Das Tartarus-Projekt. Gerd Schilddorfer

Das Tartarus-Projekt - Gerd Schilddorfer


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zumindest kreativ, Name und Zweck des Anrufs zu hinterlassen, ärgerte er sich. Sonst konnte man sich den Anruf ganz sparen.

      Nach einem kleinen Schluck Talisker ging er endgültig ins Bett. Morgen war auch noch ein Tag und er sollte dringend jemanden finden, der sich mit alten Fotos auskannte. Am besten den Archivar einer Fotosammlung oder eines Museums.

      Darüber schlief er ein.

      Das Klingeln des Telefons riss ihn unsanft aus dem Schlaf und holte ihn aus den Tiefen eines wirren Traums, in dem Männer mit Tropenanzügen Nashörner jagten, die anschließend bei Meister Zahlmann in der Wursttheke landeten.

      Völlig verschlafen stolperte Landorff in den Nebenraum.

      „Wenn der Idiot, der mitten in der Nacht anruft, jetzt auflegt oder es gar mein verblödeter Ex-Agent ist, der sich ein letztes Mal vom Flughafen meldet, um mir seinen Abflug nach Reims mitzuteilen, dann laufe ich Amok“, murmelte er im Halbschlaf.

      Doch das Telefon dachte gar nicht daran, mit dem durchdringenden Geklingel aufzuhören.

      „Ja? Wer immer Sie sind, haben Sie den Verstand verloren? Wissen Sie, wie spät es ist?“

      Auf der anderen Seite blieb es ruhig.

      Nur diese Menschenmenge war mit einem Mal wieder da, im Hintergrund, dieser konstante Lärmpegel. Eine große Halle? Ein Bahnhof? Ein Flughafen? Die Abfertigungshalle in einem Hafen? Könnte auch ein Endlosband sein, das jemand in einem Raum laufen lässt, um seinen Aufenthaltsort zu verschleiern …

      „Hallo?“ Landorff versuchte erst gar nicht, seinen Ärger zu verbergen. „Was soll der Blödsinn? Wenn Sie mich schon aus dem Bett holen, dann haben Sie wenigstens etwas zu sagen.“

      Immer noch nichts. Im Hintergrund rief jemand nach einem Jungen namens Daniel und ein metallisches Quietschen war zu hören.

      „Wissen Sie, was? Gute Nacht!“ Kurz entschlossen legte Landorff auf und schüttelte den Kopf. Die Irren da draußen wurden immer mehr, aber warum landeten sie immer öfter bei ihm?

      Auf dem Weg zurück ins Bett stoppte ihn das Telefon erneut.

      „Och komm, das ist nicht mehr witzig“, brummte er vor sich hin und warf seinem Bett, das im gelben Licht der Nachttischlampe so anheimelnd, warm und kuschelig aussah, einen sehnsüchtigen Blick zu.

      Dann ging er doch zurück und hob erneut ab.

      „Haben Sie vergessen, mir noch etwas zu sagen?“, meinte er sarkastisch und hörte wieder die vertrauten Hintergrundgeräusche. „Jetzt muss Ihr Zug doch bald abfahren. Hoffentlich … dann lassen Sie mich endlich schlafen.“

      „Sie wissen nicht, worauf Sie sich da eingelassen haben“, meinte eine unbewegte, tiefe Stimme, die dem sonoren Bass von Henry Kissinger Konkurrenz machte.

      „Doch, ich weiß, das mit Melissa als neuer Agentin geht mir auch etwas gegen den Strich“, forderte ihn Landorff heraus. „Ich möchte nicht als literarischer Heino enden, den Griffel in der geballten Faust, und auf einer Bühne gemeinsam mit Charlotte Roche aus meinen Büchern lesen.“

      „Sie wissen genau, was ich meine“, fuhr der Anrufer unbeirrt fort. „Sie waren gestern auf der Party.“

      „Sie auch?“

      „Das tut nichts zur Sache. Dieser Kommissar, wie heißt er schnell? Ach ja, Kroning … dieser Kommissar ist auf der falschen Spur, wenn er die Gästeliste abarbeitet. Das kann er gern machen, aber es wird ihn nicht weiterbringen …“

      „Woher wissen Sie das?“, stieß Landorff nach.

      „Weil ich dabei war“, meinte sein Gesprächspartner kurz angebunden.

      Landorff war etwas verwirrt. „Dabei? Wobei?“

      „Als sie Winter angezündet haben“, gab der Anrufer ungerührt zurück, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. „Drei Mann im Morgengrauen, vermummt, ganz in Schwarz. Winter sah nicht mehr gut aus zu diesem Zeitpunkt. Sie müssen ihn gefoltert haben. Dann haben sie eines seiner Augen mitgenommen …“

      Landorff fiel nichts mehr ein. Die Bilder holten ihn ein und es wurde ihm kalt.

      „Waren Sie im Haus?“, fragte er schließlich und seine Gedanken rasten. „Ich nehme an, im Morgengrauen war die Party schon gelaufen und die letzten Gäste gegangen.“

      „Nein, ich war nicht im Haus, ich habe zugesehen …“, brummte die Stimme und ließ offen, wie und von wo aus.

      „Warum haben Sie das nicht Kroning gesagt? Sie scheinen ihn ja zu kennen?“

      „Meine Sache“, erwiderte der Anrufer kurz angebunden. „Sie sind doch Journalist und Sie haben einen guten Ruf, wie man mir versichert hat. Bleiben Sie dran an der Geschichte, glauben Sie mir, sie ist es wert. Allerdings werden Sie dann nicht mehr oft zu Hause sein …“ War das ein trockenes Lachen oder hatte er sich verschluckt? „Also sollten Sie mir Ihre Handy-Nummer geben, damit wir Kontakt halten können.“

      „Warum verraten Sie mir nicht Ihre?“, drehte Landorff den Spieß um.

      Diesmal lachte der Anrufer tatsächlich. Eine Lautsprecherdurchsage ertönte im Hintergrund, aber Landorff konnte kein Wort verstehen.

      „Also gut“, räumte er ein und diktierte sie ihm. „Wäre nett, wenn es keine Nachtanrufe werden“, setzte er hinzu, doch die Leitung war bereits tot.

      Landorff überlegte bis zum Einschlafen, ob er nicht gerade einen großen Fehler begangen hatte.

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