk eines Regisseurs. Ich weiß, Sie wehren ab.

      Ja, und ich tue es auch weiterhin, selbst wenn man Koketterie vermuten könnte.

       Vermutet bei Ihnen niemand.

      In keinem Abspann unserer Arbeiten stand je: »ein Film von Andreas Dresen«. Dagegen stemme ich mich vehement. Plakate und Trailer vermelden, dass ich der Regisseur bin. Punkt. Meine Regie-Verträge untersagen jene Heraushebung, von der sich Marketing-Leute eine Wirkungssteigerung erhoffen. Ich betreibe das sehr konsequent, und es ist nicht eine besondere Form der Eitelkeit, sondern ein Bemühen, dem Charakter von Filmarbeit gerecht zu werden. Wolfgang Kohlhaase hat das mal sehr schön gesagt: Um einen guten Film zu machen, muss mehr als ein Mensch mehr als nur einen guten Tag haben.

       Bei »Halbe Treppe« stand im Abspann: »ein Film von …« – und dann folgte die schier endlose Liste aller Beteiligten. Eine Reihung der Gleichberechtigten.

      Jeder bringt sich und seine Persönlichkeit in die Produktion ein, na klar. Auch wenn am Ende einer die Entscheidung treffen und die Verantwortung übernehmen muss. Demokratie funktioniert in künstlerischen Prozessen nur bedingt. Aber im Fall von »Halbe Treppe« war das quasi ein Teil der Improvisations-Idee des Ganzen. Und mit dem Abspann wollte ich ein wenig provozieren, also prononciert auf den Teamcharakter von Filmarbeit hinweisen. Dass die Medien dann trotzdem oft nur von mir reden, unterliegt leider nicht meiner Kontrolle. Ich kann die Lage nur bis zum Ende jener Vermarktungskette beeinflussen, deren Glieder wir selber in den Händen halten.

       Bleiben wir bei »Gundermann«. Es gibt ein Papier aus dem Jahre 1917, »Anmerkungen des Regisseurs«, da ist noch alles offen, da schreiben Sie sich die Leidenschaft für den Stoff von der Seele, aber ebenso das Unverständnis, wie schwer es war, für diese Geschichte Gunst und Geld zu erhalten. Fast wäre das Ganze gescheitert.

      Selbst bei der Premiere in der Berliner Kulturbrauerei war ich noch äußerst skeptisch. Ein früher Sommerabend, es war enorm heiß – wer würde da freiwillig ins Kino gehen? Fast zwölf Jahre hatten Laila Stieler und


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