Das Tartarus-Projekt. Gerd Schilddorfer
Über dieses Buch
Sind Sie sicher, dass die Fliege an der Wand tatsächlich ein lebender Organismus ist? Oder eine Mini-Drohne, die Ihnen auf Schritt und Tritt folgen kann, die Sie beobachtet und persönlichen Informationen in eine Cloud schickt? Daten, die Sie erpressbar machen, berechenbar, ausgeliefert all jenen, die darauf Zugriff haben. Doch es kann noch schlimmer kommen …
Eine feuchtfröhliche Party im Nobelvorort Grünwald bei München endet in einem Horrorszenario - der Gastgeber wird an die Zentralheizung gefesselt, gefoltert und brutal ermordet. Michael Landorff, Journalist und Autor, der zu seiner eigenen Überraschung auf der illustren Einladungsliste stand, beginnt auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Dabei trifft er auf Alexandra Buschmann, eine professionelle Pokerspielerin, die ebenfalls eingeladen war, obwohl sie den Hausherrn nicht einmal kannte. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg, die Hintergründe des grausamen Todes zu erforschen – und geraten dabei immer tiefer in ein Netz aus Geheimdiensten, Wirtschaftsinteressen und politischem Kalkül. Schon bald laufen sie um ihr Leben. Denn es geht um eine weltweite Bedrohung von ungeahntem Ausmaß – das Tartarus-Projekt
Für meine Freundin,
Lektorin, Wegbegleiterin und Mentorin Tanja Frei
die im Dezember 2019 so unerwartet, still und leise
aus dem Leben verschwunden ist. Du fehlst.
Inhalt
12. Die Drehscheibe der Spione
1. Die Party
„Ich schreib ja jetzt auch ein Buch …“
Michael Landorff blickte verwirrt in Richtung eines schlaksigen Jünglings und verschluckte sich fast an dem Whisky, der golden in seinem Glas schimmerte. Er lehnte sich an die Wand, während er das junge Milchbartbubi mit der peinlichen Schillerlocke in der pickeligen Stirn verblüfft genauer musterte.
Der? Der schrieb auch ein Buch? Konnte der schon schreiben oder tippte der noch? Nach der Adler-Suchmethode? Über den Tasten kreisen und dann zuschlagen?
Landorff runzelte die Stirn. Dieses Buchschreiben entwickelte sich allgemein zu einer Krankheit, die einer Epidemie glich, dachte er. Jeder, der eine halbwegs fehlerfreie E-Mail von zehn Zeilen schaffte, entschloss sich spontan, etwas vom Schlechtesten zum Besten zu geben.
Literarischer Brechdurchfall. Gnadenlos.
Ein großer Schluck Laphroaig sorgte dafür, dass Landorffs Magensäure da blieb, wo sie hingehörte. Die drei kurz berockten Grazien, die den literarischen Möchtegern-Newcomer anhimmelten, als wäre er der gerade aus dem Bett gestoßene Ex-Lover von Lady Gaga, kicherten sinnbefreit vor sich hin. Dabei trippelten sie erwartungsvoll von einem Stöckelschuh auf den anderen und warfen einander bedeutungsvolle Blicke zu.
Während Landorff über die potenziellen Offenbarungen von Pickelgesicht nachdachte, bemerkte er, dass der Islay-Whisky in seinem Glas plötzlich metallisch schmeckte.
Blieb nur zu hoffen, dass die „Memoiren eines Achtzehneinhalbjährigen“ oder der „Rückblick auf mein bewegtes Leben in der Krabbelstube“ am bekannt verwöhnten Geschmack eines wachen Literaturagenten scheitern würden. Oder spätestens der abgebrühte Lektor eines vernünftigen Verlags sie dahin befördert, wo sie hingehörten – in den Papierkorb.
Die Mascara-umrandeten Augen der pubertierenden Grazien waren inzwischen wieder auf Normalgröße geschrumpft, während sie sehnsüchtig weiteren Ausführungen entgegenfieberten.
Ich nicht, dachte Landorff, und zog los, weiter durch das riesige Wohnzimmer. Die chillige Musik, ein ausgezeichnetes Buffet, ein Traumhaus mit Pool und Effektbeleuchtung im Garten. Es war eine super Party mit den richtigen Leuten am richtigen Ort, kein Zweifel.
Bis zu dem Satz, dem einen Satz, war es in der Tat ein wunderbarer Abend gewesen. Trinken, tanzen, Blödsinn reden, ohne Reue das überladene Buffet vernichten und die obligaten Reden beklatschen. Party business as usual. Eine der stadtbekannten Start-up-Firmen hatte geladen und alles, was glaubte, Rang und Namen zu haben, war dem Ruf nur zu gern gefolgt.
Landorff ebenfalls. Obwohl er keine Ahnung hatte, warum er auf der Einladungsliste stand. Naja, vor sich selbst entschuldigte er sein Kommen mit dem Hinweis auf das opulente Buffet vom besten Caterer Münchens. In seinem Job aß man nicht jeden Abend warm …
Der Anlass der Fete war stadtbekannt. Prolicks – nomen est omen – hatte mit diversen Dienstleistungen in unglaublich kurzer Zeit sehr materielle Millionen gemacht. Manche sprachen sogar von einer Milliarde, die der gerade erfolgte Verkauf der Unternehmensgruppe an einen der weißen Anleger-Haie im Netz eingebracht hatte. Man flüsterte hinter vorgehaltener Hand, der hätte sich damit in einem Schachzug die Konkurrenz vom Leib geschafft und gleichzeitig seine Steuern drastisch reduziert.
Die er sowieso in Luxemburg bestimmt bereits vorher flexibel gestaltet hatte …
Prolicks-Chef Gregory Winter wiederum hatte sicher händereibend