Vermisst. Sam Hawken

Vermisst - Sam Hawken


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ein Konzert geht. Sie kann Karten für uns beide besorgen, wenn ich mit will. Die Band soll echt gut sein.«

      »Ein Konzert? Hier in Nuevo Laredo?«

      »Ja. Es ist nicht weit von tío Bernardos Haus. Patricia sagt, sie geht mit ein paar Freunden hin, und ich bin eingeladen.«

      Jack warf Marina einen Seitenblick zu und merkte, dass sie ihn eindringlich ansah. Sein Hirn mahlte, um die richtigen Worte zu finden. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Ich weiß nicht.«

      »Es wird nichts passieren«, sagte Marina. »Wir gehen zusammen mit drei oder vier anderen Mädchen. Allerdings findet das Konzert am Freitagabend statt.«

      »Ein Konzert am Abend?«, fragte Jack. »Keine Chance. Wenn es tagsüber wäre, dann könnten wir vielleicht darüber reden, aber du gehst nachts nicht über die Brücke.«

      »Wirklich, Jack, es ist nicht gefährlich. Wir sind eine große Gruppe. Und es wird auch nicht wirklich spät sein. Wahrscheinlich ist es dann noch hell.«

      »Ich mache mir nicht Sorgen um das Licht. Du weißt, was hier drüben los ist.«

      »Tío Bernardo geht es doch gut.«

      Jack trommelte auf das Lenkrad. »Bernardo ist vorsichtig, alle in der Familie sind vorsichtig. Sie gehen keine Risiken ein. So vermeidet man Ärger. Ich lasse dich nicht nachts auf ein Konzert gehen. Das ist zu gefährlich.«

      Marina warf sich im Sitz nach hinten. »Ich wusste, dass du Nein sagst. Ich hab’s ihr gesagt.«

      »Ich würde gerne Ja sagen. Aber ich muss das Richtige tun. Du bist siebzehn und solltest dich nicht alleine in der Stadt rumtreiben.«

      »Aber ich wäre nicht allein, darum geht es doch! Patricia ist die ganze Zeit dabei. Und sie ist volljährig.«

      »Gerade so.«

      »Auf jeden Fall ist sie erwachsen.«

      Jack merkte, dass Lidia auf dem Rücksitz so tat, als würde sie nicht zuhören. Er wünschte sich, der Lastwagen vor ihm würde endlich in die Gänge kommen, damit sie über die Brücke und am Zoll vorbeifahren konnten, bevor er wieder etwas sagen musste. Marina strahlte Gereiztheit aus, als wäre es Hitze.

      Und sie ließ nicht locker. »Wie gesagt, ich will ja nicht wild feiern. Ich würde zu tío Bernardo fahren, Patricia abholen und aufs Konzert gehen. Danach essen wir irgendwo etwas und übernachten bei tío Bernardo. Am Morgen fahre ich wieder zurück.«

      »Marina –«

      »Es sind jede Menge Cops unterwegs! Das hättest du heute mal sehen sollen. Polizisten. Soldaten. Wenn es irgendwelche Probleme gibt, gehen wir direkt zur Polizei.«

      »Ich weiß nicht«, sagte Jack.

      »Komm schon, Jack, es ist nur ein Konzert. Wenn die Schule wieder anfängt, habe ich keine Zeit mehr für irgendwas. Ich bitte dich nie um was!«

      »Ohne beglaubigte Genehmigung von mir kommst du nicht mal über die Grenze«, sagte Jack.

      »Dann besorgen wir uns eine. Die Beglaubigung kann man sich in diesem Büro in der Mall besorgen.«

      »So leicht ist das, wie?«, fragte Jack.

      »Es muss ja nicht schwer sein.«

      »Kapierst du nicht, dass hier drüben Krieg herrscht? Die Polizisten und Soldaten schwirren ja nicht grundlos überall herum. Was du da willst … da geht’s nicht bloß um ein Konzert.«

      »Du vertraust mir, oder?«

      »Es geht auch nicht um Vertrauen. Ich weiß, dass du keine Dummheiten machen würdest.«

      »Was ist dann das Problem?«

      Jack bemühte sich, nicht finster dreinzuschauen, doch sein Gesicht hatte sich verzogen. Der LKW vor ihnen schob sich kaum einen Zentimeter vorwärts. »Verdammt noch mal«, sagte er laut.

