Die Abenteuer der kleinen Lilly und andere Kurzgeschichten. Sabine Siebert
Mäuschen bist du denn? Du siehst nicht wie Lilly aus. Dein Schwanz ist so kurz.“
„Ich bin eine Feldmaus“, erklärte Fips stolz, „alle in meiner Familie haben einen kurzen Schwanz.“
Willy, der Frosch war mit der Erklärung zufrieden. Willy quakte noch ein wenig, bevor er mit sieben großen Sprüngen auf einem Seerosenblatt landete.
Lilly erzählte Fips alles, was sie selbst über den Tümpel wusste. Fips gähnte einige Male herzhaft, doch Lilly schien es nicht zu merken und redete munter weiter, bis es Zeit war, nach Hause zu gehen.
„Ich weiß aber nicht, wie wir wieder zu unserem Bau kommen“, flüsterte Fips.
„Dafür kenne ich den Weg umso besser“, stellte Lilly fest und lachte dabei. Geschwind liefen die beiden Mäuschen – sich an den Händen haltend – heim. Als sie Fips Unterkunft erreichten, wartete Mama Murmel schon.
„Was hast du alles gesehen?“, wollte sie wissen.
Bevor Fips antwortete, rannte Lilly schon weiter und rief: „Ich komme heute Nachmittag wieder.“
Zu Hause wartete man bereits auf Lilly. Die ganze Familie saß am Tisch. „Wo warst du bloß?“, fragte Max. „Wir konnten dich nirgends finden.“
„Ich habe Willy am Tümpel besucht und darüber habe ich die Zeit vergessen“, antwortete Lilly.
„Das habe ich bemerkt“, sagte die Mutter. „Aber jetzt wird gegessen Kinder und dann ab ins Bett zum Mittagsschlaf.“
Ach, was war das Leben als kleine Waldmaus doch schön. Das Essen, Spielen und Schlafen waren die Hauptbeschäftigungen der Mäuse. Der Wald bot ihnen Nahrung und Unterkunft. Hier bei den Buchen lebten einige Mäusefamilien. Die Mäusehöhlen waren ähnlich ausgestattet. In jeder gab es eine große Vorratskammer. Die wurde besonders im Herbst randvoll mit leckeren Sonnenblumenkernen, Bucheckern und Grassamen gefüllt. So konnten die Mäuse auch einen kalten Winter überstehen. Es gab einen Bereich, wo die Mäuse ihre Mahlzeiten einnahmen. Die Schlafstätten waren nicht in jeder Höhle gleich. Es gab Familien, da schliefen alle Mäuse in einer gemeinsamen Höhle auf weichem Moos. In anderen Unterkünften – wie bei Lillys Familie – hatten die Kinder ihre eigenen Schlafplätze.
Nach dem Mittagsschlaf liefen die Mäusejungen wieder in den Wald, während Lilly zu Fips sprang. Als sie beim Maushaus angelangt war, wartete Fips schon ungeduldig: „Gehen wir wieder spielen?“
„Ja, gerne“, antwortete Lilly. „Ich kenne einen sehr schönen Platz zum Spielen.“
„Ist es weit?“, wollte Fips wissen.
„Lass dich überraschen“, flüsterte Lilly und dabei lächelte sie vielsagend. Nach einem Stück Weg durch den Wald gelangten sie zu einer Lichtung. Es war eine wunderschöne Blumenwiese, die übersät war mit Gänseblümchen und kleinen pinkfarbenen Glockenblumen. Fips war völlig überrascht, solch eine Wiese im Wald zu entdecken. Beide Mäuschen rannten gleichzeitig los. Sie sprangen in der Wiese herum, fielen hin, kugelten sich und sprangen wieder auf die Füße. Die Blumen verströmten einen feinen Geruch und kitzelten die kleinen Nasen der Mäuschen. Fips musste immer wieder niesen. Sie rannten hin und her, bis sie vor Müdigkeit ins Gras sanken. Lilly stimmte ein kleines Liedchen vom Käfer mit den schwarzen Punkten an und Fips schlummerte friedlich ein. Lilly blickte zum Waldrand und entdeckte zwei spielende Eichhörnchen ganz in ihrer Nähe. Aber die beiden waren so mit sich beschäftigt, dass sie die Mäuschen im Gras nicht bemerkten. Auch Lilly kämpfte mit dem Schlaf. Sie versuchte, wach zu bleiben. Denn wenn sie beide einschliefen, konnte es leicht passieren, dass ein Raubvogel, vielleicht ein Mäusebussard, sie entdecken und jagen würde. Aufmerksam beobachtete sie den Himmel. Aber heute war nichts zu sehen.
