Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter. Jan Schabacker

Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter - Jan Schabacker


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dieses Fachwissens. Die Ausführungen sollen helfen, im alltäglichen Dienst und in besonderen Lagen geltendes Recht zu beachten und auf diese Weise gute PR zu machen, ohne dafür in irgendeiner Weise belangt werden zu können. Für die Klärung spezifischer Rechtsprobleme gibt es genügend Fachliteratur, die für konkrete Probleme hilfreich sein kann. Allen voran sei insbesondere für das Presserecht das Standardwerk „Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts“ genannt, das auf den Pressestellen für die Klärung kniffliger Rechtsfragen vorgehalten werden sollte.

       4.1Pressearbeit: Kein Selbstzweck, sondern rechtliche Verpflichtung mit Verfassungsrang und Pfeiler unserer demokratischen Grundordnung

      Die Tatsache, dass die Pressearbeit in jeder Behörde unter allen Maßnahmen der Public Relations einen außerordentlich hohen Stellenwert genießt, hat zwei Gründe: Zum einen ist sie nach wie vor entscheidend, um im Falle medialer Krisen die Position der eigenen Behörde maßgeblich positiv zu beeinflussen. Zum anderen ist sie vor allem aber auch rechtliche Verpflichtung für alle staatlichen Institutionen und damit tatsächlich ein Grundpfeiler unseres Demokratieverständnisses. Der Rechtsanspruch der Presse auf Information und freies Handeln ist Basis unserer Demokratie. Diese Tatsache lohnt es sich immer wieder vor Augen zu führen. Nur allzu häufig erlebe ich bis in höchste Leitungsebenen, auch auf ministerieller Ebene, dass dieser Ansatz im Eifer dynamischer Kommunikationsprozesse nur wenig oder gar nicht bedacht wird. Ein Satz, den jeder Pressesprecher in diesem Zusammenhang nach langjähriger Tätigkeit deutlich mehr als einmal von gehobenen Leitungsfunktionen gehört hat, lautet: „Dazu sagen wir jetzt nichts.“ Diese Aussage ist in vielen Fällen rechtlich bedenklich, denn die Presse hat einen Anspruch auf Informationen durch staatliche Institutionen, der verfassungsrechtlich nicht höher aufzuhängen ist. Er resultiert aus Artikel 5 Grundgesetz (GG).

       Artikel 5 Grundgesetz: Meinungsfreiheit

      (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

      Um die tief greifende Bedeutung dieser wenigen Sätze für unsere demokratische Grundordnung und im Weiteren für unsere Aufgabe zu verstehen, ist es hilfreich, sich klarzumachen, in welchem Verhältnis Journalisten, und damit die Presse, und behördliche Institutionen auf Basis dieses Grundrechts zueinander stehen. Für Pressesprecherinnen oder Pressesprecher steht nur allzu häufig die Frage im Raum, warum eine gute Zusammenarbeit mit den entsprechenden Redakteuren, mit denen man sich im Grunde bei regelmäßigem Kontakt gerade im lokalen Bereich häufig ja auch gut versteht, nicht zu jedem Zeitpunkt möglich ist. Die Antwort ist relativ simpel: Die Presse übt eine Kontrollfunktion über staatliches, und damit auch über polizeiliches, Handeln aus. Insbesondere die Exekutive, und ganz besonders die Polizei, ist mit ihren beträchtlichen Eingriffsbefugnissen in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, bis hin zum Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, eine Institution, die im demokratischen Konstrukt bedingungslos nach den Buchstaben der Gesetze und geltender Rechtsverordnungen handeln muss. Jeder durch staatliche Organisationen durchgeführte Grundrechtseingriff bedarf einer klaren rechtlichen Legitimation. Es ist Aufgabe der Presse, die Einhaltung dieser klaren Regeln zu kontrollieren, Verstöße oder Fehlhandlungen aufzudecken und der Bevölkerung so die Möglichkeit zu geben, sich über mögliche Missstände zu informieren.

      Insofern ist der Journalist in der Regel geradezu auf der Suche nach Fehlern, die staatliche Institutionen begehen, auch wenn er das so offen nicht kommuniziert. Pressesprecherinnen und Pressesprecher sind in ihrem Handeln stets bemüht, die Polizei in ein gutes Licht zu stellen, sie quasi auch durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu bewerben. Das ist eine klare Interessenskollision: Während auf der einen Seite das Ziel darin besteht, ein möglichst positives Bild einer Polizeibehörde zu zeichnen, wird auf der anderen Seite, überspitzt dargestellt, permanent das Haar in der Suppe gesucht. In diesem Spannungsbogen muss das Verhältnis zwischen Behörde und Presse dauerhaft wahrgenommen werden. Mir persönlich hat das Voraugenführen dieser Situation insbesondere in medialen Krisen immer sehr geholfen, das Verhalten von Journalisten zu abstrahieren. Hinzu kommen weitere Kriterien, die den Umgang mit Pressevertretern in besonders belastenden Situationen entschärfen, aber bleiben wir zunächst bei den rechtlichen Grundlagen.

