Der Schreiberling. Patrick J. Grieser

Der Schreiberling - Patrick J. Grieser


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sie wieder zusammen und erklärt ihnen, dass Hekate sie ausgetrickst hat. In Wirklichkeit befinden sie sich in einem Taschenuniversum, das nur eine schlecht gemachte Kopie ihrer alten Welt ist; es existieren keine realen Menschen außer ihnen und auch die Gegend ist räumlich begrenzt. Daraufhin entschließen sie sich, mit Leonhards Hilfe zurückzukehren und zu kämpfen.

      Es kommt zu einer Auseinandersetzung mit Hekate und Jakobs Freund Schnute wird getötet. Der Cowboy stürzt zusammen mit Hekate durch ein weiteres Portal in eine fremde Welt, und Jakob gelingt es nun endlich, die Chipkarte in seine Gewalt zu bringen.

      Mit einem Seelensprinter fährt er zurück zu Leonhard in die Zwischenwelt und erfährt dort, dass dieser sie tatsächlich angelogen hat. Denn in Wirklichkeit heißt er Epimetheus und ist der Bruder von Prometheus. Seine Frau ist keine Geringere als Pandora und die Ursache dafür, dass alle Welten untergehen. Denn sie hatte aus Versehen eine Büchse geöffnet, die Zeus ihr mit dem Auftrag überreicht hatte, sie zu einer instabilen Welt zu bringen und auf keinen Fall vorher zu öffnen.

      Als Bestrafung werden sie und Epimetheus in verschiedene Welten verbannt. Mithilfe der Chipkarte gelingt es Epimetheus, zuerst zu Zeus zu reisen und Rache zu nehmen, indem er im Olymp eine Blackbox öffnet und anschließend seine große Liebe Pandora wiedersieht.

      Jakob findet sich am Schluss in einer Parallelwelt wieder, die der seinen täuschend gleicht, aber da er dort zuvor nie existiert hat, kann er nicht einfach zu seinen Eltern und seinem wahren Leben zurückkehren.

      Der Cowboy hingegen wird wach und befindet sich letztendlich genau an dem Ort, an dem er schon immer leben wollte, im Wilden Westen.

      (Astrid Pfister)

      Viele Geschichten beginnen mit der Ankunft eines Fremden in einer Stadt. Man denke in diesem Zusammenhang nur an Carsons Die Ballade vom traurigen Café oder Dürrenmatts Der Besuch der alten Dame. In der fantastischen Literatur ist die Reise ins Unbekannte von zentraler Bedeutung. Sei es der Fremde, der eine Kleinstadt heimsucht in Kings In einer kleinen Stadt oder eben eine gewisse investigative Neugierde, die den jungen Robert Olmstead in der lovecraftschen Erzählung Schatten über Innsmouth in eine finstere Hafenstadt treibt.

      Zudem lassen sich viele Geschichten auf einen gemeinsamen Nenner reduzieren: Der Fremde betritt die narrative Bühne, um gesellschaftliche Strukturen zu verändern. So mag es nicht verwundern, dass sämtliche Werke aus der Feder von Donald Eldritch mit dem Landen eines Protagonisten an unbekannten Gestaden beginnen. Nach der Ankunft ist nichts mehr so, wie es einmal war. Entweder für den Fremden selbst oder für die Stadt und ihre Einwohner. Dabei sind die Beweggründe des fremden Besuchers oft vielschichtiger Natur. Rache, Gier und Mord. Flucht aus einer technischrationalisierten Welt, deren Gesellschaft geistig zunehmend verkümmert. Die Heimsuchung des Bösen. Eine morbide Neugierde, die letztendlich ins Verderben führt … Auch dieser Roman beginnt mit dem Erscheinen eines Fremden in einem kleinen, verschlafenen Nest namens Cheops. Es ist die Zeit nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, ein blutiges Kapitel in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist zu Ende. Die Zeit danach ist geprägt von großen Gegensätzen. Viele spüren die Folgen dieses grausamen Krieges und kämpfen täglich um ihr Überleben. Doch dann gibt es die Art von Menschen, die die Gunst der Stunde nutzen und über Nacht unermesslich reich werden. Es sind die Rancher, die sich ein gewaltiges Rinderreich aufbauen, in dem sie wie Könige im Überfluss regieren. Und auch der Ruf des Goldes im Canyonland hat schon so manches Herz höher schlagen lassen …

      Dieser zweite Band der Geschichte ist in Dankbarkeit meinem Schwiegervater Winfried Glöckner gewidmet.

      1

      Aus der Ferne machte Cheops einen stattlichen Eindruck. Die meisten Gebäude waren aus Stein gemauert oder mit getrockneten Lehmziegeln errichtet worden. Es gab Arkaden, auf denen man mit der Dame seines Herzens flanieren konnte. Die alte Mission mit dem Glockenturm hatte erst vor Kurzem einen neuen Anstrich erhalten. Am Stadtrand erhoben sich mehrere Wassertürme, die im Sonnenuntergang wie schlafende Riesen aussahen.

