Die Abenteuer der kleinen Lilly und andere Kurzgeschichten. Sabine Siebert

Die Abenteuer der kleinen Lilly und andere Kurzgeschichten - Sabine Siebert


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entdeckte, konnte sie nicht aufhören, diese geheimnisvolle Blüte mit den vielen weißen Blüten zu betrachten. Eine weiße Pfingstrose hatte es Lilly angetan. Langsam erkundete sie den Garten. Was blinkte da in der Sonne? Oh, Lilly hatte es so eilig, dieses Etwas zu betrachten, dass sie beinahe in den Gartenteich geplumpst wäre. Gerade rechtzeitig erkannte sie die Wasseroberfläche. Nanu, was saß denn da auf einem Stein und rührte sich nicht? Es sah aus wie der dicke Willi, der im kleinen Tümpel im Wald wohnte. Aber dieses Tier war viel größer und saß ganz still.

      ,Lilly piepste: „Hallo du, wer bist du?“

      Lilly versuchte es noch einmal: „Hallo, ich bin Lilly und wer bist du?“

      Doch das Tier antwortete nicht. Lilly dachte an ihre Familie und dann kullerten ihr ein paar Tränen über ihr hübsches Gesicht.

      Plötzlich bewegte sich im Wasser etwas. Als sie genauer hinsah, erblickte sie drei rot-golden schimmernde Fische. Lilly war fasziniert. Sie rief: „Hallo, wer seid ihr?“ Aber auch sie gaben ihr keine Antwort. Lillys Magen knurrte. Da fiel ihr ein, dass sie seit dem Mittag nichts mehr gegessen hatte. Auf einmal hörte sie Schritte. Da war wieder die Frau, der sie gefolgt war. Sie erschien im Garten mit einer Schüssel, aus der ein Salatblatt hervorlugte. Schnell drückte sich Lilly ins Gras, damit sie unentdeckt blieb. Wo ging die Frau mit der Schüssel hin? Jetzt erspähte Lilly einen großen schwarzen Behälter im Garten. Die Frau öffnete einen Deckel und leerte die Schüssel aus. Oh, wie es aus dem Behälter duftete. Kaum war die Frau gegangen, fand Lilly einen Spalt im Behälter und zwängte sich durch. Was gab es da für Köstlichkeiten zu entdecken? Salatblätter, Kartoffel- und Apfelschale und einiges, was Lilly noch nie gesehen hatte. Sie knabberte an allem herum, bis sie satt und schläfrig wurde. Als die Sonne unterging, schlief Lilly erschöpft ein.

      Am nächsten Morgen erwachte Lilly sehr früh. Die Sonne ging gerade auf und Lilly nahm unbekannte Gerüche wahr, die sie aus dem Wald nicht kannte. Jetzt musste sie wieder an ihre Familie denken. Bestimmt würde man sie vermissen. Doch unsanft wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, denn es schabte und trippelte vor ihrer Behausung. Als sie vorsichtig aus dem Behälter schaute, erblickte sie einen kleinen Igel.

      Lilly flüsterte: „Guten Morgen, Igel!“

      Der Igel hob den Kopf, konnte aber niemanden sehen.

      Lilly wollte sich gerade zu erkennen geben. Da rief eine Stimme nach dem kleinen Igel und er lief geschwind davon. „Schade“, dachte Lilly, „mit ihm hätte ich sicher spielen können.“ Igel kannte sie, die gab es auch im Wald. Sie beschloss, zu frühstücken und sich dann im Garten umzusehen.

      Aber kaum hatte sie ein Salatblatt probiert, vernahm sie wieder ein Scharren und Kratzen. Sie dachte, dass der Igel wiederkäme. Sie wollte ihn nicht verpassen und kletterte geschwind aus dem Behälter. Aber kaum war sie herausgeschlüpft, erblickte sie eine große Katze, die direkt vor ihr stand. Lilly war zu Tode erschrocken und stand ganz starr. Zwar hatte sie früher schon Katzen im Wald gesehen, aber so nah war ihr noch keine gekommen. Sie konnte sich vor Angst nicht rühren und deshalb auch nicht wieder in ihr Versteck klettern.

      Aber zu ihrem Erstaunen sprach die Katze sie ganz freundlich an. „Ah, ein kleines Mäuschen, was machst du denn hier? Dich habe ich hier noch nie gesehen.“

      Lilly hatte noch immer Angst, aber sie war auch neugierig. Als sie sich also von ihrem ersten Schock erholt hatte, antwortete sie der Katze: „Ich bin Lilly und komme aus dem Wald.“

      Die Katze musterte sie genau und fragte dann: „Wo ist deine Familie?“

      Lilly seufzte: „Sie sind zu Hause, ich bin ganz alleine hier.“

      „So“ sprach die Katze. „Da hast du aber Glück gehabt, dass du mich zuerst kennengelernt hast und nicht dem Nachbarskater Hieronymus begegnet bist. Der hat kleine Mäuschen nämlich zum Fressen gern. Ich dagegen heiße Hugo und meine Besitzerin füttert mich so gut, dass ich das Jagen schon lange aufgegeben habe.“

      „Was habe ich doch für ein Glück“, freute sich Lilly. „Wollen wir gemeinsam spielen?“

      Hugo lachte. „Aber Lilly, das geht nun wirklich nicht. Die anderen Katzen würden mich auslachen, wenn sie uns zusammen sehen würden. Nein, Lilly, wir können nur miteinander reden, wenn keine andere Katze in der Nähe ist.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Hugo.

