Heißes Blut. Un-su Kim

Heißes Blut - Un-su Kim


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drückte Huisu die Zigarette im Aschenbecher aus, nahm einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht. Offenbar tat das Gebräu seinem Magen nicht gut.

      Vater Son bereute längst, ihn so früh geweckt zu haben – mit einem kleinen Löffel in seinem Ginsengtee rührend, sah er Huisu prüfend an. »Wie kannst du auf leeren Magen Kaffee trinken? Du solltest Ginsengtee trinken, der ist gesund.«

      »Den können Sie gern selbst trinken und ein langes Leben haben.«

      »Also wirklich, ich bin freundlich, und du meckerst nur rum.«

      »Ihre Freundlichkeit juckt mich nicht, sagen Sie mir einfach, was Sie mir sagen wollen, damit ich weiterschlafen kann.«

      »Nun, ich wollte einfach mal hören, wie es gestern mit den Leuten vom Zoll gelaufen ist.«

      »Was für eine Frage. Gebechert haben die, mit allem, was dazugehört, und da ist ordentlich Kohle bei draufgegangen.«

      Vater Son nickte.

      »Was die Mengen betrifft, alles so wie letztes Jahr?«

      »Die Menge ist denen scheißegal, Hauptsache, es ist nichts Gefährliches dabei.«

      »Natürlich ist nichts Gefährliches dabei. Aber pass du von deiner Seite auch auf, dass die Jungs uns nichts Faules unterjubeln. Dann müssen wir nämlich alle dran glauben. Miese Zeiten sind das.«

      »Wo wir gerade davon reden, können wir das mit dem chinesischen Chilipulver nicht mal sein lassen? Das bringt so wenig ein, finden Sie wirklich, dass sich dafür der Anblick von schaufelnden, schwitzenden Gangstern lohnt?«

      »Da täuschst du dich, das Chilipulver ist durchaus lukrativ.«

      »Für Sie bestimmt, Sie müssen ja auch nur rumsitzen und Scheine zählen. Aber was ist mit uns? Bis wir die beschissenen Container voll haben, sind wir halb tot.«

      »Was redest du da, wie kannst du so übertreiben! Willst du, dass dir das Geld einfach so in die Taschen fliegt ohne jede Anstrengung? Egal, lassen wir das. Um wie viel Uhr wart ihr gestern fertig?«

      »Fünf Uhr morgens.«

      »Tss, ihr hättet auseinandergehen sollen, sobald das Geschäftliche erledigt war. Warum immer alles so in die Länge ziehen?«

      »Bestimmt nicht, weil ich die Kerle so charmant fand. Diese Scheißtypen haben gar nicht daran gedacht, nach Hause zu gehen, die wollten natürlich noch gratis trinken und so weiter. Vom Grillrestaurant habe ich sie in eine Go-go-Bar geschleppt, dann in einen Nachtklub und dann wieder in eine Bar. Irgendwann habe ich’s geschafft, jeden mit einem Mädchen in eins der Zimmer hier zu verfrachten, das Arschloch Gu gleich in meins. Der war völlig besoffen, hat irgendwann angefangen, das Mädchen zu schlagen und Randale zu machen.«

      »Er hat das Mädchen geschlagen? Wenn er besoffen ist, schlägt er Frauen, der Dreckskerl?«

      »Weil er keinen mehr hochkriegt. Tja, was soll man machen, wenn eine Nutte sich zwei Stunden abmüht und man immer noch keinen Ständer hat? Am Ende ist das Schwein sauer geworden, hat gesagt, sie hätte nicht ihr ganzes Gefühl reingelegt, und hat sich auf sie gestürzt, um sie zu verprügeln. Ich konnte ihn wegzerren, und dann hat er sich im Flur in Unterhose auf dem Boden gewälzt, hat geheult und geschrien, dass er eine schwierige Jugend hatte, und jetzt, wo er endlich einigermaßen anständig leben kann, lässt ihn sein Schwanz im Stich. Fuck!«

      »Warum gibt er anderen die Schuld? Sein Schwanz ist das Problem, verdammt.«

      »Sehe ich genauso.«

      »Aber die vom Zoll waren doch bestimmt Musterknaben, oder?«

      »Wenn man den Mädchen glaubt, ist Chef Gu im Vergleich zu denen ein echter Gentleman.«

      Vater Son schüttelte grinsend den Kopf. »Was für ein Land! Je mehr Bildung einer hat, desto perverser wird er. Ich frage mich, was man denen in der Schule beibringt.« Er hob die Tasse, schwenkte sie leicht und schlürfte mit dem letzten Schluck Tee den auf den Boden gesunkenen Ginsengrest auf.

