2 Jahre später. Regina Mars

2 Jahre später - Regina Mars


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Gut, dass sie sich immer noch an den Händen hielten.

      »Äh.« Kai machte einen Schritt auf ihn zu. Mit einem Mal waren sie sich sehr nah. »Wie …«

      Arthur küsste ihn, bevor er weiterreden konnte. Er musste. Wenn das jetzt nicht … Oh, Mann. Kais Lippen waren weich, viel weicher, als sie aussahen. Und sie schmeckten nach … Vanille? Zimt? Irgendetwas Süßes, Gutes. Etwas, das im Mund prickelte.

      Er löste sich von Kai. Wackelig sank er auf die moosbedeckten Steine. Oh Mann. So war das also. Er starrte in die dunklen Baumkronen und spürte Kais Anwesenheit neben sich. Sein erster Kuss. Mit Kai.

      Der ließ sich neben ihm nieder. Seine langen Beine baumelten über die Mauer. Er saß näher am Abgrund, als Arthur sich das je getraut hätte.

      Die Vögel beruhigten sich. Langsam verschwanden sie in den Baumwipfeln, einer nach dem anderen. Die Stille kehrte zurück. Arthurs Herz schrie weiter. Er wollte gerade fragen, als Kai es aussprach.

      »Nochmal?«

      Arthur nickte.

      Sie küssten sich auf den grün überwucherten Steinen, hoch über dem Boden. Lange. Bis die Sonne sank und Arthur zu frösteln begann. Die Schatten übernahmen den Wald und ihm wurde bewusst, dass sie eine Stunde von der Villa entfernt waren.

      Doch der Rückweg war nicht so schlimm wie befürchtet. Klar sah der düsterblaue Wald aus wie eine Szene aus einem Horrorfilm. Klar war es widerlich kühl und feucht. Aber Kais Hand lag in seiner und, na ja, sie lenkten sich ab. Mit Küssen. Immer wieder trafen ihre Lippen sich. Immer wieder hielten sie an, um es nochmal zu probieren. Jedes Mal schmeckte Kai besser.

      Als die Lichter der Villa durch die Baumstämme glühten, waren sie schon halbe Profis. Aber das hielt sie nicht davon ab, weiter zu üben, sobald Kais Vater abgefahren war. Am nächsten Morgen waren ihre Lippen fast wund.

      Frau Montag brachte das Frühstück und sah Kai dabei an, als wäre er eine eiternde Pestbeule. Er schien es kaum zu bemerken. Sobald sie wussten, dass niemand sie beobachtete, probierten sie aus, wie es sich anfühlte, nachdem sie heißen Kaffee getrunken hatten. Nachdem sie kalten Orangensaft getrunken hatten. Nach Marmelade und nach Honig und nach luftgetrockneter Salami. Ja, es waren die besten Tage, die Arthur je gekannt hatte.

      Sie endeten schnell.

      9. Kai

      Ende, las Kai und schlug das Buch zu. Er sah zu Arthur, der konzentriert in einem Notizbuch kritzelte, zwei Bücher auf den Knien balancierend, in denen er abwechselnd blätterte. Er versuchte, einen französischen Krimi ins Deutsche zu übersetzen. Er wollte Übersetzer werden, aber seine Eltern waren dagegen. Das hatte er Kai erzählt. Heimlich wünschte Kai sich, dass er es niemandem sonst erzählt hatte. Er wollte ein Geheimnis von Arthur kennen, von dem kein anderer wusste.

      Arthur bemerkte seinen Blick und lächelte. Die Schokoladenaugen wurden sanft. Er kam Kai entgegen und küsste ihn. Zart und vertraut.

      Unter ihrem Balkon rauschte die Poolpumpe. Es war der erste richtig heiße Tag und die Sonne brannte unbarmherzig auf sie herunter.

      »Meine Eltern haben gestern angerufen«, sagte Arthur, sobald der Kuss endete. »Ich habe ihnen gesagt, dass sie ruhig noch länger auf der Jacht bleiben können. Sie können mich einfach am Ende der Ferien hier abholen.«

      »Gut.« Fantastisch.

      Das bedeutete, dass Arthur mehr Zeit mit ihm verbringen wollte, richtig? Bestimmt. Das musste es. Kai hätte ihn wirklich gern danach gefragt, aber er traute sich nicht. Er traute sich eine ganze Menge nicht. Eigentlich hätte er gern mal etwas ausprobiert, das über Küssen hinausging. Küssen mit Umarmen zum Beispiel. Doch wie sollte er das erklären? Galt das noch als Übung oder würde Arthur dann etwas merken? Sie sprachen noch von Mädchen, ab und zu. Log Arthur genauso wie er? Meinte er es ernst?