      Lilly überlegte, was nun zu tun wäre. Auf alle Fälle musste sie sehr vorsichtig sein, denn sie wusste jetzt, dass es hier noch weitere Katzen gab und nicht alle so freundlich wie Hugo waren. Nachdem sie gefrühstückt hatte, wollte sie sich waschen gehen. Sie erinnerte sich, dass sich ganz in der Nähe der Teich befand. Dorthin ging sie. Sie erblickte wieder den großen Frosch, der ihr gestern bereits aufgefallen war. Er saß noch immer unbeweglich an derselben Stelle. Auch heute antwortete er ihr nicht. Das wollte sie genauer wissen. Sie ging zu ihm und als sie direkt vor ihm stand und ihn berührte, erschrak sie. Er fühlte sich ganz kalt und hart an. So einen Frosch hatte sie noch nie gesehen. „Merkwürdig“, dachte Lilly und sie nahm sich vor, Hugo zu fragen.

      Den Tag über verbrachte Lilly damit, den restlichen Garten zu erkunden. Immer wieder schnupperte sie an dieser wunderbar duftenden Blume. Sie nahm sich vor, später ihrer Mutter davon zu erzählen. Nach einem ausgiebigen Mittagsmahl, das aus Salatblättern bestand, wurde sie müde und fiel in einen tiefen Schlummer. Plötzlich wurde sie durch ein lautes Geräusch geweckt. Da sie noch schlaftrunken war, konnte sie sich nicht rechtzeitig verstecken. So sahen sich die Frau und Lilly plötzlich gegenüber stehen. Und keiner kann sagen, wer mehr erschrocken war – das Mäusemädchen oder die Frau, die in den Garten gekommen war und neue Speise zu Lillys Unterkunft brachte. Die Frau stieß einen kleinen Schrei aus und Lilly erschrak so heftig, dass sie den Halt verlor und bis zum Boden des Behälters rutschte. Lilly brauchte eine Weile, um sich zu beruhigen. Sie überlegte, ob ihre Brüder wohl auch so erschrocken wären oder ob sie über Lillys Angst gelacht hätten.

      Es wurde Abend. Da hörte Lilly wieder kleine Trippelschritte. Sie beeilte sich, aus dem Behälter zu kommen, und wäre beinahe mit dem kleinen Igel zusammengestoßen.

      Dieser quietschte vor Vergnügen, als er Lilly erblickte. „Ja wer bist denn du?“, fragte der Igel.

      „Ich bin Lilly“, stellte sie sich vor. „Und wie heißt du?“

      „Man nennt mich Edi, den Träumer. Ich wohne mit meiner Mama und meinen Geschwistern in der Igelburg. Wo ist deine Familie?“

      Lilly berichtete von ihrer Familie im Wald und davon, dass sie nur einen kurzen Ausflug gemachte hatte. Edi meinte: „Dann bist du ganz alleine hier. Komm doch mit mir, dann kannst du mit uns spielen.“

      „Das ist wundervoll“, schwärmte Lilly. „Gerne komme ich mit.“ So lernte das Mäusemädchen die Igelfamilie kennen.

      Edis Mutter fragte Lilly: „Wo lebt deine Familie?“

      „Im Wald“, antwortete Lilly.

      „Warum bist du nur fortgelaufen? Deine Mutter macht sich sicher große Sorgen“, fragte Mutter Igel.

      „Daran habe ich gar nicht gedacht“, gab Lilly leise zu. „Ich wollte doch nur die Menschen kennenlernen.“ Jetzt stellte sie sich vor, wie ihre Mutter nach ihr suchen und sich Sorgen würde. Lilly wurde auf einmal ganz traurig. Das Spielen machte ihr keinen Spaß mehr und sie musste an ihr Zuhause denken. Nachdenklich schlich sie zu ihrer neuen Unterkunft und weinte sich in den Schlaf. Sie träumte vom Wald und ihrer Familie.

      Als sie am nächsten Morgen sehr früh erwachte, fasste sie den Entschluss, sich auf den Heimweg zu machen. Sie frühstückte ein wenig und wollte dann los. Nachdem sie am Gartentor angekommen war, wusste sie nicht mehr weiter. Sie konnte sich nicht erinnern, aus welcher Richtung sie gekommen war. Alles sah so gleich aus, überall nur Straße und Häuser mit Gärten. Lilly wusste nicht, was sie tun sollte. Niemand war da, den sie hätte fragen können. Sie hoffte, dass die Frau wieder auftauchen würde und sie ihr unbemerkt folgen konnte. Den ganzen Tag wartete sie in einem Versteck nahe des Gartentores. Aber es war vergebens. Die Frau war nicht aus dem Haus gekommen. Lilly huschte


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