      »Ich verspreche, dass ich dich dieses Jahr um nichts anderes mehr bitte«, sagte Marina. »Ehrlich. Wenn doch, kannst du mir einen Monat Hausarrest geben.«

      »Du versprichst, dich genau an das zu halten, was ich dir sage?«, fragte Jack. »Keine Umwege, kein Ups, hab ich vergessen, sondern genau das, was wir absprechen?«

      »Versprochen. Heiliges Ehrenwort.«

      »Ich muss irre geworden sein«, sagte Jack. »Deine Mutter hätte dich das niemals machen lassen. Ich kann hören, wie sie mich gerade für verrückt erklärt.«

      »Mom hätte überhaupt nichts dagegen«, sagte Marina.

      »Meinst du, ja?«

      »Jack, ich möchte wirklich gern hingehen. Es wird Spaß machen, und ich erlebe mal ein Abenteuer.«

      »Nein«, sagte Jack. »Keine Abenteuer. Das wird das Gegenteil von einem Abenteuer. Und wenn ich rausfinde, dass du was getrunken hast oder so, dann kannst du jegliches Abenteuer ein für allemal vergessen.«

      »Ich habe verstanden.«

      Jack betrachtete sie. Sie biss sich auf die Lippe, wie Vilma es immer getan hatte. Sie waren sich so ähnlich. »Ich sage vielleicht. Ich sage nicht Ja. Wann ist das Konzert?«

      »In zwei Wochen.«

      »Ich denke darüber nach und spreche mit Bernardo, und wenn ich überzeugt bin, dass dir nichts passieren kann, dann werde ich mich entscheiden. Aber wenn ich Nein sage, gilt das. Keine weiteren Diskussionen.«

      »Okay. Danke, Jack.«

      »Bedank dich nicht zu früh.«

       14

      Jack arbeitete den größten Teil der Woche allein im Haus des Anwalts. Das Home Depot mied er geflissentlich. Wenn er doch daran vorbeifahren musste, wandte er den Blick ab, um nicht sehen zu müssen, ob sich Eugenio unter den dort wartenden Männern befand.

      Eines Nachmittags fuhr er zu dem Büro in der Mall und ließ sich eine getippte Genehmigung beglaubigen, die es Marina erlaubte, zu einem bestimmten Zeitpunkt alleine die Grenze zu überqueren. Marina umarmte ihn und gab ihm einen Kuss. Jack versuchte, sich keine Sorgen zu machen.

      Er bekam weitere Renovierungsaufträge. Die nächsten drei Monate würde er genug zu tun haben. Das war gut, regelmäßige Arbeit bedeutete ein regelmäßiges Einkommen. Wenn eines Tages weniger Jobs reinkamen, musste er von dem leben, was er seit Vilmas Tod angespart hatte. Er bezahlte immer noch ihre Arztrechnungen ab.

      Er genoss seine Feierabendbiere, ging zeitig ins Bett und wachte früh auf. Der Kalender zeigte an, dass bald wieder die Schule beginnen würde. Die Mädchen hatten sich die Bücherliste besorgt, und Jack brachte im Walmart ein paar Stunden damit zu, alles Benötigte für das neue Schuljahr zusammenzusuchen. Früher hatte die Schule selber die Materialien gestellt, doch das war lange vorbei, das Geld zu knapp. Die Schulen mussten jeden Dollar zusammenkratzen, genau wie die Männer auf dem Parkplatz vom Home Depot.

      Marina kaufte sich von ihrem ersten Lohn ein neues Kleid. Jack fand, es zeigte zu viel Haut an Schultern und Beinen, aber Marina lachte ihn nur aus. Vielleicht wurde er doch langsam ein alter Mann, der sich über harmlose Dinge aufregte. Als Marina ankündigte, das Kleid zum Konzert zu tragen, schlug er nur vor, einen dünnen Pulli mitzunehmen, um sich ein wenig zu bedecken. Natürlich würde sie das nicht tun. Selbst wenn er ihr den Pulli eigenhändig über den Kopf zöge.

       15

      Das Telefon auf Gonzalos Schreibtisch klingelte zweimal. Er nahm ab. »Soler.«

      »Ist da Inspector Gonzalo Soler?«, fragte ein Mann, dessen Stimme Gonzalo nicht erkannte.

      »Ja. Wer spricht da?«

      »Valdez. Ich arbeite in La Zona.«

      »Was


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