Die Abenteuer der kleinen Lilly und andere Kurzgeschichten. Sabine Siebert

Die Abenteuer der kleinen Lilly und andere Kurzgeschichten - Sabine Siebert


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sahen sich die Mäuse an.

      „Aber du bist doch ein Held“, piepste Max. „Das müssen alle erfahren.“

      „Nein niemals“, riefen Hugo und Lilly gemeinsam.

      „Stell dir vor“, erklärte Lilly ihrem Bruder, „was passieren würde, wenn die anderen Katzen davon erfahren würden. Das bleibt unser Geheimnis. Ehrenwort.“ Dann ließ sie die ganze Familie den Mäuseeid schwören.

      „Für mich wird es nun Zeit“, meinte Hugo. Zum Abschied strich er Lilly sanft mit der Pfote über ihren Kopf. „Leb wohl, kleine Lilly.“

      „Kommst du mich mal besuchen?“, fragte Lilly.

      „Schon möglich“, verabschiedete sich Hugo und trabte los.

      Die ganze Mäusefamilie blickte ihm nach. Doch dann musste Lilly erzählen, was sie alles erlebt hatte. Franz, Georg und Max staunten nicht schlecht und lobten Lillys Mut, während ihre Mutter sich ängstigte, wenn Lilly von der Katze sprach. Natürlich berichteten die Eltern und ihre Brüder, wie sie verzweifelt nach Lilly gesucht hatten. Jedes Tier im Wald hatten sie gefragt, aber keiner hatte Lilly gesehen. Das Erzählen dauerte bis zum Sonnenuntergang. Bald darauf brachte die Mama Lilly zu Bett. Und Lilly musste versprechen, nie wieder wegzulaufen. Zufrieden und glücklich schlief Lilly ein und träumte von ihren Abenteuern im großen Garten mit der wunderschönen Blume.

      *

      Lilly findet einen neuen Freund

      Lillys Abenteuer im Garten lag schon einige Zeit zurück. Der Sommer hatte den Frühling abgelöst und die schönste Zeit des Jahres hatte begonnen. Im Wald war es um diese Jahreszeit besonders schön. Durch die großen Bäume mit ihren dicken Ästen und Blättern drang die Sonne nicht bis zum Waldboden vor. Es herrschte selbst in den Mittagsstunden eine angenehme Kühle. Lilly und ihre Geschwister waren fast den ganzen Tag draußen. Sie spielten Fangen mit den Nachbarskindern. Sie tobten herum, so wie das Waldmäuschen tun. Eine Weile spielte Lilly immer mit, aber dann mochte sie nicht mehr. Ihre Brüder waren viel kräftiger und gewannen jedes Spiel. Sie ließen Lilly nicht einmal zum Spaß gewinnen. Lilly hätte gerne eine Freundin gehabt. Aber es war wie verhext. Sie hatte drei Brüder, den Max, den Georg und den Franz. Auch gab es in der Nachbarschaft nur wilde Mäusejungen. Lilly war weit und breit das einzige Mäusemädchen.

      Nun hatten die kleinen Mäuse bereits vor Tagen gehört, dass eine neue Mäusefamilie ganz in der Nähe eingezogen war. Noch hatten sie kein Familienmitglied gesehen. Neugierig schlichen Lilly und ihre Brüder immer wieder um die neu bezogene Mäusewohnung herum. Sie lag unter dem Fuß einer alten Eiche. Ein kleines Loch diente als Eingang. Früher hatte hier die alte Feldmaus Mimi gewohnt. Aber seit einiger Zeit war die Wohnung verwaist. So oft sie um den Eingang schlichen, sie konnten keinen Laut vernehmen und kein Mäuseschwänzchen sehen.

      „Komisch“, dachte Lilly, „warum kommt keiner raus und spielt mit uns?“ Aber sie wartete vergebens. Lilly hatte sogar ihre Mutter gefragt, ob sie nicht mal die neuen Bewohner besuchen wollten. Doch die Mutter hatte nur abgewinkt und gesagt, man solle nichts überstürzen. Die neuen Nachbarn hatten sicher einen weiten Weg hinter sich und wollten noch etwas ausruhen.

      Zwei Tage wartete Lilly noch ab. Aber als sich noch immer nichts rührte, sammelte sie leckere Kräuter, pflückte eine kleine Blume und besuchte die neuen Nachbarn. Sie klopfte fast zaghaft an die Tür, die sich hinter dem Eingangsloch verbarg. Doch nichts rührte sich. Sie versuchte es noch zwei weitere Male. Und siehe da, beim dritten Klopfen wurde die Tür ganz leise und auch nur einen Spaltbreit geöffnet.

      „Wer ist da?“, fragte eine leise, fast tonlose Stimme.