      Huisu nahm sich wieder eine Zigarette und sah sich um. Mitten im Café saßen vier alte Männer um einen Tisch und ließen sich plaudernd ihre Rinderbrühe schmecken. Diese zahnlosen Greise waren die eigentlichen Besitzer von Guam. Sämtliche Hotels, Karaoke-Bars, Nachtlokale, Kasinos und Gogo-Bars, mit anderen Worten die gesamte Freizeit- und Unterhaltungsindustrie von Guam teilten sich die vier mit Vater Son: ein ehemaliger Militärkommandant, ein ehemaliger Polizist, ein ehemaliger Wucherer und ein ehemaliger Schiffslotse. Inzwischen führten sie ein friedliches Rentnerdasein, gingen frühmorgens spazieren und spielten nachmittags Golf. Hinter einer untadeligen Fassade waren es verabscheuungswürdige Gestalten, die sich von den Einnahmen in Guam keinen Cent entgehen ließen. Ein ganzes Bataillon von leeren Terrakotta-Töpfchen und -Schälchen, in denen man ihnen Rindsbouillon und fermentierten Rettich serviert hatte, stand kreuz und quer auf dem Tisch verteilt.

      »Scheiße, ich habe Ihnen doch gesagt, dass hier morgens keine Rindsbouillon serviert werden soll.«

      »Ich habe sie trotzdem bringen lassen, es sind ja sonst keine Gäste da. Die gehen gleich wieder, reg dich nicht auf«, sagte Vater Son beschwichtigend, wenn auch ein bisschen verlegen.

      »So was im Café eines Hotels, das geht einfach nicht! Kapieren Sie denn nicht, welche Folgen es fürs Geschäft hat, wenn man hier morgens zwischen frühstückenden Touristen fünf alte Männer zusammensitzen sieht, die ihr Rettich-Kimchi mümmeln? In Zeiten wie diesen läuft alles über Mund-zu-Mund-Propaganda. So was bei uns, da müssen wir uns hinterher nicht wundern, wenn über das Hotel Mallijang geredet wird.«

      »Also wirklich, was soll das? Was gehst du mir gleich morgens mit solchen Vorhaltungen auf die Nerven? Habe ich nicht verdammt noch mal das Recht, in meinem eigenen Hotel einen Teller Bouillon zu essen? Wenn dich das so anwidert, mach dein eigenes Hotel auf, da kannst du das Essen von Rinderbrühe gern verbieten.«

      »Vergessen Sie’s. Was für ein blödsinniges Gerede. Aber am Ende des Tages ist es ja wirklich Ihr Hotel, wie Sie schon sagten. Tun Sie also, was Sie für richtig halten.«

      Gereizt drückte Huisu die Zigarette im Aschenbecher aus. »Und ansonsten? Wie wollen Sie die Sache mit Husik regeln?«

      Vater Son zuckte zusammen, als er den Namen hörte. »Wieso fängst du jetzt doch wieder damit an? Die Sache ist geregelt, das habe ich dir doch gesagt. Ich habe nur einen Schein von Husik bekommen. Ich sage es dir noch mal: Ich habe diesen Schein so an dich weitergegeben, wie man ihn mir gegeben hat, in einem Umschlag, den ich nicht geöffnet habe.«

      »Nur dass ich gestern mit Husik telefoniert habe, und er hat mir versichert, dass er Ihnen zwei Scheine gegeben hat.«

      Die Neuigkeit, dass die beiden telefoniert hatten, schien Vater Son in Verlegenheit zu bringen, und er wandte den Blick zum Meer. »So eine Ratte. Was muss mich dieses Arschloch gleich morgens so blamieren. Dem sollte man das verdammte Maul stopfen, am besten tackert man es gleich zu«, murmelte er in die Richtung des Meeres.

      Nach kurzem Nachdenken schaute er wieder zu Huisu. »Hör zu, es stimmt, dass Husik mir zwei Scheine gegeben hat, aber weißt du, dieser Typ, der sich um die Stadtverwaltung und die Bullen kümmert – wie heißt er noch, ach ja Bonho –, also dieser Bonho hat darauf bestanden, dass wir an dem Tag auch die Bullen schmieren … Da sind dann gleich noch mal dreißig Millionen draufgegangen. Und Vater Kim, diese hohle Nuss, du weißt doch, wie der ist … der nörgelt rum, wenn er keine Vermittlungsprovision bekommt. Und schon waren noch mal zwanzig Millionen weg.«

      »Und die restlichen fünfzig?«

      »Die restlichen fünfzig Millionen? Du weißt doch, kaum rührt man sich vom Fleck, entstehen Kosten, was weiß ich, Benzin, kleinere Schulden, die hier und da beglichen werden müssen, und, na ja, essen mussten wir ja auch …«

      Vater Sons Satz endete in einem Stammeln.

      »Also wirklich, wie kann jemand, der so reich ist wie Sie, dermaßen geizig sein. Wissen Sie, die Jungs arbeiten heutzutage einfach nicht, wenn sie nicht das kriegen, worauf sie Anspruch haben. Dachten Sie, alles wäre


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