Nach einer Weile weckte sie Fips. Der blinzelte verschlafen und fragte: „Was ist passiert?“
„Nichts“, beruhigte ihn Lilly, „aber es ist schon spät und wir sollten heimgehen, bevor die Käuzchen erwachen.“
Auf dem Heimweg zeigte Lilly Fips einige Pflanzen und Kräuter und erklärte, was sie bewirken.
„Was du alles weißt“, lobte Fips.
„Hab ich von meiner Mama gelernt. Ich erzähle dir gern alles, was ich weiß.“
So kamen sie munter plaudernd bei Fips Wohnung an.
Murmel Maus wartete schon auf die beiden Mäusekinder. „Gut, dass ihr zurück seid. War es schön? Ich habe eine kleine Stärkung für euch.“ Und damit schob sie den beiden ein Schälchen mit Milch hin.
Fips schwärmte: „Was Lilly alles weiß, Mama. Sie kennt jede Pflanze und wir waren auf einer Wiese mit gelben und blauen Blumen.“
Kaum hatte Lilly die Milch getrunken, verabschiedete sie sich: „Dann bis morgen.“
„Bis morgen“, rief Fips und winkte ihr hinterher.
Lilly drehte sich um und fragte: „Möchtest du nicht mal meine Familie kennenlernen?“
„Ich weiß nicht“, piepste Fips.
„Überleg es dir“, meinte Lilly. Dann lief sie davon.
Lilly hüpfte und trällerte ein Liedchen dabei. Und in Nullkommanichts war sie zu Hause angelangt.
„Na, Lilly, du freust dich ja so“, sagte ihre Mutter.
„Ich hatte einen wunderschönen Tag“, erwiderte Lilly.
„Willst du mir nicht erzählen, was du Schönes erlebt hast?“, hakte die Mutter nach.
Lilly wollte gern, aber sie hatte doch versprochen, nichts zu erzählen. Eine Weile druckste sie herum. Dann schlich sie ganz nah zu ihrer Mutter und flüsterte: „Darf ich dir ein Geheimnis anvertrauen? Du darfst aber niemandem davon erzählen.“
„Ja, Lilly“, sagte die Mama, „du machst mich ganz neugierig. Wenn du möchtest, bleibt es natürlich unser Geheimnis.“
Überglücklich umarmte Lilly ihre Mama und dann sprudelte es nur so aus ihr heraus. Sie erzählte, wie sie Fips und seine Familie kennengelernt hatte und was sie heute alles zusammen erlebt hatten. Zwischendurch runzelte die Mama die Stirn, besonders als sie von dem nächtlichen Ausflug ihrer Tochter erfuhr. Sie freute sich, dass Lilly einen neuen Freund gefunden hatte. Aber sie nahm Lilly auch das Versprechen ab, nie wieder alleine nachts das Haus zu verlassen. Lilly versprach es. Sie hatte noch so viele Fragen an die Mama. Sie wollte auch wissen, ob sie Fips morgen einladen dürfte. Die Mama erlaubte es und wollte auch die ganze Familie von Fips kennenlernen.
Am nächsten Morgen gleich nach dem Frühstück rannte Lilly zu Fips. Fips wartete bereits auf sie. Bevor sie jedoch losstürmten, überbrachte Lilly die Einladung für die ganze Familie für den Nachmittag. Ehe Murmel Maus etwas erwidern konnte, hatte Lilly Fips bei der Hand genommen und sie waren davongerannt.
„Kinder“, dachte Murmel und freute sich, dass ihr Fips eine so nette Freundin gefunden hatte. Dann widmete sie sich ganz dem Besuch bei Lillys Eltern. Oh sie musste noch viel vorbereiten.
Derweil waren Lilly und Fips unterwegs. Heute wollte Lilly ihm was Neues zeigen. Sie kannte eine schöne Stelle, wo ein lustiger Buntspecht wohnte. Das war am Waldesrand. Sie hatten einen ziemlich langen Weg vor sich. Es ging vorbei an Brombeerhecken und Walderdbeeren. Das Gras war teilweise so hoch, dass die beiden Mäuschen von niemandem gesehen werden konnten.
Schon von Weitem hörten sie das Klopfen des Buntspechts. Er holte sich seine Lieblingsspeise aus den Baumstämmen. Er mochte die Würmchen und Käfer besonders gern. Lilly kannte ihn gut.
Als der Specht die beiden Mäuschen erblickte, kam er heran und setzte sich vor sie auf einen umgefallenen Baumstamm. Der Specht war neugierig: „Hallo, Lilly. Wer ist dein neuer Freund?“
„Das ist Fips“, erzählte Lilly stolz.
Der Specht betrachtete Fips und als er seinen kurzen Schwanz sah,