      Obwohl Lilly leicht erschrocken war, antwortete sie tapfer. „Ich bin Lilly und wohne mit meiner Familie ganz in der Nähe. Ich wollte euch willkommen heißen.“

      Es dauerte eine kleine Weile, die Lilly schrecklich lang vorkam, doch dann fragte die Stimme: „Bist du alleine gekommen?“

      Lilly nickte eifrig mit dem Kopf und sprach: „Ja. Ich bin alleine hier.“

      Da wurde die Tür ein wenig weiter geöffnet und Lilly durfte eintreten. Drinnen war es sehr dunkel. Alle Fenster waren mit dunklem Tuch verhängt. Man konnte kaum sehen, wohin man trat. Lilly wurde behutsam auf eine Sitzgelegenheit geschoben. Dann wurde eine winzige kleine Kerze angezündet. Als Lillys Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie die Maus, die zu der leisen Stimme gehörte. Oh, sie sah ganz krank aus. Sie zog das linke Hinterbein nach und auch der Schwanz war gebrochen. Leise sagte sie: „Ich bin Murmel. Meiner Tante Mimi hat die Wohnung gehört. Wir versuchen, hier wieder gesund zu werden. Aber der Wald ist so groß und so fremd.“

      „Wir?“, fragte Lilly. „Wie viele seid ihr denn?“

      Murmel antwortete: „Mein Mann, meine Mutter und mein Sohn.“ Dann brach sie in Tränen aus.

      Sie tat Lilly so leid. Sie wollte sie trösten und sprach: „Das ist doch schön, ihr seid eine Familie. Darf ich euch alle kennenlernen?“

      Murmel schluchzte noch immer heftig und sagte: „Heute nicht, Lilly, sie sind alle krank. Komm morgen Abend nach dem Abendessen vorbei, dann stelle ich dir alle vor. Aber versprich mir, alleine zu kommen, und erzähle niemandem von uns.“

      Lilly versprach es und verließ hastig die Wohnung. Sie grübelte, was es wohl mit Murmel und ihrer Familie auf sich hatte. Und niemandem durfte sie von ihrem Besuch erzählen. Sie hielt es kaum aus. Aber vielleicht erfuhr sie morgen Abend mehr über die seltsame Familie.

      Den restlichen Tag war Lilly sehr still und hielt sich von den anderen Mäuschen fern. Sie legte sich unter ihren Lieblingshagebuttenbusch und schaute zu den Baumwipfeln empor. Einige Male rief ihre Mutter nach ihr. Lilly antwortete nur kurz und blieb unter dem Busch liegen. Sie wollte nicht bei ihren Brüdern oder Eltern sein, denn dann hätte sie sich bestimmt verplappert und die anderen hätten Lillys Geheimnis erfahren. Nach dem Abendessen verschwand Lilly augenblicklich in ihr Bettchen.

      „Bist du krank?“, fragte ihre Mutter. „Du gehst doch sonst nicht freiwillig ins Bett.“

      „Nein, nein“, versicherte Lilly. „Alles in Ordnung. Ich bin nur sehr müde.“

      „Na gut, dann schlaf schön mein Kind.“

      Am nächsten Tag war großer Waschtag. Alle halfen mit. Der Vater und die Brüder holten das Wasser und Lilly und ihre Mutter wuschen die gesamte Wäsche. Zum Trocknen wurde die Wäsche ins Gras gelegt und die Sonne tat ihr Übriges. So dauerte es nur einige Stunden und die gesamte Wäsche war trocken. Nun konnten die Kinder spielen. Die Eltern gingen Kräuter und Pflanzen für die nächste Mahlzeit sammeln.

      Lilly wollte Beeren für den Nachtisch holen. Sie konnte machen, was sie wollte, aber die Zeit schien still zu stehen. Erschöpft von der Arbeit schlief Lilly nach dem Mittagessen ein. Sie erwachte erst am späten Nachmittag. Sie sprang auf, streckte sich und hüpfte ein paar Mal auf und ab. Dann war sie fit. Die Nachmittagssonne schien und am Himmel waren kleine weiße Wolken zu sehen. Sie ähnelten Lämmern. Lilly blickte zum Himmel und träumte. Einen Augenblick später lag sie im Gras.

      Ihr Bruder Franz hatte sie unabsichtlich beim Spielen umgeschubst und brummelte: „Wo hast du deine Augen, Lilly? Hast du mich nicht gesehen?“

      Lilly schüttelte den Kopf. „Nein, wo bist du so plötzlich hergekommen?“

      „Wir spielen Verstecken und ich musste mich frei schlagen. Jetzt habe ich es nicht rechtzeitig zum Baum geschafft und habe verloren. Spiel doch mit. Du bist dran und musst uns alle suchen“, rief Franz.

      „Na gut“, willigte Lilly ein.

      So spielte sie noch eine Weile mit den Mäusejungen. Lilly kannte den Wald um ihre Wohnung herum sehr gut. Deshalb fand sie ihre Brüder auch sehr schnell. Doch die Zeit wollte nicht vergehen. Lilly wartete sehnsüchtig auf den Abend, denn dann sollte sie endlich das Geheimnis der neuen


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