2 Jahre später. Regina Mars

2 Jahre später - Regina Mars


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durch das Bild. Dann sah man einen schlecht gelaunten Keyboarder mit einem zehn Meter hohen Hut und einer kreisrunden goldenen Sonnenbrille. Er trug einen Strahlenschutzanzug, ebenfalls aus Alufolie.

      »Na Na Na! Every Day! Na Na Na! Every Night! Na Na Na …«

      Die Frau schüttelte ihren Körper, an dem sie außer dem Alurock nur einen grünen BH und ein schwarzes Netzshirt trug. Ihre Haare waren zu einer Art blondem Füllhorn aufgetürmt. Trotz der bizarren Kleidung war sie hübsch.

      »DAS ist deine Mutter?!«, fragte Kai. »Das?«

      »Und das ist mein Vater.« Arthur grinste glücklich und deutete auf den schlecht gelaunten Keyboarder-Dude, der plötzlich zu rappen begann. Kais Mund ließ sich nicht mehr schließen. Arthurs rundes Gesicht strahlte vor Glück.

      »Das … Wow.« Kai starrte auf das Display. »Sie müssen echt stolz darauf sein. Ich meine, das Lied wird immer noch gespielt, und …«

      »Sie hassen es!«, rief Arthur über die hektischen Rhythmen hinweg. »Es ist ihnen total peinlich. Und du bist der Erste, der sie seit zehn Jahren erkannt hat. Kein Wunder, dass sie dich nicht leiden kann.«

      »Oh. Aber warum? Ist das schlecht für euer Ansehen, so als alte Adelsfamilie, oder …«

      Arthur schüttelte den Kopf.

      »Nein. Oder ja, schon. Auf dem Lied haben sie ihre Karriere begründet. Sie haben die Einkünfte gut angelegt und ein anständiges Unternehmen gegründet. Und sich einen Adelstitel gekauft.«

      »Was?«

      »Girl, you’ve got to follow your dreams into the night, that’s right, follow your dreams and you’ll be alright. Open you eyes wide and ride by my side …«

      »Unser Adelstitel ist gekauft«, sagte Arthur.

      »Die Dinger kann man kaufen? Wie teuer ist sowas?«

      »Es war ein sechsstelliger Betrag.«

      »Was?! Warum … Kann man mit dem Geld nichts Besseres anfangen?«

      »Es war ihnen wichtig. Ich meine, du hast sie gesehen. Sie wollen respektabel erscheinen, um jeden Preis.« Kai dachte an das schlicht, aber elegant gekleidete Paar, das die Villa mit kritischen Augen begutachtet und seinem Vater eine kilometerlange Liste mit Anweisungen dagelassen hatte. »Kein Wunder, dass sie dich nicht mag. Ihr Image ist ihr Leben, weißt du?«

      »Äh.« Kai kam nicht darüber hinweg. »Ihr seid gar nicht adlig?«

      »Jetzt schon.« Arthur wiegte den Kopf. »Mehr oder weniger. Offiziell ja, aber Adlige, die ihren Titel geerbt haben, schauen natürlich auf uns herab. Und Reiche, die ihr Geld geerbt haben, auch.«

      Etwas in seiner Stimme ließ Kai aufhorchen.

      »Auf euch? Auf dich etwa?«

      »Ja, schon … ein wenig.« Arthur zupfte an der Kante des Sofas. Er betrachtete den hellgrünen Fussel, den er herausgerupft hatte, mit düsterem Blick. »Ich …« Er verstummte.

      »Hey, ich hab dir meine Läusegeschichte erzählt«, sagte Kai. »Raus damit.«

      »Im Internat nennen sie mich Moppel Neureich den Ersten.« Arthur verzog das Gesicht. »Nicht alle natürlich. Vor allem meine Freunde.«

      »Aha. Warum ausgerechnet die?«

      Arthur zuckte mit den Achseln.

      »Sind wohl keine so guten Freunde«, gab er zu. »Aber ich hab keine anderen.«

      »Oh.« Kai atmete tief ein. »Ich auch nicht … Ich hab eine beste Freundin, aber ansonsten gibt’s da niemanden.«

      Arthur sah ihn verwundert an.

      »Echt? Dabei bist du so … äh.«

      »So stinkig, arm und sozial inkompetent? Ja, komisch, dass ich nicht beliebter bin.« Kai grinste schief.