      In Cheops waren die Dürreperioden im Sommer ausgesprochen lang, sodass die Menschen mit dem Trinkwasser haushalten mussten. Doch die Einwohner waren an die harten Zeiten gewöhnt. Im Winter wurden sie von heftigen Blizzards geplagt und im sogenannten Tornado Alley wüteten oft sehr starke Tornados. Hinter der Stadt erstreckte sich die endlose Prärie, in den letzten Sonnenstrahlen ein rot gefärbtes Tuch, besprenkelt mit Farmen und Ranchen.

      Obwohl Kansas relativ flach war, gab es im östlichen Teil ausgeprägte Hügel- und Waldlandschaften. Rainer Mehnert, Bezwinger der mächtigen Göttin Hekate, Cowboy und Vagabund, Revolverheld und Überlebender der Stadt der Nacht, Dionaea muscipula, blickte zufrieden von der Anhöhe auf das idyllische Cheops herab. Er war endlich am Ziel angekommen!

      Er klopfte sich den Staub von seinem Cowboyhut und seiner Fransenlederjacke. Der Weg nach Cheops war hart und entbehrungsreich gewesen. Doch hier wollte er einen Neuanfang wagen! Er war entschlossen, ein legendärer Maverickjäger zu werden. In den weitläufigen Ebenen hatte sich das Vieh auf Teufel komm raus vermehrt. Viehherden so weit das Auge reichte. Da es während des Krieges keinen Absatz für die Rinder gegeben hatte, war der gesamte Viehbestand ungebrändet! Auf diese Rinder – die sogenannten Mavericks – hatte es der Cowboy abgesehen.

      In Kansas gab es riesige Verladebahnhöfe, die das Vieh zu den Schlachthöfen transportierten. Die Maverickjäger fingen die verwilderten ungebrändeten Tiere ein und brachten sie zu den Verladestellen. Und dafür gab es eine Menge Geld! Geld, das der Cowboy für feuchtfröhliche Pokerspiele und heiße Weiber ausgeben wollte. Denn es war schon lange her, dass er die warmen Schenkel einer Frau genossen hatte. Eine Frau mit tollen Brüsten, muskulösen Waden und einem schönen Becken, an dem man sich festhalten konnte! Ja, ein solches Prachtweib wäre jetzt genau das Richtige für ihn, den Westmann.

      Doch solche Fantasien mussten vorerst noch warten, bis er ein Maverickjäger werden würde. Vielleicht reichten die paar Dollars in seiner Westentasche noch, um sich ein Tingeltangel-Girl in einem der zwielichtigen Varietés anzuschauen.

      Der Cowboy ging zurück zu seinem Pferd, das er an einem Baum angebunden hatte. Ächzend schwang er sich auf den alten Gaul. Nur widerwillig setzte sich das Tier in Bewegung. Das Reiten hatte in den Wildwestfilmen immer so mühelos und heldenhaft ausgesehen, aber davon musste er sich verabschieden. Sein Hinterteil schmerzte höllisch von dem harten Ritt, da seine Gesäßknochen gegen den Reitsattel scheuerten, und das, obwohl er eine grobe Baumwollhose mit Ledereinlagen trug. Vielleicht sollte ich es mal mit einer Fellauflage auf dem Sattel probieren, dachte er.

      Während er in das Tal Richtung Cheops trabte, sagte er sich, dass diese Szene etwas von einem Groschenroman an sich habe und schmunzelte. Früher hatte er immer die Wildwestromane vom Kiosk gelesen. Fast jeder Heftroman fing damit an, wie der Protagonist hinunter in die Stadt ritt. Das hatte etwas Heldenhaftes! So könnte es jetzt auch bei ihm sein. Wenn nur nicht sein Hintern so furchtbar brennen würde!

      Hekate hatte ihn in eine Parallelwelt befördert: nach Nordamerika, in eine Zeit nach dem Bürgerkrieg. Es musste eine Parallelwelt oder zumindest ein sehr großes Taschenuniversum sein. Am Anfang war er misstrauisch gewesen, ob die alte Schlampe ihn betrogen und in eine Zeit befördert hatte, in die er nicht hingehörte. Solche Dinge konnten weitreichende Konsequenzen haben. Es könnte eine Anomalie entstehen, die das kosmische Muster veränderte. Und dann würde er Besuch von seinen Freunden, den tollwütigen Seemännern, bekommen. Unheimliche Wesen in archaisch wirkenden Taucheranzügen, ausgestattet mit gewaltigen Flammenwerfern, die eine Welt auslöschten, bevor die Anomalie sich verselbstständigte und ein Ungleichgewicht im gesamten Universum verursachte. Die tollwütigen Seemänner waren sozusagen die Ordnungspolizei der griechischen Götter, die über den Kosmos herrschten.

      Am Anfang schlief er schlecht, legte sich manchmal sogar nachts auf die Lauer, weil er glaubte, jeden Moment könne einer der tollwütigen Seemänner aufkreuzen und ihn vernichten. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er die Wesen in der Stille der Nacht hören konnte: ein angestrengtes Schnaufen, das den Atemgeräuschen einer Herz-Lungen-Maschine in nichts nachstand. Doch sie waren nicht gekommen. Vorerst nicht … Sein Blick spähte über das von


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