      »Willst du jetzt schwimmen gehen?«, fragte Kai vorsichtig, aber sofort schüttelte Arthur den Kopf. Wie immer. Dabei wäre das perfekt gewesen, um … etwas mehr zu probieren. Kais Finger trommelten auf den Boden. »Warum nicht? Es ist heiß. Abartig heiß.«

      »Will halt nicht«, murmelte Arthur. Seine Lippen, sonst so voll, waren ein weißer Strich.

      »Hast du eine furchtbare Narbe?«, fragte Kai und legte den Kopf schief. »Oder ist es, weil du ein Moppel bist?«

      »Hey.« Arthur schaute traurig und Kai hätte sich selbst ins Gesicht treten können.

      »Ich hab das nicht so gemeint. Ich wollte nicht …«

      »Weiß ich doch.« Arthur lächelte schwach. »Ich bin nur …« Er seufzte.

      »Ich mag, wie du aussiehst«, sagte Kai und stöhnte innerlich. Wie peinlich war das bitte? Arthur sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren.

      »Ich bin dick und käsig«, sagte er. »Da gibt’s nichts zu mögen.«

      »Da gibt’s ’ne ganze Menge zu mögen«, sagte Kai.

      »Haha.«

      »So war das nicht gemeint. Ich …« Kai stieß einen frustrierten Schrei aus und sprang auf. Einmal verstehen, wie man mit Leuten sprach. Einmal kapieren, was die richtigen Worte waren. Das wäre verdammt schön gewesen.

      »Du kannst ja alleine schwimmen gehen.« Arthur schaute wieder so traurig.

      »Ich … okay.« Kai stand auf. »Komm nach, wenn du magst, ja?«

      Arthur brummte etwas Unverständliches.

      Kai hüpfte die Stufen hinunter. Seit Tagen küssten sie sich nun schon. Und es wurde immer besser. Sollte er Arthur beichten, dass er das gar nicht tat, um zu üben? Dass er es ernst meinte? Dass er … Er schluckte. Dass er sich eventuell ein wenig in ihn verliebt hatte? Das war Liebe, oder? Wenn man so verdammt aufgekratzt war, dass jeder Blick des anderen fast das Herz in die Luft jagte? Vermutlich. Mist. Er wusste wirklich nicht, wie Arthur reagieren würde, wenn … wenn er es ihm sagen würde.

      Die gleißende Helligkeit im Innenhof ließ ihn blinzeln. Lichtpunkte tanzten auf der Wasseroberfläche und der Pool wirkte so einladend, dass er noch weniger verstand, warum Arthur nicht hineinspringen wollte. Jetzt schon war sein Shirt schweißverklebt. Er zog es sich über den Kopf und bemerkte ein neues Loch. Es ließ ihn zögern.

      Diese Villa, der Wald und die Klostermauer … Die lagen außerhalb der Realität. Hier konnten sie zusammen sein, ohne dass es Probleme gab. Blöderweise hatte die Realität die Angewohnheit, wieder aufzutauchen, wenn man sie am wenigsten erwartete. Auf einem Baumarktparkplatz. In einer abgelegenen Gasse. Selbst hier.

      Irgendwann würden die Ferien zu Ende sein. Von wegen irgendwann. In … Ein Kloß bildete sich in seinem Hals. In fünf Tagen waren sie zu Ende. Und dann? Dann kehrte Arthur zurück in sein reiches Bonzenleben, in das Kai nicht passte. Kai passte nicht mal in das kleine Dorf, wie sollte er da mit Arthur mithalten?

      Es wäre leichter gewesen, wenn er gewusst hätte, dass Arthur auch etwas für ihn empfand. Aber selbst dann … Die Ferien waren fast zu Ende. Das alles war fast zu Ende und er wusste nicht, wie er weitermachen sollte.

      Mutlos schälte er sich aus den restlichen Klamotten und stieg nackt die blaue Mosaiktreppe zum Wasser hinunter. In seinem Kopf taumelten Gedanken übereinander, die er nicht denken wollte.

      Wahrscheinlich musste er Arthur echt fragen, nur … Vielleicht war es besser, das hinauszuzögern. Die Zeit zu genießen, erst am allerletzten Tag zu fragen, ob sie sich wiedersehen konnten, irgendwie.

      Das Wasser war eiskalt. Perfekt. Kaum hatte es die Füße überflutet, warf er sich hinein und tauchte in die eisige Erfrischung. Das Muster verschwamm unter ihm. Er sank bis zum Grund und versuchte, die Gedanken einzufrieren. Paps war nicht mehr hier. Vor zwei Tagen waren die letzten Arbeiten erledigt gewesen und Kai hatte Urlaub. Also warum genoss er es nicht einfach? Warum …

      Erst, als seine Lungen fast platzten, tauchte er auf. Schüttelte sich.


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