      Das oben beschriebene Grundverständnis für das Verhältnis von Presse und Staat muss jeder Pressesprecher und jede Pressesprecherin für sich verinnerlicht haben. Nur dann kann die Aufgabe der Pressearbeit für eine Behörde professionell umgesetzt werden. Es ist aber nicht nur obligatorisch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der PR-Dienststelle (so nennen wir ab sofort die Fachdienststellen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit), dieses Rechtsverständnis für sich zu erwerben, sondern es ist zusätzlich Aufgabe der Pressesprecherinnen und Pressesprecher, auch allen Beschäftigten einer Polizeibehörde dieses besondere rechtsstaatliche Verhältnis zu erklären. Immer wieder wird in vermeintlich unbedeutenden Sachverhalten in der Zusammenarbeit mit der eigenen Behörde deutlich, dass die Kolleginnen und Kollegen, die allesamt Fachleute für bestimmte Aufgaben innerhalb der Polizei sind, über diese Expertise nicht verfügen. Das brauchen sie auch nicht, denn dafür gibt es ja eine Fachdienststelle, die mit Rat und Tat zur Seite steht. Es ist Aufgabe der Pressesprecherinnen und Pressesprecher, das besondere Verhältnis immer wieder auch denjenigen zu erklären, über deren Arbeit wir schließlich berichten oder zu deren möglichen Fehlern wir unter Umständen Stellung beziehen müssen. Auch, wenn viele die Journalisten kritisch sehen, erschließt sich ihnen bei Erklärung doch im Grundsatz die Tragweite der Aufgabe der Presse und damit auch die der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit respektive der PR der eigenen Behörde.

      Auf Unverständnis stößt in diesem Zusammenhang häufig die oft als sensationsheischend und reißerisch wahrgenommene Form der Berichterstattung durch die Medien. Und auch den Pressesprecherinnen und Pressesprechern fällt es in diesem Zusammenhang oft schwer, den grundrechtlich verbrieften Auftrag der Presse zum verantwortungsvollen, kritischen Blick auf staatliches Handeln in der Berichterstattung wiederzufinden. Aber diese Bewertung hilft im Kern nicht weiter, denn über Art und Weise der Berichterstattung bestimmen die Medien selbst. Alles andere wäre tatsächlich eine konkrete Einschränkung der freien Berichterstattung und damit der Pressefreiheit. Diese Wahrnehmung leistet aber tatsächlich einen nicht unerheblichen Beitrag zum Spannungsfeld zwischen Journalisten und Behörden.

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       Grafik: Interessenskonflikt

      Expressis verbis verlangt Artikel 5 GG die Gewährleistung der Pressefreiheit. Eine Zensur ist unzulässig. Dass die Zensur in einer Demokratie ein unzulässiges Mittel der Kommunikationsbeeinflussung ist, erschließt sich den meisten sofort. Jeder Polizeibeamte, der gefragt würde, ob Zensur durch staatliche Institutionen zulässig sei, würde ad hoc die richtige Antwort mit dem Brustton der Überzeugung geben: Selbstverständlich nicht! Aber auch dieses Thema kann in der praktischen Pressearbeit in vermeintlich unspektakulären Fällen von Relevanz sein, wenn man sich die Bedeutung dieser Aussage nicht bewusst macht.

      Ein Beispiel:

      Eine kostenlose Wochenzeitschrift, die durch Werbeeinlagen finanziert und in der ganzen Stadt am Wochenende an alle Haushalte verteilt wird, plant einen Bericht über die Arbeit einer Polizeileitstelle des Polizeipräsidiums. Eine Journalistin begleitet dafür eine gesamte Schicht den diensthabenden Dienstgruppenleiter. Der Bericht umfasst eine ganze Seite mit Bild und beschreibt ausgesprochen anschaulich die Arbeit dieser speziellen Dienststelle. Soweit ist aus Sicht der Pressestelle der Behörde alles bestens. Der Bericht ist auch aus Sicht der Behördenleitung gelungen und trägt zum positiven Image der Polizeibehörde bei. Innerbehördlich entsteht jedoch ein Schwelbrand in der Dienststelle, über die berichtet wurde, von dem ich als Pressesprecher erst Tage später erfahre. Der Bericht enthält folgenden Satz, an dem sich die Geister scheiden: „Der Dienstgruppenleiter lehnt sich zurück und trinkt zunächst einmal in Ruhe einen Kaffee.“ Diese Form der Darstellung löst


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