      »Woher kennst du Wörter wie sozial inkompetent?«

      »Bücher.« Er seufzte und betrachtete die Regalreihen mit hungrigen Augen. »Ach, richtig, und dann bin ich noch ein Bücherwurm. Zum Glück ist Manolja auch so.«

      »Manolja ist deine beste Freundin?«

      Er nickte. Ihr ernstes Gesicht erschien vor seinem inneren Auge.

      »Ja. Sie ist grad nicht da. In den Ferien wird sie immer gefördert. Ihre Eltern wollen so ’ne Art Genie aus ihr machen. Na, vielleicht ist sie das schon. Vielleicht …« Er konnte es kaum aussprechen. »Vielleicht zieht sie bald weg. Sie wollen schon ewig, dass sie sich auf ein Stipendium bewirbt. Sobald das klappt, kommt sie auf ein Internat.«

      »Oh.« Arthur kratzte sich am Hals. »Das ist blöd. Was für ein Internat?«

      Kai zuckte mit den Achseln.

      »Rabenstein?«, fragte Arthur. »Schloss Hoheneck? Haus Bärenfang? Falkenberg?«

      »Glaub, sie kann sich das aussuchen.« Kai legte den Kopf schief. »Du kennst aber viele Internate.«

      »Ich bin doch selbst auf einem.«

      »Ach, echt? Welchem?«

      »Falkenberg.«

      »Und wie ist das?«

      »Okay. Ne, ziemlich gut. Na ja.«

      »Bis auf die Leute, die dich Moppel Neureich nennen, meinst du?«

      »Und die Morgenläufe, für die ich zu langsam bin. Reden wir nicht darüber.« Arthur stand auf. »Musst du noch arbeiten?«

      »Ne, für heute hat Paps mir freigegeben.« Kai wich Arthurs Blick aus. Paps hatte gewollt, dass er sich ausruhte, nur wegen dem winzigen Zwischenfall mit Markus und Horst. Aber das würde er Arthur nicht erzählen. Irgendwie schienen sie sich so viel zu verschweigen wie zu verraten und trotzdem hatte er das Gefühl, Arthur mehr anzuvertrauen als irgendjemandem sonst. »Willst du … Kommst du mit in den Wald? Ich will dir was zeigen.«

      »In den Wald.« Arthurs heller Hals zuckte. Ein Hauch Panik huschte über seine Züge.

      »Hast du etwa Angst vor dem Wald?«, fragte Kai. Ach Quatsch, das konnte nicht sein. Warum sollte man …

      »Ich? Überhaupt nicht.« Arthur sah an ihm vorbei. »Gar nicht. Gehen wir.«

      Er marschierte an ihm vorüber. Kai wollte noch etwas sagen, folgte ihm dann aber.

      8. Arthur

      Was für eine Scheißidee war das denn?, dachte er, als die Villa hinter den Bäumen verschwand. Er hatte gedacht, es wäre leichter, wenn jemand mit ihm im Wald war. Aber er fühlte sich fast genau so verloren wie bei seinen Alleingängen.

      Ihre Schritte raschelten im trockenen Laub. Die Nachmittagssonne hatte aufgehört, den Boden zu sprenkeln. Nicht, weil sie weg gewesen wäre. Sie war noch da, irgendwo jenseits der dunklen Baumwipfel, die den Blick in den Himmel versperrten. Der Wald war dunkel und gleichzeitig so still, dass jeder sie auf Meilen hören konnte. Etwas konnte sie bestimmt hören. Er wusste nicht was. Aber er hatte das Gefühl, beobachtet zu werden, während er mit Kai zwischen den glatten Baumstämmen hindurchlief. Viel zu glatt und astlos auf den ersten paar Metern. Die würde er nie hochklettern können, falls sie angegriffen wurden.

      »Alles okay?« Kai, der bisher zielstrebig vorausmarschiert war, drehte sich um.

      Arthur biss die Zähne aufeinander und nickte. Kai würde ihn nicht retten können, falls ein Bär kam. Der war viel zu mager. Jedes Raubtier würde sich erst auf die fette Beute stürzen. Auf ihn. Kai sah ihn zweifelnd an. Ein kühler Hauch kroch über Arthurs verschwitzten Nacken. Es war eisig hier. Oder war das eine böse Vorahnung?

      »Bist du sicher?«, fragte Kai. Die hellen Augen schienen jede Lüge zu durchschauen, aber Arthur versuchte es trotzdem.

      »Klar«, sagte er. »Ich bin nur … Ich bin nicht


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